Rückblick auf den Europapokal

von ChessBase
14.10.2003 – Die Überraschung des vergangenen Europapokals war wohl der grobe Einsteller, der Kasparov in seiner Partie gegen Alexander Huzman unterlief. Weniger überraschend war, dass sich am Ende der NAO Star Club durchsetzte und den imaginären Europapokal der Vereine mit nach Paris entführte. Zur letzten Runde war die Geldgeberin, Nahed Ojjeh, eigens angereist und konnte den Triumph live mit erleben. In ihrem zweiten Bericht über den gerade vergangenen Europapokal für Vereine fasst Anna Dergachova die Ereignisse zusammen. Mehr...

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Überraschung verpasst
Von Anna Dergachova-Daus


Einladung zum Schach

Nun ist auch der Europapokal Geschichte. Die Ergebnisse sind bekannt, die Partien waren teilweise live im Internet zu sehen, komplett stehen sie auch zum runterladen bereit. Sie zu analysieren übersteigt meine Kompetenz, die besten davon werden schon rechtzeitig in Schachmagazinen und Büchern von weit stärkeren Schachspielern kommentiert. Was bleibt dann noch übrig? Ich weiß, ich könnte euch die Gefühle der Akteure vermitteln, die ich in vielen Einzelngesprächen und auch auf Video für die Zukunft festgehalten habe (auf mein Gedächtnis ist nämlich kein großer Verlass). Wie ihr wisst, sind die meisten Schachspieler sehr abergläubisch und vor Turnierende nicht bereit, ihre Überlegungen und Eindrucke mit jemanden auszutauschen – das Glück kann ja so leicht wegfliegen... Doch wenn alles vorbei ist, dann atmen sie tief durch und werden redselig.


Der Sieger NAO Chess Club mit Sponsorin Nahed Ojjeh

Am glücklichsten waren natürlich die Schachfreunde von NAO, dem großen Gewinner des Pokals. Ihr Sponsor, Madam Ojeeh, kam am Abend zuvor und drückte ihrem Team in der letzten Runde ganz fest die Daumen.

Obwohl schon am Tag zuvor alles für das französische Team klar war, wollten die Spieler noch keine Interviews geben. Und so konnte ich Peter Svidler erst am Abend, kurz vor der Siegerehrung, erwischen und ihn über das Turnier befragen. Peter meinte, dass dieser Europapokal der Stärkste für ihn war (er hat 4 oder 5 Mal in solchen Turnieren mitgespielt).

Er spielt für NAO weil es ihm Spaß macht, da die Atmosphäre im Klub großartig ist (was auch sein Mannschaftskamerad Fressinet empfindet) und natürlich, weil er dort als Profispieler gute Konditionen bekommt. (Natürlich würde Peter jede Mannschaft schmücken, besonderes nachdem er vor kurzem die russischen Meisterschaft gewonnenen hat.) Zurück zu NAO und ihrem Weg zum Erfolg. Trotz ihrer Favoritenrolle (der Eloschnitt der gemeldeten Spielern lag nur 2 Punkten unter der magischen Grenze 2700!) mussten sie für Platz 1 natürlich hart kämpfen. Ladia Kazan mit Garry Kasparov an 1 war auf keinen Fall zu unterschätzen. Alle anderen Spieler und Mannschaften meinten nämlich während des Turniers, dass es in  diesem Jahr eigentlich nicht besonderes spannend wird, und das die beide Teams NAO und Ladia den Pokal untereinander ausmachen würden, also ging es für sie (egal mit wem ich auch sprach, sei es Bosna, Norilsk oder Tomsk) bestenfalls um Platz 3.


Grischuk, Kasparov

Deshalb versammelten sich alle Fotografen gespannt um die Paarung Kasparov-Grischuk und schossen viele Bilder, von denen eins auf den Titelbild erscheinen sollte, falls es eine Überraschung geben würde. Mit Überraschung meine ich natürlich einen eventuellen Sieg des Jüngeren, was der Garant des Sieges der französischen Mannschaft sein könnte. Aber so kam es nicht. Garry gewann diese Partie und NAO ist im Kampf gegen Ladia Kazan nur hauchdünn der Niederlage entgangen.


Kasparov-Bezwinger Alexander Huzman

Dafür verpassten die Journalisten die Überraschung am nächsten Tag. Wer hätte gedacht, dass Garry gegen Alexander Huzman verlieren würde. Derselbe Kasparov, der schon im Simultan gegen das israelischen Team denselben Gegner zweimal geschlagen hatte, verlor nach nur knapp 1,5 Stunden die Partie. Anscheinend keiner, da am gleichen Abend einige Redakteure krampfhaft und vergeblich das digitalisierte Bild des Siegers suchten. Ich gebe zu, dass in diesem Augenblick auch meine Intuition versagt hat. Der historische Moment war vorbei gegangen. Für Ladia bedeutete dieses Match die Aufgabe alle Hoffnungen auf den Pokalgewinn. Später gelang es mir mit Kasparov zu sprechen.

Das war am Abend der Siegerehrung, als der Saal voll mit Schachspieler war und Garry nicht dorthin wollte - verständlicherweise. Es gab keinen Preis für sein Team.

Er saß dort mit Emil Sutovsky und rechnete im Kopf eine Aufgabe. Als er damit fertig war (Matt in 4, diese Aufgabe konnte nach Angaben von Emil sogar Alexander Grischuk nicht meistern, Kasparov aber sehr wohl), nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte zu Garry, dass ich wahrscheinlich die Erste sein werde, die ihn nach einem Turnier, dass er nicht gewonnen hat, interviewen möchte.

Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet, doch Kasparov war sehr freundlich und beantwortete meine Fragen geduldig und sogar gut gelaunt.


Kasparov gut gelaunt

Er meinte, dass er mit allen Ergebnissen für sein Team gerechnet hatte, von Platz 1 bis Platz 7. Das ihm in seiner Partie gegen Huzman ein schrecklicher Einsteller unterlief. In einer Stellung, wo er eigentlich nichts zu befürchten hatte, bestimmt ausgeglichen, wenn nicht schon etwas besser gestanden hatte.

 

Und das NAO völlig verdient gewann. „Das ist der Altersunterschied“, sagte er. „Bei den Bedienungen, mit denen wir gespielt haben, ist es sehr wichtig lange fit zu bleiben.“ (Mit fit bleiben hatte er Recht. Sehr gut spielte das jüngste Team mit Gennadi Kuzmin als Trainer, Spieler an Brett 1 und Betreuer für seine Schüler und Ekaterina Lahno an 4, auch das junge Team aus Georgien mit Jobava an 1 hielt gut mit den Supergroßmeistern mit).


Ekaterina Lahno

Die 7stündige Zeitkontrolle war gerade hier auf Kreta, bei der Hitze und wenig Luft und Platz im Spielsaal, seiner Meinung nach, nicht angebracht.


Große Enge im Spielsaal

Sonst propagiert er bekanntlich immer die langen Zeitkontrollen, wegen des Qualitätsverlust in den Partien. Hier aber konnte und sollte eine Ausnahme gemacht werden. Die Frauen haben ja schließlich auch mit der neuen FIDE-Kontrolle gespielt.


Polonia Warschau

Den zweiten Platz belegte das polnische Team. Nicht sehr überraschend, da sie erstens, wenn man die Tabellen der 5 letzten Europapokale betrachtet, immer mit einer Medaille nach Hause zurück kamen. Und zweitens gerade in Kreta hoch verdient, da die Mannschaft gegen alle starken Teams kämpfen musste. Ich sprach mit Macieja,  auch er war nach der letzten Partie gegen Sergey Rublevsky superzufrieden. „Ich machte einen Fehler in der Eröffnung, und stand klar schlechter. Die einzige Kompensation für meine Stellung war mein heutiger Geburtstag. Und irgendwann im 58. oder 59. Zug hatte ich dann Glück, eine Figur gewonnen und damit auch die Partie.“

Den dritten Platz belegte die Mannschaft von Azmaiparaschvili. Wie das geschah, war mir nicht ganz klar. Dieses Team hat es im Gegensatz zu den beiden anderen wirklich geschafft, gegen keine Mannschaft von den ersten 10 nach der Elo-Rangliste zu spielen. Doch die Auslosung wurde ja mit einem Computerprogramm gemacht. Also in diesem Fall kann man wirklich von Glück reden, oder?

Für den Sieger des Vorjahres, das Team Bosna, blieb nur der 18. Platz, natürlich eine große Enttäuschung.

Bei den Damen gab es vor der letzten Runde noch 5 Mannschaften mit der selben Punktzahl. Eine einmalige Konstellation. Doch gewinnen kann bekanntlich nur eine. Dieses Team unterstrich und verstärkte ihren Teamgeist noch durch die äußerliche Komponente, sie spielten immer in Rot. Vielleicht hat das die entscheidende Rolle gespielt.


Svetlana Matveeva

Svetlana Matveeva war auch nach dem Turniersieg bestens gelaunt. „Anna du weißt, wenn die Mannschaft gewinnt, ist es viel wichtiger, als wenn du nur allein gewinnst, oder das beste Ergebnis an deinem Brett zeigst, für mich zumindest.“ Die Georgerinnen, die fast das gesamte Turnier vorne waren, mussten sich mit Platz 2 zufrieden geben.


Almira Skripchenko und Antoaneta Stefanova


Maria Kouvatsou


Elisabeth Pähtz mit Vater Thomas

Auf die meisten Spieler warten schon die nächsten Turniere. Rückflug nach Hause, Wäsche waschen, zwei Tage Erholung und weiter geht es nach Plovdiv. Ich dagegen blieb noch ein wenig auf dem Insel. Ich bin ja noch kein Profi. (An dieser Stelle Seufzen oder Erleichterung?)

Anna Dergachova


Hahn Emil im Korb

 

 

        

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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