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Der bekannte russische Großmeister Ratmir Kholmow ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 18. Februar gestorben. Er gehörte zwischen 1960 und 1970 zu den stärksten Schachspielern der Sowjetunion. In seiner langen Karriere nahm Kholmow an 17 Landesmeisterschaften teil. 1963 teilte er mit Spasski und Stein den 1.-3. Rang. Kholmow war ein brillanter Angriffsspieler, konnte sich aber auch zäh verteidigen.
Sein Vorname Ratmir bedeutet so viel wie kühner Recke. Und das war Ratmir Kholmow tatsächlich auf dem Brett. Seit dem 12. Lebensjahr spielte er Schach und war schon mit 14 Jahren Meister von Archangelsk. Seine Heimatstadt im Norden Russlands hat übrigens den fünftgrößten Hafen der Welt, erzählte der Schachveteran nicht ohne Stolz.
Bis ins hohe Alter konnte Cholmow gefährlich attackieren, was er zum Beispiel bei der Senioren-Mannschafts-EM in Dresden eindrucksvoll unter Beweis stellte. Vor genau 50 Jahren, also 1956 hatte er schon einmal in der Elbmetropole gespielt. Dies ist Ratmir Cholmows letztes Interview.
Was für ein Gefühl war das damals, wenige Jahre nach dem Krieg in
Deutschland zu sein?
Ich hatte keine Aversionen, sondern kam einfach, um Schach zu spielen. Dresden
erinnerte mich damals an Königsberg. Dort und hier war alles dem Erdboden
gleichgemacht. Wir spielten im Stadtzentrum, ich erinnere mich aber nicht mehr
genau, wo.
Wie lautete das Ergebnis?
Juri Awerbach und ich teilten mit je 12 Punkten aus 15 Partien den ersten Rang.
Können Sie sich an Ihre deutschen Gegner erinnern?
Ja, Wolfgang Uhlmann und Reinhart Fuchs spielten mit. Aus Westdeutschland waren keine Teilnehmer am Start.
Einige
Fragen zu Ihrer Person. Wie kamen Sie zu Ihrem Vornamen?
Das ist interessant. Als ich geboren wurde, es war kurz nach der Oktoberrevolution, gaben die Eltern ihren Kindern solche Namen wie KIM. Das bedeutet nichts anderes als die Abkürzung von Kommunistische Internationale der Jugend. Bei mir war es anders. Ratmir heißt so viel wie Recke oder Held. Mein Vorname kommt zum Beispiel in Puschkins Poem "Ruslan und Ludmilla" vor.
Welchen Beruf haben Sie erlernt?
In meiner Jugend war ich eine Zeitlang Matrose bei der Handelsflotte. Das war während des zweiten Weltkrieges. Ich befuhr damals vor allem die nördlichen Seewege.
Seit wann lebten Sie in Moskau?
1967 bin ich übergesiedelt. Seitdem spielte ich für Klubs in der russischen Hauptstadt.
Würden Sie sich als Schachprofi bezeichnen?
Ja, ich habe viele Jahrzehnte mit dem Spiel praktisch meinen Lebensunterhalt bestritten.
Wie hoch ist die staatliche Rente?
Etwa 50 Dollar im Monat. Das reicht hinten und vorn nicht. So verdiene ich mir mit Schach noch etwas dazu.
Nennen Sie bitte einige Partien, die ihnen ewig in Erinnerung sind?
Beim Capablanca-Turnier 1965 in Havanna belegte ich den fünften Platz und verlor keine Partie. Eine sehr gute spielte ich gegen Bobby Fischer. Es war Spanisch, und ich habe mit Schwarz gewonnen. Mein wohl bestes Spiel gelang mir gegen Paul Keres. Das war bei der UdSSR-Meisterschaft 1959 in Tbilissi (siehe beide kommentierten Partien weiter unten).
Was ist für Sie das Besondere am Schach?
Der Kampf und die vielen Möglichkeiten, ihn zu führen.
Sind Sie immer mit Ihrem Leben als Schachmeister zufrieden gewesen?
Ja, womit ich mich im Gegensatz zu Alexander Aljechin befinde. Der soll am Ende seiner beispiellosen Karriere gestöhnt haben: "Wäre ich doch Politiker geworden!"
Können Sie sich das erklären?
Nicht genau. Aber vielleicht hat er es deshalb so gesagt, weil er viele Jahre Emigrant war.
Hatten Sie immer eine feste Heimat, zum Beispiel Ihren Schachklub?
Ja, in der Sowjetzeit. So spielte ich früher lange im Moskauer Klub "Spartak" zusammen mit Tigran Petrosjan. Heute existieren viele dieser Vereine gar nicht mehr.
Inzwischen hat sich noch mehr geändert. Wie finden Sie zum Beispiel die neue Bedenkzeitregelung der FIDE?
Ich bin im Zweispalt. Für uns, die ältere Generation, ist das einerseits günstig. Man muß nicht mehr fünf Stunden oder länger spielen. Das ermüdet einen ja. Für das große Schach aber ist die zu kurze Bedenkzeit Selbstmord.
Wo könnte die Lösung liegen?
Man muß
beides zulassen, das klassische Schach und das Schnellschach. Wer möchte, kann
lange Partien spielen oder aber solche, die eine halbe, eine oder zwei Stunden
dauern.
Drei meisterhafte Partien Kholmows
Kholmow
- Keres
Sizilianisch B30
Tbilissi 1959
Anmerkungen: R.
Cholmow
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6
Als zuverlässiger gilt 3.-g6
4.e5 Sg4
Schwarz bedroht den Bauern e5 und zwingt Weiß zum Tausch des Läufers gegen den
Springer. Dennoch war es besser, mit 4. - Sd5 dem Prinzip der Zentralisierung zu
folgen.
5.Lxc6 dxc6 6.0-0 g6 7.Te1 Lg7 8.h3 Sh6 9.Sc3 b6?
Damit beginnen die späteren Schwierigkeiten des Nachziehenden. Er hätte
unbedingt mit 9. - 0-0 seine Entwicklung abschließen sollen. Keres befürchtete
jedoch den Zug 10.g4, wonach der Springer vom Spiel abgedrängt wird. In diesem
Falle hätte Schwarz aber nach 10…f5 11.g5 Sf7 12.e6 Sd6 13.d3 f4!
Gegenchancen erhalten.
10.d4!
Der Beginn einer weit berechneten Attacke. Es sieht eigentlich so aus, als ob
Schwarz sich um die Öffnung der Linie bemühen sollte, da er das Läuferpaar
besitzt. Die konkrete Beurteilung der Stellung zeigt aber, dass es dann nicht so
leicht für ihn ist, den Bauern c6 zu verteidigen.
10…cxd4 11.Sxd4 c5
Keres
schöpft keinerlei Verdacht. Besser war natürlich 11. - Lb7 12.Lxh6 Lxh6 13.Dg4
0-0 14.Tad1 De8! 15.Sf5 Lg7 16.Sxg7 Kxg7 17.Se4 c5 18.Sf6! Dc6 19.Sd5,
wonach Weiß nur leichten Vorteil besitzt.
12.Sc6!!
Der Schlüsselzug der weißen Kombination, die mit dem 10. Zug angekündigt wurde.
Freiwillig geht der Springer in den Tod.
12…Dd7
Nicht spielbar ist 12.- Dxd1 13.Txd1 Lb7 14.Sb5! Lxc6 15.Sc7+ Kf8 16.Sxa8,
und der Springer ist wegen Matt auf d8 nicht zu nehmen.
13.Sxe7!
Eine Überraschung folgt der anderen.
13….Kxe7?
Danach verliert Schwarz schnell. Es fragt sich, ob es überhaupt noch eine
Verteidigung für ihn gab. In erster Linie drängt sich der Damentausch auf:
13….Dxd1 14.Txd1 Kxe7 15.Lg5+! Ke6 16.Td6+ Kf5 17.f4! Jetzt droht Weiß, auf
h6 zu schlagen und auf f6 Matt zu geben. Auf 17. - Sg8 folgt 18.g4 matt. Auch
nach 17. - Le6 verliert Schwarz ebenfalls schnell: 18.Se2! Ke4 19.Sg3+ Ke3
20.Te1 matt. Widerstand bot nur 17…Lxe5, aber auch dann gewinnt Weiß nach 18.Td5
f6 19.Lxh6 Lb7 20.fxe5 Lxd5 21.Sxd5 Kxe5 22.c4, weil der Bauer f6 verloren
geht.
Die beste Verteidigung bestand in 13…Dxe7 14.Sd5 Dd8 15.Sf6+ Lxf6! 16.exf6+
Le6 17.Lxh6 Dxf6! Aber auch in dem Falle verhieß das ruhige 18.c3! Weiß ein
überlegenes Spiel, da sich der schwarze König nicht sicher verstecken kann, z.B:
18…Td8 19.Da4+ oder 18…g5 19.Dd5!
14.Lxh6! Lxh6
Zu seinem Unglück kommt Schwarz einfach nicht dazu, die Damen zu tauschen, ohne
dabei Schaden zu nehmen. Jetzt würde den Zwischenzug 14. - Dxd1 ebenfalls der
Zwischenzug 15.Lg5+! folgen, und Weiß behält einen Mehrbauern im Endspiel.
15.Df3 Lg7
Schwarz pariert die Hauptdrohung 16.Df6+, aber die andere (16. Dxa8) bleibt
unberücksichtigt.
16.Sd5+
Nicht so gut wäre 16.Dxa8? wegen 16…Lb7 17.Dxa7 Dc6 18.f3 Ta8 19.Sd5+ Dxd5
mit unklaren Folgen.
16…Kd8 17.Tad1 Lb7 18.Db3 Lc6
Schon ist guter Rat teuer für Schwarz. Auf 18…Kc8 entscheidet 19.Sxb6+!, und auf
18…Ke8 beendet 19. Sf6+ den Kampf.
19.Sxb6!
Die abschließende Kombination lässt meinem Gegner keine Hoffnung mehr.
19…axb6 20. Dxf7! Lxe5 21.Txd7+ Lxd7 22.Txe5 Kc7 23.Te7 Tad8 24.a4 g5
25.Dd5 The8 26.Txh7 g4 27.a5 gxh3 28.axb6+ Kxb6 29.Txd7
1-0
Cholmow
- Bronstein
Kiew 1964/65
Sizilianisch B 95
Anmerkungen.: R. Cholmow
Partie zum Durchklicken...
1.e4 c5
2.Sf3 Sf6 3.Sc3 d6 4.d4 cxd4 5.Sxd4 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Le7 8.Df3 Dc7 9.0-0-0 Sbd7
10.g4 b5 11.Lxf6 gxf6
Diese populäre Variante führt zu einem äußerst scharfen Kampf. Schwarz kann auch
11…Sxf6 ziehen.
12.f5
Weiß beeilt sich, weil in dieser Situation jeder Tempoverlust nachteilige
Wirkungen für ihn haben würde. In einer früheren Partie gegen Suetin spielte ich
12.h4?, wonach Schwarz die Initiative übernahm.
12…Se5 13.Dh3 0-0
Auf 13. - b4 folgt 14.Sce2 nebst Sf4 mit verstärktem Druck auf den Bauern e6.
14.g5 b4?
Zu waghalsig.
15.gxf6 Lxf6 16.Tg1+ Kh8 17.Dh6 De7 18.Sc6!!
Eine überraschende und sehr originelle Kombination. Weiß beginnt eine tief
durchdachte Operation, bei der viele Nebenvarianten berechnet werden mussten.
18…Sxc6 19.e5!!
Die Hauptschwierigkeit des ganzen Abspiels lag in diesem zweiten Zug. Ich
investierte eine Menge Zeit, um alle Möglichkeiten zu prüfen, die nach dem
Schlagen auf e5 durch diese oder jene Figur entstehen konnten.
19…Lg5+?
Schwarz gibt seine Stellung sehr früh auf. Kompliziertere Aufgaben hätte Weiß
nach 19…Lxe5 oder 19…Sxe5 lösen müssen.
20.Txg5 f6 21.exd6 Df7 22.Tg3 bxc3 23.Lc4!
Das hatte Schwarz offensichtlich nicht vorausgesehen. Jetzt ist er an Armen und
Beinen gefesselt. Es droht 24.fxe6.
23…cxb2+ 24.Kb1 Sd8 25.Tdg1?
Eine technische Ungenauigkeit in gewonnener Stellung. Sofort entschieden hätte
25.d7! Lb7 26.Tdg1!
25…Ta7 26.d7! Txd7 27.fxe6 Sxe6 28.Lxe6 Td1+ 29.Txd1 Lxe6 30.Kxb2 Tb8+
31.Ka1 Lxa2 32.Td3!
Es wird klar, dass Schwarz nicht gleichzeitig die 7. und 8. Reihe sowie den
Läufer auf a2 verteidigen kann.
32…De7 33.Kxa2 De6+ 34.Tb3
1-0
Ein echtes Husarenstück vollbrachte Ratmir Kholmow gegen den großen Bobby Fischer - und das mit Schwarz!
Fischer
- Kholmow
Spanisch
C98
Havanna 1965
Anmerkungen: R. Cholmow
Partie zum Durchklicken...
1.e4 e5
2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3
In dieser klassischen Stellung befindet sich Schwarz am Scheideweg. Er hat viele
verschiedene Fortsetzungsmöglichkeiten, und die Wahl hängt vor allem vom Stil
sowie vom Geschmack des Spielers ab. Lange Zeit bevorzugte ich hier 9. - Le6,
aber durch die Entwicklung der Theorie wurde die Verteidigung mit diesem Zug
schwieriger.
9…Sa5
Auf die erste Partie gegen den noch jungen, aber schon berühmten Champion der
USA hatte ich mich besonders sorgfältig vorbereitet. Ich wählte das
Tschigorin-System, das ich lange nicht in der Praxis angewendet hatte, womit ich
den späteren Weltmeister verblüffte.
10.Lc2 c5 11.d4 Dc7 12.Sbd2 Sc6 13.dxc5 dxc5 14.Sf1 Le6 15.Se3 Tad8 16.De2
c4 17.Sg5 h6!
Schwarz fürchtet den entstehenden Doppelbauern nicht, weil der Weiße es schwer
haben wird, ihn zu erobern. Schlecht wäre dagegen 17…Lc8 wegen 18.Sd5! Sxd5
19.exd5 Lxg5 20.Lxg5 Txd5 21.De4!
18.Sxe6 fxe6 19.b4?
Entweder ein Versehen, oder Weiß überschätzt seine Stellung. Ich konnte nicht
erfahren, was los war, weil es keine Analyse nach der Partie gab. Fischer hatte
vom State Department kein Visum für Kuba bekommen; er befand sich in New York
und spielte mit uns allen per Telefon. Besser wäre 19.a4 gewesen.
19. - Sd4!
Nach diesem unerwarteten taktischen Schlag geht die Initiative an Schwarz über.
20.cxd4 exd4 21.a3
Als ich meinen 19. Zug ausführte, musste ich auch das giftige 21.e5! in Betracht
ziehen. Jetzt ist 21. - Dxe5? wegen 22.Sf5! nicht möglich. Schwarz hat aber
dafür die Parade 21…d3! Es ist klar, dass nach 19.a4 der Springerausfall 19…Sd4
nicht möglich gewesen wäre.
21…d3 22.Lxd3 Txd3!
Solider und kräftiger als 22…cxd3 , worauf Weiß 23.Da2! mit unangenehmen
Drohungen antworten konnte, z.B. 23…Dc6 24.Sf5!
23.Sg4 Kh7 24.e5 Sxg4 25.De4+ g6 26.Dxg4 Tf5
Schwarz steht augenscheinlich besser. Seine Figuren sind hervorragend postiert,
und der Bauer e5 von Weiß bleibt ein Sorgenkind.
27.De4 Dd7 28.Le3 Dd5 29.Dxd5 Txd5!
Es erschien mir verlockend, zwei verbundene Freibauern zu haben, und in diesem
Moment war ich sehr in Versuchung, 29. - exd5 zu spielen. Aber 30.Lc5 hätte zu
einer unklaren Stellung geführt, und deshalb verzichtete ich nach längerem
Überlegen darauf, mit dem Bauern zu schlagen. Ich begnügte mich mit meinem
leichten, aber festen Übergewicht.
30.f4 g5
Sehr stark sah 30. - Lh4 aus, wonach Weiß es auch schwer hatte, sich zu
verteidigen.
31.g3 gxf4 32.gxf4 Tf8 33.Kg2 Kg6 34.Tg1 Td3 35.Kf3+ Kf5!
Schwarz musste alle möglichen Folgen genau berechnen. Die Stellung des Königs
auf f5 sieht gefährlich für Weiß aus, birgt aber auch bestimmte Gefahren für den
Nachziehenden. Zum Beispiel geht nach 36.Tg7 Ld8 37.Tag1 nicht 37. - Lb6 wegen
des Matts auf g5.
36.Tg7 Ld8 37.Tb7 Tg8 38.Tb8 Tg7 39.a4 h5 40.axb5 axb5 41.Txb5?
Mir schien, dass 41.Taa8 hartnäckiger war, aber auch hier muss Schwarz nach 41…
h4 42.Txd8 Tg3+ 43.Kf2 Tgxe3 gewinnen.
41…Lh4 42.Ke2 Tg2+ 43.Kf1 Th2 44.Kg1 Te2 45.Lb6 c3 46.Kf1 Th2
0-1
Eine große strategische Leistung. Die Partie gehört in den goldenen Fonds der Schachkunst.