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Roland Grabner
Seine Arbeit wurde mehrfach publiziert und
leistet einen bedeutenden Beitrag zu den beiden Teilgebieten der Psychologie.
Laudator der Arbeit ist Prof. Dr. Jochen Musch, der am Institut für
Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lehrt.
Nach Professor Musch „ragt unter den eingereichten Arbeiten, die die Vielfalt
und Tiefe wissenschaftlicher Herangehensweisen an das königliche Spiel
eindrucksvoll unterstreichen, Grabners Arbeit in besonderer Weise hervor“.
Seine Arbeit trägt den Titel: „Eine psychometrische, behaviorale, und
neurophysiologische Untersuchung von Expertise, Intelligenz und neuronaler
Effizienz im Turnierschach“.
Prof. Musch: „Nach Studium der Psychologie in Graz (1996 – 2002) hat Roland
Grabner mit der jetzt preisgekrönten Arbeit 2005 mit summa cum laude
promoviert. Er hat am Grazer Institut für Psychologie bei Prof. Aljoscha
Neubauer gearbeitet. Zusammen mit ihm und Prof. Elsbeth Stern von der ETH
Zürich hat er seine Arbeiten auch publiziert. In ihnen setzt Grabner eine
lange Tradition psychologischer Untersuchungen zum Schachspiel fort, die
zumindest bis 1894 zurückreicht, als Alfred Binet - der Autor des ersten
Intelligenztests - eine Untersuchung über Blindschachspieler veröffentlichte,
von deren Leistungen sich Binet stark beeindruckt zeigte.
Einen Schwerpunkt der Untersuchungen von Grabner bildet entsprechend dieser
Tradition die Frage nach dem Zusammenhang von Intelligenz und Spielstärke im
Schach. Ein solcher Zusammenhang wurde bislang häufig vermutet und oft sogar
für offensichtlich gehalten; deutlich wird dies beispielsweise in den Worten
Goethes: „Fürwahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns“.
Bemerkenswerterweise waren es jedoch häufig Schachspieler, die dies ganz
anders sahen. So ist von Weltmeister Capablanca die Einschätzung überliefert,
dass Schachspielen überhaupt keine Intelligenz erfordere. In Übereinstimmung
damit fanden Djakow, Petrowski und Rudik bei acht Teilnehmern des Moskauer
Großmeisterturniers von 1925 tatsächlich keine Hinweise auf eine
überdurchschnittliche Intelligenz.
Wie Grabner in seiner Arbeit jedoch darlegt, sind die bisherigen
Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Intelligenz und Spielstärke aufgrund
methodischer Schwächen nur mit Einschränkungen interpretierbar. So wurde der
Zusammenhang zwar in Deutschland im Jahr 1987 von Doll und Mayr erstmals
systematisch untersucht. Dabei wurden für Spieler der ersten Bundesliga leicht
überdurchschnittliche Intelligenzwerte (von im Mittel 107) im Berliner
Intelligenzstrukturtest beobachtet; einen zufallskritisch absicherbaren
Zusammenhang zwischen der Intelligenz und der ELO-Zahl fand sich jedoch nicht.
Allerdings untersuchten die Autoren ausschließlich Spieler in einem relativ
engen Spielstärkebereich zwischen ELO 2220 und 2425, was einen möglichen
Zusammenhang zwischen Intelligenz und Spielstärke maskiert haben könnte.
Roland Grabner hat deshalb nun erstmals einen sehr viel größeren
Spielstärkebereich untersucht; die Spielstärke der Teilnehmer seiner Studie
lag zwischen 1311 und 2387. Für diese Stichprobe konnte ein statistisch
bedeutsamer Zusammenhang zwischen der Intelligenz und der Spielstärke
nachgewiesen werden.
Allerdings fiel dieser Zusammenhang nicht sehr stark aus. … 12% der Varianz
der Spielstärke [lassen sich] durch die Intelligenz der Spieler erklären.
Starke Turnierspieler waren im Mittel zwar etwas intelligenter als ihre
weniger spielstarken Kollegen; aber bereits für Spieler mit einem verbalen und
numerischen IQ von nur 85 bis 90 Punkten - was deutlich unter dem
Bevölkerungsdurchschnitt liegt - waren Spielstärken von immerhin 2000
ELO-Punkten erreichbar. Spielstärken von über 2200 ELO-Punkten waren Spielern
ab einem IQ von 110 vorbehalten. Das entspricht einem Intelligenzniveau, das
von den meisten Personen mit einem Universitätsabschluss erreicht wird. Bei
den besten Schachspielern handelt es sich demnach um Personen mit einer zwar
leicht über dem Mittelwert der allgemeinen Bevölkerung liegenden, aber
durchaus nicht ungewöhnlichen oder gar überragenden Intelligenz.
Während eine hohe Intelligenz also keine notwendige Bedingung für eine hohe
Spielstärke im Schach zu sein scheint, kommt intensivem Training und einer
zeitlich ausgedehnten Beschäftigung mit dem Spiel offenbar erhebliche
Bedeutung zu. Die erreichte Spielstärke war in den Untersuchungen von Roland
Grabner nämlich umso höher, je früher die untersuchten Personen das
Schachspielen erlernten. Dabei erwies sich ein möglichst früher Zeitpunkt der
ersten Klubmitgliedschaft und die aktive Teilnahme an Schachturnieren als noch
wichtiger als ein frühes Erlernen des Schachspiels selbst. Diese Ergebnisse
stehen in völliger Übereinstimmung mit einem zentralen Ergebnis der neueren
Expertiseforschung, das in analoger Weise auch für viele andere anspruchsvolle
Tätigkeiten wie beispielsweise das Erlernen eines Musikinstruments zu gelten
scheint. Erfolge fallen demnach nicht vom Himmel; wer in einer schwierigen
Domäne Expertenstatus erlangen möchte, muss hierfür in aller Regel zunächst
einmal zehn Jahre lang intensiv trainieren. So begannen in der Untersuchung
von Roland Grabner Spieler mit einer später erreichten Spielstärke von über
2200 ELO-Punkten durchschnittlich bereits im Alter von 10 Jahren regelmäßig
Schach zu spielen, und sie waren im Mittel bereits im Alter von 12 Jahren
erstmals einem Schachklub beigetreten. Die bemerkenswerte Tatsache, dass
vereinzelt einige nicht sehr viel ältere Jugendliche sogar schon zu
Großmeisterehren gekommen sind, steht dabei zu der ehernen 10-Jahres-Regel der
Expertiseforschung keineswegs im Widerspruch; denn wer wie beispielsweise die
Junggroßmeister Sergej Karjakin und Magnus Carlsen das Schachspiel bereits im
Alter von 5 Jahren erlernt hat, kann auch als Teenager schon eine ganze Dekade
intensiven Trainings hinter sich gebracht haben.
Dass sich die Wirkung solch langjährigen Trainings allerdings nur sehr
gegenstandsspezifisch auswirkt, belegten bereits Beobachtungen, die der
holländische Psychologe de Groot - als Mitglied der holländischen
Nationalmannschaft - 1939 auf einer Schiffsreise zur Schacholympiade in Buenos
Aires machte. Während dieser Fahrt stellte de Groot erstmals fest, dass
mitreisende Meisterspieler wie Euwe und Aljechin nach nur fünfsekündiger
Betrachtung in der Lage waren, dargebotene Stellungen nahezu fehlerfrei aus
dem Gedächtnis zu reproduzieren. Diese erstaunliche Fähigkeit war jedoch auf
solche Stellungen beschränkt, die tatsächlichen Partien entstammten; bei rein
zufällig zusammengewürfelten, chaotischen Stellungen verschwand der
Gedächtnisvorteil der Schachexperten. Von einer generell überlegenen
Merkfähigkeit konnte also keine Rede sein. Diese Ergebnisse legen ebenso wie
die jetzt von Roland Grabner berichteten nahe, dass für eine hohe Spielstärke
im Schach in allererster Linie schachspezifische Fähigkeiten entscheidend
sind, und nicht eine allgemeine kognitive Überlegenheit. Die Expertise im
Schachspiel hängt offenbar nicht vorwiegend von der Intelligenz ab, sondern
ist in erster Linie das Resultat intensiven Übens und einer aktiven und lang
anhaltenden Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand. Während dabei eine
niedrige Intelligenz durch Vorwissen, Übung und Erfahrung kompensierbar ist,
kann eine hohe Intelligenz fehlendes Wissen nicht ersetzen; Übung ist es, die
den Meister macht.
Dass das erforderliche lang anhaltende Training nicht ohne Wirkung auf das
Gehirn selbst bleibt, konnte Roland Grabner in seiner Arbeit ebenfalls
nachweisen. Mit Hilfe der Elektroenzephalographie gelang es ihm zu zeigen,
dass unterschiedlich starke Spieler beim Lösen von Schachaufgaben
unterschiedliche Gehirnregionen in Anspruch nehmen. Die besten Schachspieler
bearbeiten Schachaufgaben überwiegend im hinteren Teil des Cortex, der
Hirnrinde. Von dieser Region ist bekannt, dass sie beim Rückgriff auf durch
jahrelanges Training erworbenes Erfahrungswissen von Bedeutung ist.
Schlechtere Schachspieler verwenden hingegen vor allem das Vorderhirn, das für
neuartige Aufgabenstellungen spezialisiert ist, und zeigen ein insgesamt
weniger fokussiertes Aktivierungsmuster. Roland Grabner gelang es also
nachzuweisen, dass sich infolge jahrelanger Lern- und Übungsprozesse die
Aktivierungsmuster der Gehirne von Schachspielern verändern und dadurch eine
effizientere Verarbeitung von schachbezogener Information ermöglichen.
Es zeichnet die breit angelegte Arbeit von Roland Grabner aus, dass er neben
verschiedenen Aspekten der kognitiven Leistungsfähigkeit von Schachspielern
auch deren Persönlichkeitsstruktur untersucht hat. Hinweise auf eine typische
Schachspielerpersönlichkeit fand er dabei jedoch nicht; vielmehr fanden sich
ganz unterschiedliche Wesenszüge bei den untersuchten Probanden. Nur ein
Persönlichkeitsmerkmal war den meisten Schachspielern gemeinsam und
unterschied diese von der allgemeinen Bevölkerung; nämlich die Fähigkeit, die
eigenen Emotionen zu kontrollieren und nicht nach außen hin sichtbar werden zu
lassen. Diese Fähigkeit erwies sich sogar als in statistisch bedeutsamer Weise
mit der Spielstärke assoziiert.
Neben der Fähigkeit zur Emotionskontrolle ging auch noch die schachbezogene
Leistungsmotivation mit einer hohen Spielstärke einher. Andere
Persönlichkeitsmerkmale wie Extraversion, Verträglichkeit und
Gewissenhaftigkeit wiesen jedoch keinerlei Beziehung zur Spielstärke im Schach
auf.“
Professor Musch schließt seine Laudatio mit: „Zusammenfassend kann
festgehalten werden, dass Roland Grabner in seiner hier aufgrund ihrer
Komplexität nur skizzenhaft zusammenfassbaren Arbeit das Methodenarsenal der
kognitiven Psychologie in vorbildlicher Weise mit Untersuchungsansätzen der
differentiellen und der Neuropsychologie verknüpft hat. Seine Arbeit leistet
einen bedeutenden Beitrag zu gleich zwei Themenfeldern, die für die
Schachpsychologie von zentraler Bedeutung sind: der Expertise- und der
Intelligenzforschung. Dass die durchgeführten Untersuchungen höchsten
wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden, wird durch ihre
zwischenzeitliche Veröffentlichung in zwei international hochrangigen
Fachzeitschriften belegt. Die Arbeit von Roland Grabner genügt damit in
besonderer Weise den Kriterien für den Wissenschaftspreis der
Karpow-Schachakademie Hockenheim, die sich deshalb freut, ihm ihren erstmals
ausgeschriebenen, mit 1.000 Euro dotierten Preis für die beste
wissenschaftliche Arbeit zum Thema Schach zuzuerkennen.“
Dr. Roland Grabner hat die wesentlichen Erkenntnisse seiner Arbeit in einem
Kurzvortrag zusammengetragen, der auf der Homepage
www.schachakademie-hockenheim.de
unter „Wissenschaftspreis 2007“ oder direkt unter
http://www.gkl.bsv-schach.de/wip-leittext.pdf als kostenfreier Download
hinterlegt ist.
Der Wissenschaftspreis wird auf einer Schachveranstaltung im laufenden Jahr
überreicht. Ort und Zeitpunkt stehen derzeit noch nicht fest.
Die Karpow-Schachakademie Hockenheim e.V. versteht sich als Kompetenzzentrum
Schach. Ziel der Akademie ist zum einen die wissenschaftliche Forschung im
Themenbereich Schach, zum anderen Training und Trainingsausbildung, zum
Beispiel für die Jugendolympiamannschaft des Deutschen Schachbundes. Der
dritte Bereich sind Veranstaltungen von regionalem, nationalem und
internationalem Charakter.
Dr. Markus Keller
Karpow-Schachakademie Hockenheim e.V. – Geschäftsführer/Presse
markus.keller@gmx.de