02.11.2011 – Selten stand eine 25 cm2
große Fläche so sehr im Mittelpunkt des
öffentlichen, nein, des veröffentlichten Interesses. Nachdem nämlich
entdeckt wurde, dass auf dem Umschlagbild des neuen gemeinsamen Buches von
Helmut Schmidt und Peer Steinbrück das Schachbrett verkehrt stand, und zwar um 90 Grad
gedreht und deshalb mit einem dunklen statt einem hellen Feld rechts unten,
fühlte ein Heer von Journalisten sich dazu berufen, diesen Fehler zu
kommentieren und hatte "kein anderes Thema als ein bescheuertes Schachbrett" (Steinbrück
im Spiegel). Der hier begangene Fehler ist allerdings nicht neu, kommt bei Fotos
bekanntlich häufiger vor und widerfährt sogar den Allerbesten, ... oder nicht?
(Auf welcher Farbe steht der - vom Betrachter aus gesehen - linke weiße Turm?) Des Rätsels Lösung...
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Spiegelungen
Von André Schulz
Bobby Fischer bleibt der bekannteste Schachspieler der
Geschichte. Auch nach dem frühen Tod des 11.Weltmeisters erscheinen Bücher und
Dokumentationen. In der aktuellen Dokumentation "Zug um Zug in den Wahnsinn" -
ursprünglich sollte sie im August von "Arte" ausgestrahlt werden, wurde aber aus
aktuellem Anlass kurzfristig abgesetzt und soll nun am 3.1.2012 um 22.30
gesendet werden. - beschäftigt sich Liz Garbus mit dem Phänomen des genialen
Schachspieler, der im Laufe seines Lebens immer mehr mehr zum ausgeprägten
Antisemiten wurde und offenbar unter Verfolgungswahn litt.
Die Dokumentation verwendet einige Bilder des Fotografen Harry Benson, der
1971/1971 Gelegenheit hatte, Fischer zu begleiten und den späteren Weltmeister
dabei in seinem privaten Umfeld zeigte. Kürzlich erschien einige der Bilder in
einem großformatige Fotoband.
Harry Benson: Bobby Fischer, ca. 25 Euro, z.B. bei
Amazon.de
Johannes Fischer blätterte das Buch anlässlich seines Besuches
im ChessBase-Büro durch und als er die Seite 32 öffnete (die Seiten sind
eigentlich nicht nummeriert), fiel sein Blick auf ein großes Farbfoto, dass
Benson offenbar 1971 in Buenos Aires aufgenommen hatte. Es zeigt Fischer auf
einer Wiese sitzend vor einem Schachbrett, einer Plane mit grün-weißen Feldern.
Das Foto ist natürlich gestellt. Es gibt keinen Gegner, also keine Partie, und
Fischer hat sich zum Studium von Schachpartien sicher auch nicht auf Wiesen
gesetzt und verwendete unterwegs auch kein großes Turnierschachspiel. Man weiß,
dass er stattdessen ein kleines Steckschach benutzte, das er auf Reisen in
seinem Jackett mit sich trug.
Die Schachplane wirkt im Vergleich zu den schönen Holzfiguren, bei denen für die
Spitzen der Läufer sogar noch aufwändig jeweils die Farbe der anderen Seite
verwendet worden war, billig. Wahrscheinlich wurde die billige Plane aber mit
Bedacht vom Fotografen ausgewählt. Die beherrschende Farbe des Fotos ist grün.
Neben der Wiese und Sträuchern im Hintergrund ist auch Fischers Hemd grün. Dazu
passte wohl ganz gut, dass die dunklen Felder dieser Plane ebenfalls grün sind.
Das Brett scheint auf Fischers Brusthöhe zu schweben. Offenbar steht es auf
einem Tischchen oder dergleichen. Das ist aber im Bild nicht zu sehen.
"Das gibt es doch nicht!", meinte Johannes Fischer, nachdem er das Bild nur
einige Sekunden betrachtet hatte. Durch die Pressewelle (vom Stern-Magazin - das
ist das Magazin, das 1983 "Tagbücher" von Adolf Hitler veröffentlicht hat,
sogar als "Schachbrett-Gate" ausgerufen), um das verdrehte Brett auf dem
Schmidt/Steinbrück-Foto sensibilisiert, hatte Fischer sofort gesehen, dass das
Brett falsch aufgebaut war - also auch um 90 Grad gedreht?
Mathias Feist, der sich das Bild ebenfalls anschaute, war aber
sofort klar: "Das kann nicht sein!" Denn außer dem Umstand, dass das Feld in der
rechten Ecke die falsche Farbe hatte, konnte man auch sehen, dass König und Dame
vertauscht waren. Das kann vielleicht einem weniger versierten Schachfreund
passieren, der sich bei verdrehtem Brett eisern an die Regel hält - "weiße Dame
auf weißes Feld, schwarze Dame auf schwarzes Feld" - nicht aber einem kommenden
Schachweltmeister, der eine ganz genaue Vorstellung vom Königsflügel und
Damenflügel hat. Ein falsch stehender Könige würde ihm sofort auffallen, da war
sich nicht nur Matthias Feist sicher.
Also musste das ganze Bild selbst verdreht - gespiegelt -
sein. Wenn man es zurück spiegelt, sieht es so aus:
Nun hat alles seine Richtigkeit. Als Gegenprobe überprüften wir
noch, ob Fischer Rechts- oder Linkshänder war. Er war in der Tat Linkshänder,
und würde so wie auf dem zurück gespiegelten Bild ziehen. Allerdings gibt es
auch Fotos, auf denen Fischer mit rechts zieht. Endgültige Klarheit lieferte
dann Fischers Frisur. Fischer trug seinen Scheitel links (vom Betrachter aus
gesehen rechts), so wie im bekannten Fernsehauftritt in der Dick Cavett Show zu
sehen:
Bobby Fischer in der Dick Cavett Show, Sommer 1971
Offenbar hatte also entweder der Fotograf das Bild gespiegelt,
oder dies geschah beim Layout des Buches.
"Ich durfte Fischer begleiten, weil ich nichts von Schach verstand. Fischer
hielt alle Schachspieler für Schwachköpfe," erklärte Benson einmal in Newsweek,
wie es kam, dass er dies Fotos vom öffentlichkeitsscheuen Fischer machen durfte.
Manchmal hilft es dann aber doch, wenn man etwas von der Materie versteht.
In einem Leserbrief zu diesem Beitrag konnte Herr Milan
Novkovic Aufschluss über das abgebildete Brett und die Figuren geben:
Habe gerade Ihren hochinteressanten Beitrag über "Spiegelungen" gelesen. Als
kleine Ergänzung, schicke ich Ihnen ein paar Informationen über die beliebteste
Schachgarnitur in Ex-Jugoslawien - mit dem Namen "Dubrovnik 1950". Als kleinen
Beweis sende ich Ihnen ein Bild-Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Der König ist
tot" von Eric Vernier und Pierre Nolot.
Darin sehen Sie Bobby Fischer während des Match
in Reykjavik, mit gleicher Schachplane und gleichen Figuren, die ja
offensichtlich zu seinem Standardinventar gehörten.
Die Plane und Figuren hat er vermutlich aus damaligen Jugoslawien - er war ja
dort gerne und oft bei den Schachturnieren. Die Figuren sind unter dem
Namen "Dubrovnik 1950" (wurden ja für die damalige Schach-Olympiade designed)
bestens bekannt. Wie viele andere Schach-Nostalgiker aus Ex-Jugoslawien, habe
ich auch immer noch so eine Garnitur zu Hause...
ChessBaseDie ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.
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