18.02.2015 – Im zweiten Teil des Schnellschachwettkampfs über vier Partien zwischen Viktor Kortschnoi und Wolfgang Uhlmann in Zürich kam es zu einem munteren Schlagabtausch. Kortschnoi gewann Partie drei des Wettkampfs, doch verspielte den Wettkampfsieg in Partie vier durch einen groben Fehler. So stand es am Ende 2:2 Unentschieden. Bericht, Analysen, Partien...
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Viktor Kortschnoi und Wolfgang Uhlmann trennen sich Unentschieden
Der Wettkampf zwischen den beiden Schachlegenden Viktor Kortschnoi und Wolfgang Uhlmann, der parallel zu der Chess Challenge Zürich ausgetragen wurde, endete mit einem Unentschieden. Der Wettkampf ging über vier Schnellschachpartien und nach Tag eins stand es nach wechselhaftem Verlauf 1:1. Auch der zweite Tag des Wettkampfs verlief wechselhaft. Kortschnoi übernahm mit einem Schwarzsieg in der dritten Runde die Führung und hatte so sehr gute Chancen, den Wettkampf in der vierten und letzten Partie für sich zu entscheiden. Doch dann unterlief Kortschnoi in der vierten Partie ein schweres Versehen. Das kostete ihn eine Figur und sicherte Uhlmann den Sieg in der Partie und das Unentschieden im Wettkampf. Am Ende stand es 2:2.
Wolfgang Uhlmann
Äußerlich wirkt Kortschnoi gebrechlich...
… doch während der Partie strahlt er Entschlossenheit aus.
Bevor wir zur Analyse der Partien drei und vier des Wettkampfs kommen, hier noch ein bisschen Statistik. Kortschnoi und Uhlmann haben nicht nur gemeinsam, dass sie noch im hohen Alter Schach spielen, sie eint auch die Liebe zur Französischen Verteidigung. Beide galten eine lange Zeit als die führenden Experten in dieser Eröffnung. Und in den 862 Partien, in denen Kortschnois Gegner mit 1.e4 eröffnet haben, verteidigte sich Kortschnoi in nicht weniger als 373 Partien Französisch.
Wolfgang Uhlmanns Liebe zum Franzosen war sogar noch größer. Er spielte beinahe ausschließlich 1...e6. In den 667 Partien in der Datenbank, in denen Uhlmanns Gegner 1.e4 spielten, antwortete Uhlmann in 642 Partien mit 1...e6.
Die ChessBase Mega-Datenbank belegt Wolfgang Uhlmanns Leidenschaft für den Franzosen.
Schade, doch in diesem Wettkampf gab es keinen Franzosen, denn keiner der beiden wollte 1.e4 riskieren.
Partie 3
Wie in der ersten Partie griff Uhlmann mit 1.c4 wieder zum c-Bauern und entschied sich für eine Englische Eröffnung. Doch nach einer Ungenauigkeit von Weiß konnte Kortschnoi ausgleichen und in einem komplexen Mittelspiel kam es schließlich zu folgender Stellung:
Kortschnoi hatte hier soeben 25…Le6-g4 gespielt, was jedoch ein Fehler war. Denn Uhlmann hätte den Läufer mit 26.Dxg4 einfach nehmen können. Schlägt Schwarz dann mit 26…Dxc5 den Springer auf c5, steht Weiß nach 27.Lb2 auf Gewinn. Doch Uhlmann setzte stattdessen mit 26.Dg5 fort und Kortschnoi kam wieder in die Partie zurück.
Danach unterliefen Kortschnoi keine groben Versehen mehr, er spielte gut und gewann die Partie in 44 Zügen.
[Event "Zurich Chess Challenge 2015 Kortchnoi - "] [Site "Zurich"] [Date "2015.02.16"] [Round "3.1"] [White "Uhlmann, Wolfgang"] [Black "Korchnoi, Viktor"] [Result "0-1"] [ECO "A29"] [WhiteElo "2322"] [BlackElo "2499"] [Annotator "Sagar Shah"] [PlyCount "88"] [EventDate "2015.??.??"] 1. c4 {Uhlmann bleibt bei dem Zug, den er auch in der ersten Partie gespielt hat.} e5 2. Nc3 Nf6 3. Nf3 Nc6 4. g3 {Wieder steht das Vierspringerspiel auf dem Brett. Doch dieses Mal spielt Kortschnoi nicht Lb4, sondern entscheidet sich für einen Sizilianer mit vertauschten Farben.} d5 5. cxd5 Nxd5 6. Bg2 Nde7 $5 (6... Nb6 {gilt als Hauptvariante.}) 7. O-O g6 8. b4 a6 (8... Nxb4 9. Nxe5 $16) 9. Rb1 Bg7 10. a4 O-O 11. d3 (11. b5 axb5 12. axb5 Nd4 $11) 11... Nd4 12. Nd2 $1 {Weiß verhindert den Springerabtausch und will den Springer mit e3 vertreiben.} c6 {Schränkt die Wirkung des Läufers auf g2 ein.} 13. e3 Ne6 14. Qe2 (14. Nc4 {war aktiver und besser als} Nd5 {, denn nun folgt} 15. Bb2 $1 Nxb4 $6 16. Ba3 $1 $14) 14... Nd5 15. Nxd5 cxd5 {Schwarz hat Ausgleich erzielt.} 16. f4 $5 {Zu ehrgeizig. Auf den ersten Blick wirkt es unlogisch, dass Weiß einen Angriff starten kann, obwohl er seine Entwicklung noch nicht abgeschlossen hat. Allerdings droht Weiß, die schwarze Bauernstruktur am Königsflügel mit f4-f5 aufzubrechen und das erfordert präzises Spiel von Schwarz.} (16. Bb2 {war besser.}) 16... exf4 17. gxf4 Re8 {[%csl Rd3,Re3,Rf4] Die weißen Zentrumsbauern können stark werden, wenn sie sich in Bewegung setzen, aber im Moment wirken sie eher wie eine Schwäche.} 18. Nb3 (18. f5 Nd4 $17) 18... Qd6 19. Qf3 Qxb4 20. f5 (20. Qxd5 Qxa4 $15) 20... gxf5 {Die zersplitterte Bauernstruktur des Schwarzen gibt Weiß definitiv Konterchancen.} (20... Nd8 $1 {war besser; nach} 21. fxg6 hxg6 22. Qxd5 Bf5 $15 {steht Schwarz besser.}) 21. Qxf5 Nd8 22. Qxd5 Qxa4 23. Nc5 {Plötzlich stehen die weißen Figuren aktiv und die schwarzen Figuren machen einen unharmonischen Eindruck.} Qc2 24. Rb6 {Der Turm will bei der Party dabei sein.} Be6 (24... Bh3 $5 {war eine verblüffende taktische Möglichkeit.} 25. Bxh3 Re5 26. Qd7 Qxc5 {Schwarz gewinnt die Figur zurück, aber Weiß behält Vorteil nach} 27. Rd6 $14) 25. Qh5 Bg4 $2 {Ein taktisches Versehen, das nicht bestraft wird.} 26. Qg5 (26. Qxg4 $1 Qxc5 27. Bb2 $1 {In dieser Stellung hat Schwarz keine Verteidigung mehr.} Qxe3+ 28. Kh1 Re5 29. Bxe5 Qxe5 30. Qd7 $18 {mit Gewinnstellung.}) 26... Re5 27. Qxg4 Qxc5 28. Rb4 (28. Bb2 Qxb6 29. Bxe5 Qxe3+ $19 { verliert für Weiß.}) 28... Rg5 29. Qf4 Rg6 {Schwarz hat einen Bauern mehr und seine Stellung etwas stabilisiert.} 30. Re4 Qb5 31. Ba3 Rf6 32. Qh4 Rxf1+ 33. Bxf1 Ne6 34. d4 Qb1 (34... Qb3 $1 {Greift nicht nur den Läufer auf a3 an, sondern droht auch, den Turm auf e4 mit ...f5 zu fangen.} 35. Bd6 f5 $19 {fängt den Turm.}) 35. Rg4 Kh8 36. d5 Nf8 37. Be7 $2 {Der letzte Fehler der Partie. Danach gewinnt Schwarz leicht.} (37. Qh5 $13) 37... Ng6 $1 38. Rxg6 (38. Qg5 h6 $19) 38... Qxg6+ 39. Bg2 Rc8 40. Qh3 Rc1+ 41. Kf2 Qc2+ 42. Kf3 Qd1+ 43. Kf4 Rc4+ 44. e4 Qxd5 (44... Qxd5 {Weiß hätte die Partie mit} 45. Qc8+ Rxc8 46. exd5 {verlängern können, aber diese Stellung zu gewinnen, wäre Kortschnoi wohl nicht schwer gefallen. }) 0-1
Vor der vierten Partie, in der er mit Weiß spielte, hatte Kortschnoi so einen Punkt Vorsprung und gute Chancen, den Wettkampf zu gewinnen. Doch Uhlmann hatte natürlich andere Pläne.
Partie 4
Wie die drei vorherigen Partien des Wettkampfs begann auch die vierte Partie mit 1.c4. Doch schon bald stand eine Maroczy-Struktur im Beschleunigten Drachen auf dem Brett. Und die war gut für Kortschnoi: Seine Läufer standen gut und Schwarz hatte mit einem schwachen Feld auf b5 zu kämpfen.
Vielleicht war er müde, vielleicht auch nur unachtsam, aber mit 22.Sb5 klemmte Kortschnoi seinen Läufer auf a6 ab.
Uhlmann nutzte das sofort aus und kam mit 22…Sb4 in Vorteil. Kortschnoi übersah, dass sein Läufer auf a6 hing und stellte ihn ein. Als Uhlmann den Läufer nahm, gab Kortschnoi sofort auf.
[Event "Zurich Chess Challenge 2015 Kortchnoi - "] [Site "Zurich"] [Date "2015.02.16"] [Round "4.1"] [White "Korchnoi, Viktor"] [Black "Uhlmann, Wolfgang"] [Result "0-1"] [ECO "A30"] [WhiteElo "2499"] [BlackElo "2322"] [Annotator "Sagar Shah"] [PlyCount "48"] [EventDate "2015.??.??"] {Die letzte Partie des Wettkampfs. Uhlmann lag mit einem Punkt zurück und hatte Schwarz. Die Dinge sahen also nicht allzu gut aus. Doch Uhlmann verfügt über unendlich viel Erfahrung und konnte den Wettkampf mit einem Sieg in der letzten Partie noch einmal ausgleichen.} 1. c4 c5 2. Nf3 Nc6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5. Nc3 g6 6. Nc2 {Kortschnoi zieht seinen Springer zurück, um die Gurgenidze-Variante im Beschleunigten Drachen zu umgehen.} (6. e4 Nxd4 7. Qxd4 d6 { ist eine der Hauptvarianten.}) 6... Bg7 7. e4 O-O 8. Be2 a6 {Eine interessante und ungewöhnliche Möglichkeit, gegen die Maroczy-Struktur zu spielen. Schwarz verzichtet auf den Zug d6 und konzentriert sich stattdessen auf den Vorstoß mit ...b5.} 9. O-O Rb8 10. Re1 $1 {Stützt den Bauern e4.} d6 11. Bg5 h6 12. Be3 Bd7 13. a4 {Kortschnoi verhindert den Durchbruch mit ...b5 ein für alle Mal. Aber das schwächt das Feld b4.} a5 $5 14. c5 dxc5 15. Bxc5 b6 (15... Be6 {was die Zentrumsfelder kontrolliert, war deutlich besser.}) 16. Ba3 $14 {[%csl Ga3,Rb5,Ge2]} Be6 17. Bb5 $1 { Kortschnoi spielt sehr präzise und bewahrt seinen leichten Vorteil.} Rc8 18. Rc1 Bb3 19. Qxd8 $6 (19. Qe2 {war besser. Die Damen bleiben auf dem Brett und Weiß droht e4-e5.} Bxc2 (19... Qc7 20. e5 $16) 20. Qxc2 Nd4 21. Qd3 Nxb5 22. Qxb5 $16) 19... Rfxd8 20. Ne3 e6 (20... Nb4 $1 $15) 21. Ba6 Rb8 22. Nb5 $2 {[%csl Ra6][%cal Gc3b5] Klemmt den eigenen Läufer ab.} Nb4 $1 23. Rc3 $2 {Müdigkeit und das hohe Alter machen sich bemerkbar.} (23. Bxb4 axb4 24. Nc4 Bxa4 $17) 23... Bxa4 24. f3 Nxa6 {Ein antiklimaktisches Ende einer interessanten Partie. Endstand: 2:2.} 0-1
Beide Spieler gewannen jeweils einmal mit Weiß und einmal mit Schwarz und so endete der Wettkampf 2:2.
Entspannung nach dem Match: Wolfgang Uhlmann und seine Frau Christine (vorne), Petra und Viktor Kortschnoi
Bei der Schlussfeier spielte Uhlmann eine freie Partie, gegen den elf-jährigen Anatol Toth, offensichtlich ein Schachfan.
Nach der Partie, die Uhlmann gewann (aber nicht ohne Mühe), analysierten die beiden noch eine Stunde,
wobei der GM strategische Prinzipien erläuterte.
Am Abend schaute Anatol zu, wie Vladimir Kramnik und Levon Aronian
ihre Partie aus der dritten Runde analysierten.
Anatol Toth ist ein guter Amateur, aber betreibt Schach nur als Hobby. Seine eigentliche Begabung ist die Musik, insbesondere das Geigenspiel.
Den Organisatoren der Chess Challenge Zürich gebührt Dank, weil sie diese beiden Schachlegenden wieder ans Brett gebracht haben. Wettkämpfe wie diese erinnern an die Schachgeschichte und die Schachhelden der Vergangenheit.
Sowohl Viktor Kortschnoi als auch Wolfgang Uhlmann haben sehenswerte ChessBase-DVDs aufgenommen.
Auf dem Playchess-Server werden alle Partien der Zürich Chess Challenge live übertragen. Klaus Bischoff kommentiert dort im deutschen Kanal sämtliche Runden. Alle Kommentare sind für Premium-Mitglieder kostenlos zugänglich.
Klaus Bischoff kommentiert auf Deutsch alle Runden
Sagar ShahSagar Shah ist ein junger Internationaler Meister aus Indien. Er ist zugleich ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und würde gerne der erste indische Wirtschaftsprüfer sein, der Großmeister wird. Sagar berichtet leidenschaftlich gerne über Schachturniere, denn so begreift er das Spiel, das er so liebt, besser. Aus Leidenschaft für das Schach betreibt er auch einen eigenen Schachblog.
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