Senioren-Team-EM: Moskau siegt vor
Deutschland
Von Dagobert Kohlmeyer
Download alle Partien (pgn, 8 Runden)...
Die Siegermannschaft
Zweiter: Deutschland
Dritter Finnland
Erwarteter Einlauf am Wochenende in Dresden bei der
Mannschafts-Europameisterschaft der Senioren. Sieger im Ramada Hotel (vorher
Treff Hotel) wurde das Team von Dostoinstvo Moskau. Mit 15 Mannschaftspunkten
nach acht Runden verwiesen die Spieler um Großmeister Jewgeni Wasjukow
Titelverteidiger Deutschland (14 Punkte) knapp auf den zweiten Rang. Der direkte
Vergleich beider Teams war 2:2 ausgegangen. Dritter wurde nach kräftigem
Endspurt überraschend Finnland (12 Punkte).
Boris Archangelsk
Jewgeny Wasjukow
Oleg Chernikow
Juri Shabanov
Das
deutsche Quartett war als Titelverteidiger angereist und wurde in diesem Jahr
durch Lev Gutman verstärkt, der inzwischen 60 Jahre alt ist. Wie immer dabei war
die Dresdner Schachlegende Wolfgang Uhlmann. Der 70-Jährige nahm an allen acht
Mannschafts-EM in seiner Heimatstadt teil. „Moskau hat verdient gewonnen“,
konstatierte Uhlmann nach dem letzten Zug. „Unser Team war etwa gleichstark,
aber wir erlaubten uns leider beim 2:2 gegen Leipzig einen Ausrutscher.“ Der
Vorjahres-Zweite Schweiz wurde diesmal nur Achter, obwohl Altmeister Viktor
Kortschnoi am ersten Brett der Eidgenossen mit 7 Punkten aus acht Partien das
beste Ergebnis erzielte. Das Brett von Viktor, dem Schrecklichen, war stets am
meisten belagert. Das Team Berlin, in dem u.a. Ex-Fernschachweltmeister Dr.
Fritz Baumbach und Großmeisterin Hanna Erenska-Barlo spielten, wurde Zehnter.
Unser Reporter Dagobert Kohlmeyer nutze wie immer die Gelegenheit zu Gesprächen
am Rande des Geschehens und traf sich u.a. auf ein Bier mit Heikki Westerinen.
Hajo Hecht
Wolfgang Uhlmann
Team Berlin
Jewgeni Wasjukow: „Papyrosy schaden nicht“
Von Dagobert Kohlmeyer
In seiner Glanzeit, es war die
erste Hälfte der 1960er Jahre, gewann Jewgeni Wasjukow alle internationalen
Turniere, an denen er teilnahm. Und auch heute noch spielt er als Senior sehr
erfolgreich, wie Dresden zeigte. Nach dem Turniersieg seines Teams musste
Wasjukow erst einmal eine rauchen. Der knapp 73-jährige Moskauer hat da eine
ganz spezielle Vorliebe, wie er uns im Interview verriet.
Glückwunsch, Jewgeni, zum
Turniersieg! Was bedeutet Dostoinstvo Moskau?
Es heißt “Errungenschaft“ und
ist der Name einer russischen Veteranenzeitung. Sie sponsert unser Team und
übernimmt zum Beispiel alle Reisekosten.
Sie haben am ersten Brett
6,5 Punkte erzielt, nicht schlecht.
Ja, ich blieb unbesiegt, obwohl
ich stark erkältet anreiste. Die ersten drei Partien waren deshalb schwer für
mich und gingen nur remis aus. Dann ging es mir wieder besser, und ich konnte
zulegen.
Dennoch: Ohne Qualm geht es
wohl bei Ihnen nicht?
Ich rauche nur Papyrosi. Die
bekannte Marke „Belomorkanal“. Schon viele Jahre tue ich das. Sie sind sehr
preiswert, kosten nur fünf Rubel.
Wie viel ist das umgerechnet
in Dollar?
Fast nichts. Für einen Dollar
erhält man fünf Päckchen. In einer Schachtel sind 25 Stück.
Und sie schwören darauf?
Ja, schon vierzig Jahre oder
länger. Einmal habe ich amerikanische Stäbchen probiert, aber sofort zu husten
begonnen. Da bin ich wieder zu meinen gewohnten Zigaretten zurückgekehrt.
Die sind aber sehr stark,
befürchten Sie keine gesundheitlichen Risken?
Nein. Das ist reiner Naturtabak ohne Zusatzstoffe, wie
es sie in anderen Zigaretten gibt. Deshalb befürchte ich keine gesundheitlichen
Schäden.
Also rauchen Sie ohne
Bedenken weiter?
So ist es. Die Dinger haben
noch einen Vorteil. Wir beide reden hier, und die Papayros liegt im
Aschenbecher. Oder ich sitze am Computer und lege sie beiseite. Dabei geht sie
von allein aus, so wie eine Pfeife. Eine andere Zigarette würde weiter glimmen.
Ich aber kann meine nach fünf Minuten wieder anzünden und weiterrauchen.
Sie haben zum dritten Mal in
Dresden gespielt. Was halten Sie von Deutschland als Schachland?
Sehr viel. Da ist einmal die
große Tradition. Ich nenne nur die Namen Emanuel Lasker und Siegbert Tarrasch,
die ich sehr verehre. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts konnte man
Schachmeister nur in Deutschland werden. Und ich habe viele schöne Erinnerungen
an meine aktive Zeit. 1962 gewann ich zum Beispiel in Berlin das Lasker-Memorial.
Dresden richtet nächstes
Jahr zwei Europameisterschaften und 2008 die Schacholympiade aus. Was sagen Sie
dazu?
Ich finde das großartig. Die
Organisatoren hier haben viel Erfahrung und zeigen sehr großes Engagement, nicht
nur bei unseren schönen Seniorenturnieren. Eine gute Wahl der Föderation, diese
Wettbewerbe nach Dresden zu vergeben. Deutschland hat das verdient.
Sie haben Ihre aktive
Laufbahn früh beendet und vor allem als Trainer gearbeitet.
Ja, ich war Sekundant bei
etlichen WM-Kandidaten und trainierte schon zehn Nationalteams, zum Beispiel bei
Schacholympiaden, darunter der Türkei, Mongolei, Peru, Sri Lanka und Iran.
Kommen Sie nächstes Jahr
wieder nach Dresden?
Ja klar. Wir wollen doch
unseren Titel verteidigen.
Westerinen ärgert Kortschnoi und hält einen Olympiarekord
An der Hotelbar traf ich Heikki
Westerinen aus Finnland, der sich in Dresden über seinen Sieg gegen Viktor
Kortschnoi freuen konnte. Der Mann stammt aus Uusikaupunki (die schwedische
Bezeichnung lautet Nystad) an der Westküste Finnlands. Es ist eine Stadt von 16
000 Einwohnern. Heikki spielt heute noch für den Schachverein Gaia in Helsinki.
Dem finnischen Nationalteam gehört er nicht mehr an.
Was ist das Schöne am
Schach?
Es ist ein geistiger Kampf, der
dem Menschen Genugtuung gibt. Und es ist international. Man trifft seine Gegner
häufig wieder und schließt freundschaften. Auch darum liebe ich das Schach.
Sie
haben spät angefangen, wie man hört.
Ja, erst mit 12 Jahren. Aber
damals in meiner Jugend war das anders. Ein Jugendlicher, der aktiv Schach
spielte, war in Finnland eine große Seltenheit. Dann stellten sich aber schnell
Erfolge ein.
Bemerkenswert ist, dass Sie
so viele Olympiaden gespielt haben.
Es waren von 1962 in Warna bis
1996 in Jerewan insgesamt 18. In diesen 34 Jahren habe ich kein einziges Mal
gefehlt. Das ist wahrscheinlich Weltrekord.
Wird es ein Comeback im
finnischen Nationalteam geben?
Das kann ich noch nicht sagen.
Wenn ich etwas besser spielen würde, dann könnte ich natürlich auch wieder in
die Mannschaft kommen. Die Unterschiede sind nicht so groß. Aber die Jungen
haben eben mehr Energie. Aber mit Glück könnte ich vielleicht ins Team kommen.
In Runde 3
erwischten Sie Viktor den Schrecklichen, ausgerechnet in einem Franzosen. Wo lag
sein Fehler?
Kortschnoi
hatte das notwendige Manöver 10...c5 vergessen und stattdessen 10...Sc6 gezogen,
wonach er langsam aber sicher auf die Verliererstraße geriet. Es war seine
einzige Niederlage in Dresden.
Haben Sie das Spiel
hinterher mit Kortschnoi analysiert?
Nein, ich wollte Viktor nicht
noch mehr verärgern.
Westerinen gegen Kortschnoj...
Endstand:
1 1 Dostoinstvo Moskau
2429 7 1 0 15 - 1 22.5 81.0
1 Vasiukov, Evgeni 2493 5 3 0 6.5 - 1.5 33.5 27.25
2 Shabanov, Yuri 2427 3 3 2 4.5 - 3.5 34.5 16.75
3 Chernikov, Oleg L 2411 3 5 0 5.5 - 2.5 34.0 22.75
4 Arkhangelsky, Boris 2384 5 2 1 6.0 - 2.0 35.5 23.75
2 2 Deutschland 2416 6 2 0 14 - 2 23.0 84.0
1 017 Gutman,Lev 2465 5 1 2 5.5 - 2.5 35.5 21.75
2 116 Uhlmann,Wolfgang 2420 3 5 0 5.5 - 2.5 35.0 24.00
3 125 Hecht,Hans-Joachim 2397 2 6 0 5.0 - 3.0 35.5 21.75
4 197 Klundt,Klaus 2381 6 2 0 7.0 - 1.0 30.0 25.75
3 8 Finnland 2276 5 2 1 12 - 4 20.0 82.0
1 Westerinen, Heikki M.J. 2382 4 2 2 5.0 - 3.0 36.0 20.50
2 Sorri, Kari Juhani 2286 3 2 3 4.0 - 4.0 35.0 14.25
3 Kanko, Ilkka 2227 3 3 2 4.5 - 3.5 30.5 16.25
4 Hurme, Harri M. 2210 5 3 0 6.5 - 1.5 32.5 24.50
4 Catalonia
5 Norwegen I
6 Phoenix Köln
7 WIS Odessa (Israel)
8 Schweiz
9 St. Petersburg
10 Berlin
...
46 Mannschaften