Reisen nach Jurmala

von ChessBase
12.03.2015 – Am vergangenen Wochenende verzeichnete das "Vladimir Petrovs - Memorial" einen Riesenandrang, nicht nur an Topspielern. Auch einige deutsche Reisegruppen machten sich auf den Weg. Holger Blauhut kam aus Norwegen und kann einiges erzählen. Auch über die Teilnehmer des Turniers in Kemeri 1937 gibt es Interessantes zu berichten. Mehr...

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Vladimir Petrov Memorial, Jurmala 2015

Ein Reisebericht von Holger Blauhut

Bereits zum dritten Mal organisierte Alexei Shirov gemeinsam mit dem lettischen Schachverband das Gedenkturnier für Vladimir Petrov. Petrov war ab Mitte der 1930er Jahre einer der stärksten Spieler der Welt. Wegen kritischer Äußerungen zur Versorgungslage in Lettland wurde er 1942 verhaftet und verstarb 1943 im Gulag. Bis 1989 galt er in der Sowjetunion als Unperson und weder seine Turnierergebnisse noch seine Partien wurden publiziert. Sein bestes Turnier spielte Vladimir Petrov 1937 in Kemeri, heute ein Teil von Jurmala, welches er gemeinsam mit Salo Flohr und Samuel Reshevsky vor dem amtierenden Weltmeister Alexander Aljechin und Paul Keres gewann.

Das Memorial begann in diesem Jahr mit einem Blitzturnier am Freitagabend. An diesem Turnier nahmen auch viele Schüler teil, die in der Woche zuvor um den IV. Alexei Shirov Winter Cup gekämpft hatten. Dadurch kam das Blitzturnier auf 130 Teilnehmer. Nach zehn Runden lag Elofavorit Vladimir Malakhov mit 8 aus 10 vorne. Auf den nächsten Plätzen folgten Daniel Fridman, Valentina Gunina, Loek Van Wely und Jaan Ehlvest.

Meine Teilnahme an diesem Blitzturnier hing an mehreren seidenen Fäden. In Norwegen setzte mir (und 30.000 anderen Flugwilligen) zunächst ein Pilotenstreik zu, und als ich ein Flugticket für eine tatsächlich nach Riga fliegende Maschine bekommen hatte, war auf dem Weg zum Flughafen ein Tunnel gesperrt. Kurz vor dem Blättchenfall erreichte ich den Flieger dann doch noch.

Vom Hotel in Jurmala machte ich mich rechtzeitig auf den Weg zum Blitzturnier, das im 15 km entfernten Sanatorium "Jantarny Bereg" ausgetragen wurde. Vor dem Hotel hielt mich ein St. Petersburger Schachspieler auf, der ebenfalls zum Blitzturnier wollte und erfreut war, sich mir anschließen zu können. Er bat allerdings noch darum, auf einen weiteren Spieler zu warten. Als wir die Bushaltestelle endlich erreichten, sahen wir den Bus gerade abfahren.

Der nächste Bus war unsere letzte Chance, pünktlich zum Turnier zu kommen. Der Busfahrer zog es jedoch vor, an unserer Haltestelle nicht anzuhalten, da er offensichtlich in ein interessantes Telefonat vertieft war. Obwohl die mich begleitende St. Petersburger Delegation mittlerweile recht umfangreich geworden war, schafften wir es, uns alle in ein Taxi zu stapeln. Das stand vermutlich im Widerspruch zur Straßenverkehrsordnung, war dem Taxifahrer aber egal. So hatte er mehr Publikum für seinen ganz erstaunlichen Monolog, mit dem er die Fahrt ausfüllte.

Während des Blitzturniers, in dem ich erstaunlicherweise nicht in Zeitnot kam, gab es eine längere Pause. Auf der Suche nach einem Abendessen folgte ich einigen Schachspielern in einen großen Speisesaal. Hier weihte mich eine Kellnerin in die Regeln ein, und ich musste zunächst zurück zur Rezeption und dort vier Euro entrichten. Dafür bekam ich einen Kassenzettel, den ich dann im Speisesaal gegen Sitzplatz und Essen eintauschen konnte.

Nach dem Turnier bat ich an der Rezeption, mir ein Taxi zu rufen, aber man schlug mir eine andere Lösung vor, die ich dankend annahm. So fuhr ich zum Hotel zurück, im Kofferraum eines halboffiziellen Taxis sitzend – direkt hinter Philipp Schlosser.

Das Schnellschachturnier wurde am Samstag und Sonntag in Majori, einem Stadtteil Jurmalas ausgetragen. Jurmala ist ein Zusammenschluss von einigen Kurorten, die gemeinsam über 26 km wunderbaren Strand verfügen. Dazu reichlich Hotels und Gaststätten, von denen ich eine kaukasische und eine usbekische ausprobierte und sehr empfehlen kann. Wie überhaupt Jurmala auch ohne Schach eine Reise wert ist. Aber noch viel mehr natürlich, wenn Alexei Shirov ein Turnier mit Weltklassespielern auf die Beine stellt, dass offen für alle ist.

Daniel Fridman mit der Schachspielerin und Parlamentsabgeordneten Dana Reizniece-Ouola, die seit 2014 Wirtschaftsministerin des Landes ist

Über 200 Spieler nahmen am Vladimir Petrov Memorial, welches in drei Gruppen gespielt wurde, teil. Trotz der hohen Spieleranzahl waren die Bedingungen in Jurmalas Stadtmuseum recht gut, wenn auch im B- und C-Turnier an Biertischen gespielt wurde. Zwischen den Runden konnte man die Ausstellungen des Museums besichtigen oder sich im Café verpflegen.

Das A-Turnier gewann Ivanchuk mit 9 aus 11 vor Karjakin, Gelfand und Rapport mit 8,5/11.

Reisebericht von Christan Troyke beim Erfurter SK...

 

Kemeri 1937

 

 

 


Der Co-Sieger des Turniers Vladmirs Petrovs nahm zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nach dem erzwungenen Beitritt Lettlands zur UdSSR an Turnieren in der Sowjetunion teil. Nach dem Angriff des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion und die Besetzung Lettlands durch die Wehrmacht konnte er nicht mehr zu seiner Familie zurückkehren. Nach einer Beschwerde über die Versorgungslage in Lettland infolge der sowjetischen Besetzung 1940 wurde er am 31. August 1942 vom KGB verhaftet und zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. 1943 starb er im Lager Kotlas an einer Lingenentzündung. Sein Schicksal wurde erst 1989 aufgeklärt.

Ein weiterer Teilnehmer des Turniers, Karlis Ozols, war auf ganz anderer Weise in die Geschehnisse in Lettland während des Zweiten Weltkrieges verwickelt. Er soll als Mitglied der lettischen Hilfspolizei (Kommando Arājs) des deutschen "Sicherheitsdienstes" an der Ermordung von Tausenden von Juden beteiligt gewesen sein, lebte nach dem Krieg zunächst in Deutschland und später mehr oder weniger unbehelligt bis 2001 in  Australien. Ozols spielte in Hanau und Augsburg bei Turnieren mit und nahm in Australien in einigen Abständen an den australischen Meisterschaften teil, zuletzt 1982.

 

Artikel über Ozols bei chesshistory...

Artikel über Ozols bei Wikipedia...

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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