Schach im neuen Jahrtausend - Geschichte der Schacholympiaden (9)

von ChessBase
06.11.2008 – In der neunten Folge seines Rückblicks auf die Schacholympiaden betrachtet Frank Große die Olympiaden im neuen Jahrtausend - Bled 2002, Calvia 2004 und Turin 2006 - und berichtet außerdem über die Frauenolympiaden, Blindenschacholympiaden und Fernschacholympiaden. Nachdem die russische Mannschaft in Bled 2002 noch einmal ihre Vorherrschaft demonstrieren konnten, wurde sie in Calvia 2004 von der Ukraine überflügelt und landete in Turin 2006 schon nicht mehr auf dem Podium. In diesem Jahr wollen die Russen in Bestbesetzung diese Schmach tilgen. Schach in die Presse brachte vor allem der FIDE-Funktionär Surab Asmaiparaschwili. Ein Gerangel mit den Sicherheitskräften in Calvia wegen eines Details im Ablauf der Schlussfeier führte zu seiner Verhaftung und zu einem blauen Auge. Die Geschichte der Frauenolympiaden beginnt 1957 in Emmen in bescheidenem Ausmaß. Ende der 80er Jahre brach "Polgarien" die Vorherrschaft der UdSSR. Später war Georgien führend, danach China. In Turin siegte allerdings die Ukraine. Im Fernschach holte die Deutsche Mannschaft bei den letzten beiden Fernschacholympiaden Gold. Geschichte der Schacholympiaden (9)...

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Die Geschichte der Schacholympiade – Teil 9:
Im neuen Jahrtausend (2002 – 2006) und die Geschichte der Frauenolympiaden,
Olympiaden der Blindenschachspieler, sowie Fernschacholympiaden
Von Frank Große

Bled 2002

Russland hat die Schacholympiade gewonnen. Wieder einmal. Nichts Sensationelles an sich, aber diesmal wieder mit Garri Kasparow an Bord, was nicht nur dem Team einen qualitativen Sprung gab, sondern auch für gesteigertes weltweites Medieninteresse sorgte. Einzig Ungarn konnte ernsthaft Paroli bieten und schlug den Favoriten in der 9. Runde sogar. Das Team der Magyaren, in dem Judit Polgar am zweiten Brett (8,5 aus 12) hinter Peter Leko die beste Leistung zeigte hielt den Kampf bis zum Ende offen. Das deutsche Team konnte an den Erfolg der vergangene Jahre nicht anknüpfen und Platz 16 in der Endabrechnung war ein oder mehr minder große Enttäuschung.

(1)     Ein etwas zu klein gewordener Turniersaal, in dem sowohl die Wettkämpfe der Männer, wie auch Frauen ausgetragen wurden. Hier Massenandrang bei der Partie Russland – Ungarn.

Abschlusstabelle Bled 2002 (1)

 

Calvià 2004

Die –auch nach dem politischen „Mauerfall“ - siegverwöhnten Russen erhielten diesmal von der jungen Truppe aus der Ukraine (Durchschnittsalter 22 Jahre) ernsthafte Gegenwehr und konnten sich gegen den Start-Ziel-Sieg selbiger nicht zur Wehr setzen. Der Seriensieger diesmal nicht auf dem Goldpodest! Die Ukraine, die von keinem geringeren als Wassili Iwantschuk angeführt wurde, legte einen bis dato nie erlebten Blitzstart hin: man gewann die ersten drei Kämpfe zu null, was auch eineinhalb Punkte Vorsprung vor den Russen bedeutete. Und in der vierten (von 14) Runde treffen die beiden Listenfavoriten aufeinander (am selben Tag verteidigte Wladimir Kramnik gegen Peter Leko in Brissago seinen WM-Titel) und Iwantschuk konnte sich am Spitzenbrett gegen Alexander Morosewitsch durchsetzen, nachdem die restlichen 3 Partien Remis gegeben wurden. Die Ukrainer machten bis zum Ende des Turniers nicht schlapp und stürzten in der Besetzung Iwantschuk (9,5 aus 13), Ponomarjow (4 aus 8), Wolokitin (8,5 aus 12), Moissejenko (5 aus 8), Eljanow (6 aus 8) und Karjakin (6,5 aus 7) den Seriensieger vom Dauerplatz Gold. Bei den Damen legten die Chinesinnen einen noch überzeugenderen Start hin und hatten mit 14 von 15 möglichen Punkten bereits nach fünf Runden drei Zähler zwischen sich und den Rest des Feldes gelegt.

Einen im wahrsten Sinne des Wortes handfesten Eklat gab es während der Siegerehrung, als versäumt wurde den „Nona-Gaprindaschwili-Preis“ zu vergeben. Der Georgier Surab Asmaiparaschwili – zu dem Zeitpunkt in als Spitzenbrett seines Teams spielend und Vize-Präsident der FIDE – „versuchte mehrere Male hierauf aufmerksam zu machen, fand jedoch kein Gehör und versuchte infolgedessen auf die Bühne zu gelangen, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Daran wurde er von zivilen Sicherheitskräften, die ihn offensichtlich auf dem ‚Kieker‘ hatten, gehindert, bis es schließlich zu einem Handgemenge kam. Kurz: Der Georgier wurde vor aller Augen von mehreren Beamten derart getreten und verprügelt, dass er um sein Leben fürchtete. Anschließend wurde er aus dem Saal geführt und für einen Tag inhaftiert (‚Widerstand gegen die Staatsgewalt‘).[2]

(2)     Handgreiflichkeiten während der Olympiade in Calvià/Mallorca

Abschlusstabelle Calvià 2004 (1)

Turin 2006

Nach dem Start-Ziel-Sieg der Ukrainer vor zwei Jahren erwartete man, dass Russland als Schachnation Nummer Uno mit geballter Kraft zurückschlagen würde und deutlichen Kurs auf Gold nehmen würde. Versucht wurde es, aber erneut hat eine kleinere ehemalige Nation der UdSSR die große Torte weggeschnappt: Gold für die an Rang 3 (hinter Russland und Indien) gesetzten Armenier! Platz 6 in der Abschlusstabelle kam in Russland einer nationalen Katastrophe gleich, dabei hatte man mit der Formation Kramnik, Swidler, Grischuk, Morosewitsch, Barejew und Rublewski (nach 2 aus 5: „Hoffentlich schicken sie ihn nicht nach Kamtschtka …“) nicht gekleckert und die Weichen auf Erfolg gestellt. Doch bereits eine Runde vor Schluss war die Mission als gescheitert deklariert, da bis zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehaltene acht Partien verloren gegeben werden mussten. Dennoch kam es noch dicker, als man in der auf Israel traf und mit einem entsprechend hohen Sieg wenigstens noch Silber nach Hause transportieren konnte. Doch auch das misslang, da man gegen den vermeintlichen Underdog mit 1:3 deutlich unterlag und die Last einer ganzen Nation wohl nicht von den Spielern verkraftet wurde.

Die Olympiade, die praktisch zwischen den Winterspielen und der Fußball-Weltmeisterschaft stattfand krönte das armenische Team mit der größten mannschaftlichen Geschlossenheit zum Sieger: Levon Aronjan (der als Weltranglisten-Dritter überzeugte), Wladimir Akopjan (gewann die ersten fünf Schwarzpartien), Karen Asrjan (unauffällig, aber zuverlässig, Gabriel Sargissjan (10 aus 13 und damit internationaler Durchbruch), sowie Smbat Lputjan und Artashes Minasjan, die nicht auf der Ersatzbank schmorten, sondern jeweils 2,5 aus 3 beisteuerten. Vier Armenier bestritten von der 5. bis zu 13. und letzten Runde alle Matches und verloren nach den Niederlag Aronjans gegen Kramnik in Runde 5 keine Partie mehr! Zum ersten Mal auf dem Podest das Reich der Mitte: China, dass als Ranglisten-Zwölfter einen noch größeren Sprung als Armenien machte und die USA auf den Bronzerang verwies.

(3)     v.l.n.r.: Arshak Petrosjan (Teamchef), Smbat Lputjan, Artashes Minasjan, Wladimir Akopjan, Karen Asrjan, Levon Aronjan, Gabriel Sargissjan

Deutschland versagte nicht und landete in der Endabrechnung auf Platz 15, was eine Position schlechter als die Setzranglistenposition war. Wer die Tücken des Schweizer Systems und deren Beeinflussung auf die Abschlusstabelle kennt, der weiss, dass ein einstelliger Tabellenplatz in greifbarer Nähe war.

Abschlusstabelle Turin 2006 (1)

Nun gilt es den Blick nach Dresden zur diesjährigen Schacholympiade zu richten, denn schließlich bedeutet dieses Ereignis für zigtausende SchachspielerInnen die Erfüllung eines Traumes.

Die Geschichte der Frauenolympiaden

Da in den bisherigen Teilen dieser Artikelserie die Geschichte der Frauenolympiaden nur in Randnotizen vermerkt war, dient dieser Beitrag zur Aufarbeitung. Die erste Olympiade der holden Weiblichkeit wurde im Jahre 1957 - damals wie heute oft als Damenolympiade bezeichnet - in der kleinen holländischen Stadt Emmen gespielt – siehe auch den Bericht bei ChessBase . Bis 2006 wurde die Veranstaltung zweiundzwanzig Mal wiederholt, was bezeichnet, dass dieser Wettbewerb seltener als der Männerwettbewerb ausgetragen wurde. So konnte die zweite Olympiade (Split 1963) erst 6 Jahre nach der Premiere organisiert werden. Danach, bis 1972, alle drei Jahre und seit 1972 alle zwei Jahre – parallel mit der Schacholympiade der Männer. Bis 1978 waren die Mannschaften nur aus 2 Spielerinnen und eine Ersatzspielerin zusammengesetzt, dann wurde die Zahl der Bretter auf drei erhöht, was der Attraktivität der Veranstaltung einen positiven Schub verpasste. Während bei der Premierolympiade der Frauen nur 21 Mannschaften (20 europäische Teams, sowie die USA) teilnahmen steigerte sich die Anzahl kontinuierlich. Dies hatte zur Folge, dass analog dem Wettkampf der Männer eine Änderung im Austragungssystem notwendig war, was dazu führte, dass 1978 (Buenos Aires) zum letzten Mal eine Vorrunde mit mehreren Gruppen gespielt wurde, wo sich die Platzierungen für die einzelnen Finalrunden ergaben.

(4)     Kein Bild mit Seltenheitswert: Bei den Männern wie bei den Frauen, die Sowjetunion als erfolgreichste Olympiadenation, hier die Siegermannschaften von Dubai 1986. Frauen (von links): N. Alexandria, N. Gaprindaschwili, J. Achmylowskaja, M. Tschiburdanidse und Kapitän R. Bilunowa. Männer (von links: R. Waganjan, G. Kasparow, Kapitän J. Geller, A. Karpow, A. Sokolow, A. Jussupow.

Erwartungsgemäß, wie auch bei den Männern, wurden die Damen-Schacholympiaden von den sowjetischen Mannschaften beherrscht. Sie siegten bis zum Fall der Mauer 11 Mal. Nur Israel (1976 ohne Beteiligung der Ostblockstaaten, dafür aber mit vier Emigrantinnen aus der Sowjetunion an den Brettern) und Ungarn 1988 konnten sich noch auf das höchste Treppchen des Podests eintragen. Hier trugen insbesondere ab Mitte der 80er die drei Polgar-Schwestern, die für Ungarn antraten, dass scherzhaft „Polgarien“ genannt wurde, zur Popularisierung der Damenwettkämpfe bei. Nach dem Mauerfall konnte erst Georgien und später China mehrfach erfolgreich beweisen. In Georgien war das Frauenschach so etwas wie eine nationale Angelegenheit, von 1962 – 1978 fanden hier alle Frauen-Weltmeisterschaften statt (eben so lange hatte Nona Gaprindaschwili den Titel inne, ehe sie von ihrer Landsfrau Maja Tschiburdanidse abgelöst wurde).

(5)     Kein seltenes Bild: 3 Siege für Polgarien bzw. Ungarn

1998 erobert zum ersten Mal das Reich der Mitte die Goldmedaille (die Männer zogen erst 2006 mit einer Medaillenplatzierung nach) und konnte diesen Erfolg vier Mal in Folge wiederholen bis zuletzt die Ukraine gewann. Bei dem ersten Triumph profitieren sie insbesondere davon, das Vietnam die schachliche Großmacht Georgien 3:0 besiegte und die beiden besten Spielerinnen Judit Polgar, sowie Alisa Galljamowa nicht spielten. Grund waren die Querelen mit dem Weltverband um das nicht zustande gekommen Match um die Weltmeisterschaft gegen Xie Jun.

Bei der letzten Olympiade (Turin 2006) stahlen die Damen der Ukraine dem russischen Team den eingeplanten Sieg, was aber nicht unverdient war. Die deutsche Mannschaft wurde auf Ranglistenplatz 8 eingestuft, was der bisher höchsten Einstufung entsprach und in der Elisabeth Pähtz, sowie Ketino Kachiani-Gersinska die Spitze bildeten. Leider reichte es nicht zu einem einstelligen Tabellenplatz (Platz 11), aber im ‚heimischen Stadion‘ wird man besonders motiviert zu Werke gehen und eventuell in der Endabrechnung eine bessere Platzierung  als die Männer-Mannschaft aufweisen können.

(6)     Erstmals Gold für China 1998, hier die Spitzenbretter Chen Zhu, Jun Xie und Teamkapitän Weida Zhang

Die Medaillenplätze sämtlicher Frauenschach-Olympiaden nachstehend aufgeführt(2):

Die Geschichte der Fernschacholympiaden

Unter einer Olympiade versteht man vier aufeinanderfolgende Jahre zwischen Olympischen Spielen. Insofern wird der Begriff im Schach falsch angewendet: wie bekannt, finden die Schach-Olympiaden alle zwei Jahre statt. Olympisch ist jedoch, dass sich jedes FIDE-Mitglied beteiligen kann und nicht erst Qualifikationsspiele bestreiten muss. Im Fernschach kommt der Zeitrhythmus schon eher dem klassischen griechischen Vorbild nahe. Durch immer länger werdende Postlaufzeiten bedingt, wurden für die anfänglichen Fernschach-Olympiaden jeweils mehr als vier Jahre benötigt. In diesem Zeitraum werden gleichzeitig die Endrunde und die Vorgruppen für das nächste Turnier ausgetragen, denn eine Meisterschaft „offen für alle“ etwa im Schweizer System ist ja im Fernschach nicht durchführbar.

Fernschach-Olympiaden haben eine lange Tradition. Bereits sieben Jahre nach Gründung des Internationalen Fernschachverbandes startete 1935 die 1. Europäische Olympiade mit 16 Mannschaften. Die Beschränkung auf Europa ergab sich daraus, dass der Postverkehr mit überseeischen Ländern damals noch zu langsam verlief. Nach der kriegsbedingten Unterbrechung begann 1949 die 1. Fernschach-Olympiade mit weltweiter Beteiligung. Dennoch nahmen nur zehn Mannschaften teil und Ungarn stand nach fast vier Jahren als Sieger fest. Ab 1958 bestimmte die Sowjetunion in den meisten Wettbewerben das Geschehen, bevor insbesondere nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auch andere Nationen sich in die Siegertafeln eintragen konnten.

(7) Die letzte Medaille der DDR, Siegerehrung in Magdeburg 1995, v.l.n.r.: Horst Handel, Horst Rittner, Dr. Fritz Baumbach, Heinrich Burger, im Vordergrund Volker-M. Anton (Hans-Ullrich Grünberg fehlte)

Ein Kuriosum ereignete sich im fünften Jahr der deutschen Einheit, als die DDR ihre 1600. Medaille bei Welt- und Europameisterschaften, sowie Olympiaden einheimste: Bronze bei der X. Fernschacholympiade! Als am 15. November 1987 die X. Fernschach-Olympiade gestartet ahnte keiner die politischen Veränderungen der nächsten zwölf Monate. Nach der politischen Wende in Osteuropa verschlechterten sich die Postverbindungen mit diesen Ländern und Laufzeiten von und nach Russland von je 4-6 Wochen waren die Regel, so dass sich die betreffenden Partien nur langsam entwickelten. Die Anordnung des Turnierleiters, die weiteren Züge telegrafisch zu übermitteln, wurde wegen materieller Engpässe von russischer Seite nicht befolgt. 1992 hatte die DDR-Mannschaft sämtliche Partien beendet und sich mit 33,5 Punkten an die Spitze des Feldes gesetzt. Ein fast zweijähriges Warten setzte ein, bis die letzte Partie beendet wurde und Gold doch noch an die Sowjetunion - die mittlerweile ebenfalls nicht mehr existierte - ging. Bei der Siegerehrung in Magdeburg haben es die Medienvertreter sehr bedauert, dass weder Flaggen gezeigt, noch Hymnen gespielt wurden. Die darauffolgende Olympiade wurde 1992 und zum ersten Mal nach über 30 Jahren nahm eine gemeinsame deutsche Mannschaft teil, die eine mit der Tschechoslowakei geteilte Goldmedaille errang. Dieser Erfolg konnte bei der 1998 gestarteten Folgeolympiade wiederholt werden und man konnte bereits im Herbst 2001 vorzeitig den Gewinn verkünden. Die 2004 gestartete 13. Fernschacholympiade wurde zum ersten Mal via E-Mail ausgetragen – hier führt momentan Deutschland vor Tschechien und Polen. Mittlerweile finden die Olympiade dank der Internettechnologie in kürzeren Zyklen statt und die Zwischenstände können hier http://tables.iccf.com/world/olindex.html nachgelesen werden.

(8) Zum ersten Mal Deutschland in einem Team und zum ersten Mal Gold, Siegerehrung 1999 in Magdeburg, v.l.n.r.: Achim Soltau (Teamchef), Dr. Fritz Baumbach, Karl-Heinz Maeder, Heinrich Burger, Hans Palm, Dr. Martin Kreuzer und im Vordergrund Volker-M. Anton

Die Medaillenplätze sämtlicher beendeter Fernschach-Olympiaden nachstehend aufgeführt(3):

 

 

Die Geschichte der Olympiaden blinder Spieler

Das organisierte Schachspiel blinder Spieler hat eine lange nationale, wie auch internationale Tradition und wurde bereits nach dem Ersten Weltkrieg eifrig gepflegt (Das erste Schachbuch für Blinde erschien Ende des 19. Jahrhunderts von E. Kull, der später auch das erste Blindenschachspiel anfertigen ließ.). Nach vor dem Zweiten Weltkrieg waren erste spezielle Publikationen, Fernschachduelle und eine Integration des Spiels in Blindenschule – insbesondere in Sachsen – ermöglicht. Nachdem sich 1956 der Internationale Blindenschachbund als Organisation begründet hat, wurden kurze Zeit später die ersten Internationalen Kongresse durchgeführt. Bereits fünf Jahre später fand 1961 in Meschede die erste Blindenschach-Olympiade statt. Zunächst musste hierfür geklärt werden, welche Nationen bereits organisierte Blindenverbände nachweisen konnten und zur Teilnahme bereit waren. Da blinde Schachspieler (normalerweise) keine Profispieler sind, wurde die erste Blindenolympiade über einen Zeitraum von 8 Tagen ausgetragen, auch die Finanzierung gestaltete sich nicht ohne weiteres, aber durch Zuschüsse des Bundesministeriums war eine erfolgreiche Durchführung gewährleistet. Erfreut war man über die Teilnahme von sieben Nationen (Dänemark, England, Jugoslawien, Österreich, Schweiz, Mitteldeutschland und zwei Teams der damaligen BRD – Schweden musste absagen). Daraus ergab sich ein Jeder-gegen-Jeden-Duell über 7 Runden, dass vom Favoriten Jugoslawien gewonnen wurde. Das Team der BRD konnte sich gegenüber Österreich durchsetzen.

Die zweite Olympiade wurde 1964 im anderen deutschen Staate – der DDR – durchgeführt, wo mit neun teilnehmenden Nationen ein Teilnehmeranstieg zu verzeichnen war. Die Olympiade 1972 konnte bereits 20 Teams aus 19 Nationen verzeichnen, was sowohl die Anerkennung als auch die Bedeutung der Olympiade seitens der Sportler unterstreicht. Die X. Olympiade fand zum ersten Mal außerhalb Europas (Laguna, Brasilien) statt, um dem Ruf einer weltweiten Veranstaltung gerecht zu werden und auch zumeist finanzschwächeren Nationen die Chance einer Teilnahme zu ermöglichen. Bis heute haben 38 verschiedene Nationen ihren Verband vertreten. Berücksichtigt man, dass neben den Spielern auch Betreuer, Veranstalter und Kongresspersonal vor Ort anwesend ist, wird schnell klar, dass auch diese Olympiaden Großveranstaltungen sind!

(9) Medaille bei der Blindenolympiade

Die Spieler mit „Augen in den Fingerspitzen“ müssen neben den Schwierigkeiten am Brett noch einige weitere Handicaps bewältigen, so z.B. die Nutzung der Uhr. Aber pfiffige Spieler aus England präsentierten zur ersten Schacholympiade die „beinahe perfekte Lösung“ (5): eine Uhr mit Ziffernblättern. Diese wurde erprobt und die Weiterentwicklung in den darauffolgenden Jahren führte zu einem „tastbaren Blättchen“, sodass Blinde mittlerweile ohne die Hilfe Sehender in der Lage sind Blitzschachpartien zu spielen. Entgegen dem Zweijahreszyklus der herkömmlichen Schacholympiaden haben sich die Blindenspieler auf einen Vier-Jahres-Modus geeinigt, der bis heute beibehalten wird. Nicht unerwartet dominierte Jugoslawien seit den ersten Olympiaden das Geschehen und lieferte sich bis zum Mauerfall zumeist einen Dreikampf mit den Mannschaften der Sowjetunion und der DDR. Aber auch hier – wie in vielen anderen olympischen Disziplinen - glänzte in den meisten Fällen die Sowjetunion. Nach dem Mauerfall dominierte Russland weitestgehend das Geschehen, bevor bei der letzten Olympiade (2004) Polen das Treppchen auf dem höchsten Podest betrat. In diesem Jahr findet die Blindenolympiade in Griechenland (Kreta) statt.

Die Medaillenplätze sämtlicher Blindenschach-Olympiaden nachstehend aufgeführt(2):

 

Bilderquellen

(1)    
Schach 12/2002
(2)    
El Mundo 02.11.2004
(3)    
Schach 07/2006
(4)    
Schach 01/1987
(5)    
Europa-Rochade 01/1991
(6)    
Schach 11/1998
(7)    
Archiv Volker-M. Anton
(8)    
Archiv Volker-M. Anton
(9)    
Schach 11/1980

Quellenverzeichnis

(1)    
olimpbase.org
Die kompletten Tabellen und Statistiken sind auf dieser Webseite einzusehen und würden aufgrund der großen Teilnehmerzahl den Umfang dieses Artikels sprengen.
(2)    
Schach 12/2004
(3)    
http://de.wikipedia.org/wiki/Schacholympiade#Endst.C3.A4nde_Frauen
(4)    
http://tables.iccf.com/world/olindex.html
Ein Blick auf die Webseite lohnt auch, um sich einen Einblick über den Stand der aktuellen Fernschacholympiade zu verschaffen.
(5)    
http://www.schachkomet.de/ibcakap3.htm

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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