Ortisei: Starkes Open in idyllischer Umgebung

von ChessBase
22.06.2016 – Ortisei ist ein kleiner Ort im italienischen Teil der Dolomiten. Anfang Juni fand dort das dritte Ortisei Open statt, an dem 140 Spieler teilnahmen, unter ihnen etliche starke Großmeister und Internationale Meister. Nach neun Runden teilten sich Liviu-Dieter Nisipeanu und Jan Werle mit 7 aus 9 Platz eins, aber dank besseren Tie-Breaks gewann Nisipeanu das Turnier. Mehr...

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Internationales Chess Festival "ad Gredine" – Ortisei Open

Von GM Jan Werle (Holland)

Die dritte Ausgabe des Ortisei Opens fand vom 4. bis 11. Juni 2016 statt. Das Turnier war phantastisch - für hartgesottene Schachspieler, die gegen möglichst gute Konkurrenz antreten wollten, aber auch für Schachfans, die gerne wandern und immer nach Möglichkeiten suchen, Schach und Urlaub zu verbinden.

Kurz vor Beginn des Turniers als ich während meiner Vorbereitungen meine Eröffnungen auf den neuesten Stand brachte, schaute ich kurz bei Facebook vorbei und stolperte über eine Reihe von Fotos, die Freunde von mir gepostet hatten, und die mir seltsam bekannt vorkamen. Als ich - in Gedanken immer noch bei meinen Eröffnungen - auf den Balkon meines Hotelzimmers ging, wusste ich plötzlich auch, warum mir die grünen Wiesen der Alpen, die Berge, die "Milka-Kühe" und die Seilbahnen auf diesen Fotos so vertraut vorgekommen waren: Es waren Bilder des idyllischen Alpendorfs Ortisei, wo ich eine Woche Schach spielen und die Umgebung genießen durfte.

Idyllisch: Ortisei

Blick auf die Dolomiten

Die Zahl der freien Plätze war begrenzt, denn die Organisation setzte mehr auf Qualität als auf Quantität. Am Ende nahmen 140 Spieler am Turnier teil.

Blick in den Turniersaal

Die Setzliste wurde von GM Liviu-Dieter Nisipeanu, GM Tamir Nabaty und GM Robert Markus angeführt, die alle drei mehr als 2600 Elo-Punkte auf die Waage brachten. Alle drei begannen das Turnier mit einem Sieg in Runde eins. Nisipeanu und Markus ohne größere Probleme, aber der Gegner von Nabaty, Henrik Bolding Pedersen, machte dem Großmeister das Leben schwer.

GM Robert Markus aus Serbien

 

Von den Großmeistern im Elo-2500-Bereich erlaubten sich Stefan Kindermann und der Autor dieser Zeilen bereits früh einen Ausrutscher. Turnierorganisator Ruben Bernardi kam zu einem verdienten Remis gegen Kindermann und ich verlor gegen Lokalmatador Corvi, ein Spieler, der nicht nervös wird, wenn der Gegner ein paar Elo-Punkte mehr hat.

GM Kindermann (links) und Turnierorganisator Ruben Bernardi (rechts)
 

 

In Runde vier kam es dann zu einem Aufeinandertreffen der beiden Mitfavoriten Nabaty und Neverov. In einem Dameninder ergriff Neverov, der mit Weiß spielte, bald die Initiative, aber als er schon am Rande einer Niederlage stand, konnte sich Nabaty befreien. Da Neverov mittlerweile in schwere Zeitnot geraten war, konnte Nabaty die Partie am Ende sogar noch gewinnen.

 

Auch GM Sebastian Bogner stellte Nisipeanu vor Probleme - in einem Königsinder. Am Tag zuvor hatten die Spieler eine Doppelrunde absolviert und man kann verstehen, wenn Nisipeanu bei einem Blick auf seine Stellung geglaubt haben sollte, dass das viele Schach bei ihm zu Halluzinationen geführt hat und er Bauern plötzlich doppelt sah.

 

IM Jan Sprenger aus Deutschland und IM Arthur Pijpers aus den Niederlanden kamen direkt vom Salento Open im Süden Italiens in die Dolomiten in den Norden des Landes. Jan Sprenger spielt unkonventionelles, kreatives und aggressives Schach und steht - genau wie Pijpers - kurz davor, GM zu werden. Er beendete das Turnier mit 6,5 Punkten aus 9 Partien und hätte er seine Partie gegen den englischen IM Ledger in der letzten Runde gewonnen und nicht Remis gespielt, wäre Sprenger sogar unter den ersten Drei gewesen.

Doch manchmal fordert das scharfe Spiel Tribut. In der folgenden Partie gegen Robert Markus, die serbische Nummer eins, war Sprenger nicht so gut vorbereitet wie sein Gegner und das erwies sich am Ende als fatal.

 

Arthur Pijpers holte 6 aus 9. Er ist Internationaler Meister und auch für starke Großmeister ein gefährlicher Gegner. Er ist ein gefährlicher Taktiker und theoretisch immer gut vorbereitet und oft spult er die ersten 25 Züge seiner Partien im Blitztempo herunter. In Ortisei gelang ihm ein schöner Sieg gegen GM Neverov.

 

Der 12-jährige Jonas Bjerre bewies gute Endspieltechnik

Jonas Bjerre ist erst 12 Jahre alt, aber kommt schon auf eine Elo-Zahl von über 2400. Das Turnier in Ortisei lief allerdings nicht besonders gut für ihn und am Ende landete er mit 4,5 aus 9 mit 50 Prozent im Mittelfeld. Aber seine Gewinnpartie gegen Krühlich hinterließ einen starken Eindruck. Nachdem er die Angriffsmöglichkeiten seines Gegners im Keime erstickt hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit den gegnerischen Schwächen zu und holte sich den schwachen c-Bauern seines Gegners. Mit starker Endspieltechniki verwandelte Bjerre diesen Mehrbauern dann zum Sieg.

 

Wenn zwei das Gleiche tun...

In Runde fünf kam es zu einer kuriosen Situation. Der Italiener Corvi spielte gegen Paulet und nach ein paar Zügen kam es zu einer Stellung, die identisch mit der Stellung war, die Nisipeanu und Vocaturo gerade auf dem Brett hatten - und diese Partie war auf dem großen Monitor im Turniersaal live zu sehen. Corvi wartete jetzt, bis Nisipeanu gezogen hatte, um anschließend genau den gleichen Zug zu machen. Im 13 Zug wich sein Gegner Paulet jedoch von der Partie zwischen Nisipeanu und Vocaturo ab und ging eigene Wege.

Allerdings verlor Schwarz in beiden Partien. Nisipeanu verfiel auf einen einfallsreichen Aufbau mit Tac1 und h3, der sich als sehr effektiv erwies und die Grundlage seines Sieges war. Mit diesem Aufbau deckt Weiß den Bauern c4 gegen Angriffe mit …Le6 und …Sd7. Nach der Partie behauptete Corvi, er hätte diese Idee ebenfalls leicht gefunden.

 

Ein interessanter Fall. Meiner Meinung nach kann man das nicht mit den Fällen vergleichen, in denen ein Spieler Züge aus Büchern kopiert oder ein Smartphone zu Hilfe nimmt, aber dennoch hat Corvi Züge eines anderen Spielers kopiert und diese Phase der Partie nicht selbst gespielt. Vielleicht sollte man auf die Live-Übertragung von Partien im Turniersaal verzichten? Was allerdings auf Kosten des Publikums gehen würde.

In Runde 7 gewann der italienische Star GM Vocaturo überzeugend gegen Robert Markus - der die Flinte allerdings ein wenig zu früh ins Korn warf.

 

Vor der letzten Runde lagen Nisipeanu und Nabaty mit je 6,5 aus 8 gleichauf an der Spitze des Feldes. Vocaturo, Markus, Sprenger, der indische Indian IM Prasanna und Werle folgten mit einem halben Punkt Rückstand. An Brett eins trennten sich Nisipeanu und Markus remis und das gab den Spielern mit 6 aus 8 die Gelegenheit, zu Spitzenreiter Nisipeanu aufzuschließen. Aber Vocaturo und Prasanna einigten sich dennoch schnell auf Remis, wohingegen Sprenger 87 Züge lang erfolglos gegen die Verteidigung IM Ledgers anrannte. Dem Autor dieser Zeilen gelang jedoch ein Sieg gegen Nabaty - trotz einem Versehen im Bauernendspiel.

 

Nach der Partie meinte Nisipeanu zu mir, er hätte "Mordgedanken" gehabt, als er sah, wie ich 38.Ke3 zog. Da ich noch am Leben bin, ließ er seinen Gedanken offensichtlich keine Taten folgen. Aber Nabaty revanchierte sich für mein Versehen mit 38..h5? und die zweite Möglichkeit, a4-a5 zu spielen, ließ ich mir nicht entgehen.

Endstand

Rg. Snr   Name Land Elo Pkt.  Wtg1 
1 1 GM Nisipeanu Liviu-Dieter GER 2668 7,0 48,5
2 5 GM Werle Jan NED 2563 7,0 45,0
3 4 GM Vocaturo Daniele ITA 2576 6,5 50,0
4 2 GM Markus Robert SRB 2662 6,5 49,5
5 6 GM Bogner Sebastian SUI 2527 6,5 48,0
6 3 GM Nabaty Tamir ISR 2610 6,5 48,0
7 9 IM Sprenger Jan Michael Dr. GER 2506 6,5 45,0
8 12 IM Prasanna Raghuram Rao IND 2466 6,5 43,5
9 13 IM Codenotti Marco ITA 2451 6,5 40,0
10 11 IM Pijpers Arthur NED 2471 6,0 44,0
11 28 FM Corvi Marco ITA 2305 6,0 42,5
12 19 FM Gaehwiler Gabriel SUI 2363 6,0 42,0
13 15 IM Ledger Andrew J ENG 2380 6,0 40,0
14 7 GM Kindermann Stefan AUT 2515 6,0 40,0
15 17 IM Bertagnolli Alexander ITA 2376 6,0 36,5
16 51 WGM Paulet Iozefina NED 2187 5,5 42,5
17 53   Addison Bret C ENG 2180 5,5 37,0
18 31 FM De Santis Alessio ITA 2275 5,5 36,5
19 18 FM Kristensen Kaare Hove DEN 2367 5,0 48,0
20 8 GM Neverov Valeriy UKR 2507 5,0 47,5
21 10 IM Castellanos Rodriguez Renier ESP 2484 5,0 46,0
22 16 FM Lodici Lorenzo ITA 2379 5,0 43,0
23 30   Dappiano Andrea ITA 2288 5,0 40,5
24 68   Olivetti Davide ITA 2063 5,0 40,0
25 20 FM Herzog Adolf AUT 2358 5,0 39,0

Die Sieger und Organisator Ruben Bernardi (ganz rechts): Liviu-Dieter Nisipeanu (mitte) wurde Erster,
Jan Werle (rechts) Zweiter und Daniele Vocaturo (links) Dritter.

 

Alle Fotos: Gerhard Bertagnolli


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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