"Nur als geschlossenes Team haben wir in Turin Erfolg!“
Von Dagobert Kohlmeyer
In gut vier Wochen beginnt die
Schacholympiade in Turin. Titelverteidiger bei den Herren ist die Ukraine, bei
den Damen China. Wir interessierten uns für die Vorbereitung der beiden
DSB-Teams. Bundestrainer Uwe Bönsch hat die deutschen Mannschaften längst
nominiert. Bei den Herren ist erstmals Arkadij Naiditsch dabei und Artur
Jussupow zurück. Hauptstützen bei den Damen werden Elisabeth Pähtz und Ketino
Kachiani-Gersinska sein. Nähere Auskünfte über den Stand der Vorbereitungen gibt
Großmeister Bönsch im Gespräch mit Dagobert Kohlmeyer.
Nach welchen Kriterien wurde das
Herren-Team nominiert?
Ich habe die Mannschaft nach
leistungssportlichen Gesichtspunkten aufgestellt. Mein Vertrauen haben Arkadij
Naiditsch, Jan Gustafsson, Christopher Lutz, Artur Jussupow, Alexander Graf und
Thomas Luther. Ganz besonders freue ich mich natürlich, dass Arkadi Naiditsch
auch mit dabei ist. Er hat derzeit die höchste ELO-Zahl in Deutschland. Als
führender Spieler wird er das DSB-Team sehr verstärken und unterstützen.
Wie wurde - nach vorherigen Dissonanzen -
die Einigung mit Arkadij Naiditsch erzielt?
Wir haben uns getroffen und miteinander
geredet. Auch wenn es in der Vergangenheit kleine Auseinandersetzungen gab,
haben wir uns insofern geeinigt, dass wir jetzt nach vorn schauen und gemeinsam
für die deutsche Nationalmannschaft das Beste erreichen wollen.
Wird der Dortmunder vom Deutschen
Schachbund unterstützt?
Ja, wir unterstützen sein Training
finanziell. Arkadi trainiert vorwiegend mit Alexander Beljawski und mit Adrian
Michaltschischin.
Artur Jussupow ist zurück im Boot. Das
war eine gute Nachricht für Schach-Deutschland und sicher auch für den
Bundestrainer.
Ohne Frage hat mich das sehr gefreut.
Arturs Rückzug aus dem Nationalteam vor
vier Jahren wurde von vielen Seiten bedauert. Er erfolgte damals unter Hinweis
auf die Dopingproblematik. Ist das Thema jetzt vom Tisch?
Ja. Artur Jussupows Problem war, dass er
während der Partie nicht mehr ausreichend Kaffee trinken durfte. Koffein stand
seit Bled 2002 auf der Dopingliste. Heute ist das nicht mehr der Fall. Und darum
ist es für Artur auch überhaupt kein Problem mehr, sich irgendwelchen Kontrollen
zu unterziehen. Er kann während des Spiels weiterhin Kaffee trinken, und es wird
nicht geahndet.
Neben seiner Spielstärke - Artur war
2005 deutscher Meister - gab wohl auch die positive Ausstrahlung des 46-Jährigen
auf das Team den Ausschlag?
So ist es. Nicht nur als Schachlehrer, auch
als Großmeister ist Artur Jussupow natürlich das große Vorbild für viele junge
Spieler. Er war in der absoluten Weltspitze, stand seinerzeit gegen Anatoli
Karpow im Kandidaten-Halbfinale. Ich bin fest überzeugt davon, mit seinem Können
und seiner riesigen Erfahrung ist Artur eine große Verstärkung für die deutsche
Nationalmannschaft.
Wie sieht die Situation bei den Frauen
aus?
Diese Mannschaft habe ich auch nominiert. In
Turin spielen Elisabeth Pähtz, Ketino Kachiani-Gersinska, Jessica Nill und
erstmals Vera Jürgens Die Damen werden während der Olympiade in Italien von
Großmeister Philipp Schlosser trainiert. Ihre Brett-Reihenfolge steht noch nicht
ganz fest.
Unser weibliches Spitzenduo nimmt sich ja
nicht sehr viel.
Elisabeth Pähtz hat die bessere ELO-Zahl,
und danach werde ich mich auch richten. Falls es zu Beginn der Olympiade noch so
ist, wird sie in Turin auch vorn an Nr. 1 aufgestellt.
Die amtierende Juniorenweltmeisterin ist
derzeit Bundeswehrangehörige. Wird Elisabeth auch ausreichend für das vorherige
Training und die ganze Zeit der Olympiade freigestellt?
Auf jeden Fall. Die
Bundeswehr-Sportfördergruppe Schach leite ich. Damit koordiniere ich auch
Elisabeths Training und ihre Wettkampf-Planung in dieser Zeit. Aus diesem Grunde
ist die Freistellung von Elli überhaupt kein Problem.
Wo dient Elisabeth Pähtz eigentlich?
Sie ist nach Frankenberg in der Nähe von
Chemnitz versetzt worden. Dort ist die Sportfördergruppe eingegliedert. Der
Nachwuchsspieler Hannes Rau ist zurzeit in der Sportfördergruppe in Halle. Diese
wird aber aufgelöst und ebenfalls nach Frankenberg verlegt.
Es ist gute Tradition, dass sich die
Nationalteams von Männern und Frauen vor der Schacholympiade zu einem
Trainingslager treffen. Passiert das auch 2006?
Wir treffen uns Anfang Mai zu einem
gemeinsamen Trainingslager. Es wird eine knappe Woche dauern. Die Frauen haben
schon einmal mit Alexander Bangijew in Berlin trainiert.
Wo liegen die Schwerpunkte des
Trainingslagers?
Neben den rein schachlichen Vorbereitungen
versuchen wir, auch die Teambildung voranzutreiben. Denn nur, wenn wir uns zu
richtigen Mannschaften zusammenraufen, dann können wir in Turin auch erfolgreich
sein.
Es gab ja in der Vergangenheit schon gute
Beispiele für echtes Teamwork.
Den Beweis, dass es großartig funktionieren
kann, haben die deutschen Herren vor allem mit ihrer Silbermedaille bei der
Olympiade 2000 in Istanbul geliefert.
Danke für das Gespräch, und viel Erfolg
in Turin!
Uwe Bönsch
erwähnte schon das Training der DSB-Damen in Berlin. Großmeister Alexander
Bangijew leitete den zweitägigen Lehrgang. Der 59-jährige Ukrainer lebt in
Hannover und ist schon 14 Jahre in Deutschland. Er kann auf eine vier Jahrzehnte
lange Erfahrung als Schachtrainer zurückblicken.
Für den Deutschen Schachbund
aber gab er in Berlin sein Debüt. Über den Inhalt der Arbeit sagte er:
“Wir wollten einfach die Technik trainieren. Und beim Lernen eine bestimmte
Denkmethode anwenden. Mit dem Computer kann man das besser machen. Man sieht die
Position und überlegt sich die nächsten Züge. Um dann zu vergleichen. Was ist
das Prinzip der Stellung?“
Jessica Nill und Elisabeth Kachiani-Gersinska mit Alexander
Bangijew
Elisabeth Pähtz und Vera Jürgens am Tische gegenüber
Insgesamt 12 Stunden lang trainierten die Damen, vorwiegend am Computer. Der
Spaß kam dabei nicht zu kurz. Es wurde geschnattert und gelacht. Elisabeth Pähtz
unterhielt sich zum Beispiel angeregt mit Jessica Nill über Kleidung. "Dein Rosa
steht dir gut. Ich mag vor allem Weiß", meinte die Juniorenweltmeisterin.
Elisabeth Pähtz
Jessica Nill
Ketino Kachiani-Gersinska
Auf unsere Frage, wie ihr das Leben bei der Bundeswehr bekommt, erwiderte sie:
"Ich bin Zeitsoldat. Das geht mindestens zwei Jahre, dann muss man sehen.“
Wie hoch ist dein Sold?
Zwischen 1200 und
1400 Euro.
Dann ging es zum Gruppenbild. Diese vier Grazien werden den DSB in Turin
vertreten.
Vera Jürgens, Elisabeth Pähtz, Ketino Kachiani-Gersinska, Jessica Nill
„Welche
Ambitionen habt ihr in Turin?“, wollte ich noch wissen: "Wir holen Gold!"
flachste Elisabeth. Das war natürlich nicht so ernst gemeint. Aber um eine gute
Platzierung kämpfen werden die vier Schachladies schon in der italienischen
Olympiastadt.
Hier noch eine
Info vom DSB: Für die Schacholympiade vom 20. Mai bis 4. Juni 2006 wird der
Deutsche Schachbund insgesamt vier Schiedsrichter entsenden. Klaus Deventer
wurde als einer der 6 so genannten Senior Arbiters (Oberschiedsrichter)
nominiert. Als Wettkampfschiedsrichter kommen Ralph Alt, Ralf Wadewitz und Horst
Bellmann zum Einsatz. Alle Genannten sind Internationale Schiedsrichter.
Hier folgen noch ein Bilder von dem
Zusatztraining, dass Elisabeths derzeitiger Arbeitgeber für angebracht hält:
Konventionelles Schachtraining auch bei der Bundeswehr
Zusatztraining im Gelände
Elisabeth Pähtz hinter Munitionskisten
Es folgt die Geländeausbildung
Unterschreiten von Drahtsperren
Tarnung
Anschleichen
Stellung halten
Feind beobachten
Schach mit dem Boxer Boris Boschenko
Elisabeth Pähtz mit einem G 36 von Heckler&Koch (750 Schuss/min, Kampfentfernung
200 Meter)
Text und: Dagobert Kohlmeyer
Fotos: Dagobert Kohlmeyer, Thomas Pähtz