Magnus Carlsen im Kinder-Interview

von ChessBase
15.03.2016 – Für "Dein Spiegel", das Magazin für Kinder zwischen acht und 14 Jahren, interviewten Henrike und Luis vom Hamburger SK Weltmeister Magnus Carlsen und stellten Frage, auf die ein Erwachsener nicht unbedingt kommt, zum Beispiel, warum Schach besser ist als Gameboy, ob der Weltmeister nach einem Partieverlust weint und wie viele Züge er beim Schach im Voraus denkt. Mehr...

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Als Weltmeister Magnus Carlsen am 20. Februar in Hamburg zum Simultan gegen 70 "Zeit"-Leser antrat, hatte er kurz zuvor noch einen sehr entspannten Termin: Carlsen traf zwei Kinderreporter von "Dein SPIEGEL", einem Nachrichtenmagazin für Kinder. Das Magazin lässt in jeder Ausgabe Politiker, Firmenchefs oder Sportler von Kindern befragen - für die heute erschienene Ausgabe rückten Luis und Henrike, beide 13 und vom HSK, bei Carlsen an. Der Weltmeister räumte den Nachwuchsjournalisten 30 Minuten Zeit ein - Erwachsene dürfen oft nur zehn Minuten lang Fragen stellen.

Anfangs waren die Kinder noch sehr aufgeregt, schließlich begegnet man einem Weltmeister nicht jeden Tag. Außerdem musste das Gespräch auf Englisch geführt werden. Aber die Aufregung legte sich schnell. Carlsen zeigte sich geduldig, bestens gelaunt und baute nach dem Interview noch eine kleine Schachaufgabe für die "Dein SPIEGEL"-Kinder auf. Dann sagte er : "Hey, wir haben noch Zeit. Wollen wir spielen?"

Die drei spielten Zwei gegen Einen, Henrike und Magnus gegen Luis. Henrike und Carlsen wechselten sich mit den weißen Steinen ab, durften sich aber nicht absprechen. Nach etwa 20 Minuten begann Carlsens Manager zu drängeln - das Simultan sollte ja pünktlich anfangen. Da die Stellung ausgeglichen war, einigte man sich kurz darauf auf ein Remis.
 

 

»ICH VERLIERE GEGEN MEIN COMPUTER-ICH«

Magnus Carlsen, 25, ist der beste Schachspieler der Welt. Mit Henrike und Luis, beide 13, sprach er darüber, ob man durch Schach besser in der Schule wird – und für welchen Fußballverein er ein wichtiges Schachmatch sausen
lassen würde.

„Dein SPIEGEL“: Magnus, hast du als Kind nach einer verlorenen Schachpartie geweint? Und wenn ja: Wann hast du damit aufgehört?

Magnus Carlsen: Wer sagt denn, dass ich heute nicht mehr weine?

Das glauben wir nicht.

Na gut. Ich glaube, ich bin 16 gewesen, als ich das letzte Mal nach einer Niederlage geheult habe. Man sollte sich übrigens dafür nicht schämen. Die Tränen zeigen doch nur, dass man ehrgeizig ist und etwas erreichen will.

Du setzt dich dafür ein, dass in Schulen mehr Schach gelehrt wird. Was würde uns das denn bringen?

Man lernt durch Schach zum Beispiel, sich gut zu konzentrieren. Das Gedächtnis wird geschult. Und vor allem lernst du, in Ruhe über ein Problem nachzudenken und erst dann zu handeln. Ich sage nicht, dass Schach ein Schulfach sein müsste. In meinem Heimatland Norwegen gibt es an vielen Schulen Schach-AGs. Das reicht völlig aus. Wenn Kinder das Spiel lernen können, werden viele auch dabeibleiben. Es macht ja Spaß.

Bist du denn durch Schach besser geworden in der Schule?

Wenn ihr euch wirklich sehr viel mit Schach beschäftigt, dann kann ich erst einmal nur eines garantieren: Ihr werdet im Schach besser. So ging es mir damals. Die Schule hat etwas gelitten, weil ich oft unterwegs war und auf Turnieren gespielt habe. Aber ich konnte das immer ausgleichen.

Kannst du verstehen, dass Kinder lieber am Gameboy oder der Playstation spielen? Das ist nicht so anstrengend.

Meine Eltern wollten nicht, dass meine Schwestern und ich am Computer spielen. Wir hatten jedenfalls keinen Gameboy oder so etwas. Heute besitzen ganz viele Kinder solche Geräte. Ich finde es aber besser, wenn man beim Spielen auch etwas zum Nachdenken bekommt.

Du hast eine eigene App: „PlayMagnus“. Das Programm ahmt deinen Spielstil nach. Man kann sogar einstellen, ob man gegen den 8-jährigen, den 10-jährigen oder den 20-jährigen Magnus spielen will. Wie bekommt die App das hin?

Der Programmierer hat den Computer Tausende meiner Spiele analysieren lassen. Die Maschine kennt meinen Stil also ganz gut.

Und wer gewinnt, wenn du gegen dich selbst in der App spielst?

Ich glaube, die App ist stärker als ich. Wenn ich mir viel Zeit nehme, habe ich wohl eine Chance. Aber wenn ich mal schnell auf dem Handy spiele, dann verliere ich gegen mein Computer-Ich.

Es gibt nur sehr wenige Top- Spielerinnen. Warum spielen Männer besser als Frauen?

Bei Kindern gibt es erst einmal keinen Unterschied. Da sind Jungs und Mädchen gleich gut. Leider hören Mädchen im Teenageralter häufiger auf. Vielleicht ist ihnen der Wettkampf da nicht mehr so wichtig. Ich würde mich freuen, wenn mehr Mädchen spielen würden.

Wie viele Stunden am Tag spielst du?

Als Kind: stundenlang. Ich hatte einen Tisch mit meinem Schachbrett und meinen Schachbüchern. Oft habe ich an dem Tisch auch gegessen – während die Familie am normalen Esstisch saß. Heute spiele ich nicht viel. Aber ich denke fast pausenlos über Schach nach.

Du spielst auch gern Fußball. Wie ähneln sich denn Schach und Fußball?

Bei beidem geht es um die Frage: Welchen Teil des Spielfelds kontrolliert dein Gegner? Wenn der Gegner in der Mitte gut steht, dann musst du über die Flügel angreifen.

Mal angenommen, du dürftest einmal bei Real Madrid mitspielen. Würdest du dafür ein wichtiges Schachmatch sausen lassen?

Auf jeden Fall. Man will ja immer genau das ausprobieren, was man nicht so gut kann. Außerdem ist Real mein Lieblingsverein.

Wie viele Züge denkst du in einem Spiel voraus?

Manchmal nur einen. Aber wenn es drauf ankommt, dann kann ich weit vorausdenken. Vielleicht 20 Züge oder mehr. Aber es kommt nicht auf die Zahl an – sondern darauf, den besten Zug zu finden.

Träumst du von Schach in der Nacht?

Manchmal. Aber das sind immer schreckliche Träume, in denen ich ein wichtiges Spiel verliere.

 

 

Nachdruck mit freundlicher Erlaubnis.

Alle Fotos: © Dein Spiegel

 

Das Interview im Original als pdf...

 

 

"Dein SPIEGEL" richtet sich an Kinder zwischen 8 und 14 Jahren. Das Heft erklärt kindgerecht die Nachrichten aus der Erwachsenenwelt, zum Beispiel die Flüchtlingskrise oder den Klimawandel. Es beschreibt, wie der Bundestag arbeitet oder wie Youtube funktioniert. Zum Kindermagazin gehören natürlich auch Tiergeschichten, Comics, Stars und Sport. "Dein SPIEGEL" erscheint monatlich und hat eine Auflage von rund 85.000. In der aktuellen Titelgeschichte können Kinder mit einem Test überprüfen, wie gut sie sich im Straßenverkehr auskennen.

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