Die 62. Herren-Einzel-Meisterschaft Polens 2005
Poznań (Posen), 21. 04. – 04. 05.2005
Von Thomas Lemanczyk
Ende April bis Anfang Mai fand in Poznań
die 62. polnische Schacheinzelmeisterschaft der Herren statt. Als Spiellokal
diente der Konferenzsaal des Hotels POLONEZ.
14 Teilnehmer spielten nach Rundensystem
(Spieltempo war 90 Min./40 Züge, 15 Min./Rest + 30 Sekunden Zuschlag pro Zug).
Es beteiligten sich 7 Großmeister, 5 Internationale Meister und 2 Fide-Meister.
Der Elo-Durchschnitt betrug 2526, 4 und entsprach der Kategorie XII der Fide.
Die GM-Norm lag bei 8, die IM-Norm bei 5,5 Punkten. Als Hauptschiedsrichter
fungierte Janusz Woda, der zugleich Präsident des Polnischen Schachverbandes
ist.
Janusz Woda (rechts)
Wie es seit einigen Jahren bei den
Landesmeisterschaften Polens immer wieder vorkam, lag das Durchschnittsalter
der Teilnehmer ziemlich niedrig, diesmal bei 25 Jahren. Der jüngste Teilnehmer,
FM Tomasz Warakomski ist erst 16 Jahre alt. IM Klaudiusz Urban war mit seinen
37 Jahren Turniersenior.
Bis auf Michał Krasenkow nahm die
gesamte Spitze der polnischen Spieler teil. Als Favoriten galten die
Großmeister Robert Kempiński (2627), Bartłomiej Macieja (2613) sowie Kamil
Mitoń (2592) und Bartosz Soćko (2583). Besonders gespannt war man aber auf das
Abschneiden des großen, erst 18-jährigen, Talents Radosław Wojtaszek (2569).
Wojtaszek machte im letzten Jahr von sich reden als er sowohl Jugendwelt- als
auch Jugendeuropameister in der Kategorie U18 wurde und Bronze bei der WM U20
holte. Er gewann die polnische Jugendmeisterschaft U20 2004 und 2005. Beim
Warschauer Schnellschachturnier im Dezember 2004 wurde er Dritter und schaltete
Nigel Short in der Vorrunde aus.
Tomasz Markowski
Tatsächlich bewies Wojtaszek auch in
Poznań, daß sein Höhenflug noch lange nicht abgeschlossen ist: von der ersten
Runde an in Führung liegend, sicherte er sich ungeschlagen mit einem
überlegenen Endspurt seinen ersten Titelgewinn bei den Senioren. In der 10. und
11. Runde gelang es zwar den Großmeistern Kempiński und Mitoń zu dem früh davon
Geeilten aufzuschließen, doch gewann Wojtaszek seine beiden letzten Partien,
darunter in der letzten Runde gegen Mitoń, während Kempiński (der ebenfalls
ungeschlagen blieb) zuletzt zwei Mal remisierte.
Kamil Miton
Vizemeister wurde schließlich sehr
verdient Bartosz Soćko, der mit Siegen in den Runden 11 bis 13 gleichfalls
einen beeindruckenden Endspurt darbot. Kempiński mußte sich mit dem dritten
Platz begnügen.
Socko-Wojtaszek
Wojtaszek-Kempinski
Nicht zufrieden mit seiner Plazierung
(7. Platz mit 7 Punkten) dürfte der Warschauer Großmeister und Europameister
von 2002 Bartłomiej Macieja sein, der in diesem Jahr noch auf einen großen
Erfolg wartet.
Wojtaszek-Macieja
Endstand:
Die Partien zum Nachspielen...
Thomas Lemanczyk führte für ChessBase
nach dem Turnier ein Interview mit dem Sieger:
Wojtaszek (links), Macieja
Frage: Wie fühlt man sich als
frischgebackener Polnischer Meister?
Wojtaszek: Ich bin sehr glücklich. Nach der
letzten Partie fiel es mir schwer zu glauben, dass ich Sieger war. Vor allem,
weil ich das erstemal an der Landesmeisterschaft teilnahm! Nach dem Turnier war
ich sehr müde, aber gleichzeitig sehr glücklich!
Frage: Was hast du dir
vor dem Turnier ausgerechnet? Welchen Platz
glaubtest du belegen zu können?
Wojtaszek: Zusammen mit meinem Trainer,
Großmeister Artur Jakubiec, glaubte ich, ein Platz unter den ersten sechs wäre
optimal. Eine Medaille, egal welcher Farbe, wäre bereits ein riesiger Erfolg.
Ich bin natürlich besonders glücklich, dass es gerade die Medaille mit dem
begehrtesten Metall wurde.
Wojtaszek gibt weiblichen Bewunderern Autogramme
Frage: Wie verlief das Turnier für Dich?
Wojtaszek: Schon zu Beginn des Turniers
traf ich auf die Favoriten. In der ersten Runde spielte ich in einer recht
verbissenen Partie Remis gegen Bartłomiej Macieją, den Titelverteidiger.
Letztlich wollte keiner von uns beiden etwas riskieren. In der zweiten Runde
traf ich auf Bartosz Soćko, der in der Endabrechnung Vize-Meister wurde. Ich
spielte mit Schwarz, doch Soćko behandelte die Eröffnung ungenau und ich konnte
sofort in großen Vorteil kommen, der mir dann schließlich das bessere Ende,
sprich den Sieg, ließ. Einen besseren Beginn konnte ich mir gar nicht
erträumen, plötzlich befand ich mich selbst in der Rolle eines Favoriten. Aber
ich wurde nicht allzu nervös, da dies erst der Anfang des Turniers war und sich
alles noch ändern konnte.
In der 3.
Runde gewann ich ziemlich sicher gegen Moranda, einen der
schwächeren Turnierteilnehmer. In der 4. Runde spielte ich ein schnelles Remis
gegen Robert Kempiński, den Hauptkandidaten auf den Titel. Man könnte dies als
ein taktisches Vorgehen betrachten, wir wollten unsere Kräfte schonen um sie in
den nächsten Runden zu gebrauchen. Für mich zahlte sich das aus, denn ich
gewann die beiden folgenden Partien gegen schwächere Teilnehmer: in Runde 5
schlug ich Szeląg, in Runde 6 Czarnota.
In der 7. Runde remisierte ich mit Grabarczyk und ich führte mit einem Punkt
Vorsprung vor dem freien Tag.
Von diesem Moment an begann ich schwächer
zu spielen. Ich glaube, dass es der Stress war und daß ich begann, den Druck zu
spüren. Am freien Tag habe ich beschlossen, mich nicht mit Schach zu
beschäftigen sondern habe mir Poznań angeschaut und ging abends ins Kino.
Leider hat mich dieser freie Tag aber komplett aus dem Rhythmus geworfen und
ich fing an schwach zu spielen. In den nächsten 4 Runden 4 unentschieden. Auch
wenn die Gegner keineswegs schwach waren, erhoffte ich mir doch ein besseres
Ergebnis.
Ich wurde eingeholt und lag zwei Runden vor
Schluss auf dem geteilten ersten bis dritten Platz mit Kempiński und Mitoń.
Meine Situation war vor allem darum schwer, weil ich mich zum Ende schon
ziemlich müde fühlte. Ich sagte mir, dass ich schon viel erreicht habe und es
jetzt nur noch besser werden kann. In der vorletzten Runde gewann ich eine gute
Partie gegen Klaudiusz Urban, einen früheren Polnischen Meister, der aber in
diesem Jahr nicht in guter Form war. Vor der letzten Runde führte ich mit einem
halben Punkt Vorsprung auf Kempiński und Soćko. In der Schlussrunde traf ich
auf Kamil Mitoń, einen Spieler von dem ich wusste, daß er sehr stark ist. Nur
ein Sieg bedeutete Gold, bei einem Remis wäre ich Dritter. Die Partie selbst
war wechselhaft und nicht auf allzu hohem Niveau, hauptsächlich natürlich wegen
ihrer entscheidenden Bedeutung. Nach einer sehr nervösen und schwierigen Partie
gelang es mir um 16.15 Uhr zu gewinnen.
Frage: Zu Dir privat - Wo wohnst du?
Wojtaszek: Ich wohne mit meiner Familie
(Vater, Mutter und Schwester) in Kwidzyn, einer Stadt mit 40.
000 Einwohnern im Norden Polens.
Frage: Ist das deine Geburtsstadt?
Wojtaszek: Nein, ich kam am 13.01.1987 in
Elbląg, 80 km von Kwidzyn, zur Welt.
Frage: Was, außer Schach, beschäftigt
dich sonst?
Wojtaszek: Außer Schach interessieren mich
Informatik und Geschichte. Außerdem bin ich gerne mit Freunden zusammen und
liebe es Basketball und Tennis zu spielen
Frage: Du bist noch Schüler, was hast du
(außer Schachspielen) später einmal vor?
Wojtaszek: Nächstes Jahr mache ich mein
Abitur, danach entscheide ich, was ich studieren werde. Am wahrscheinlichsten
ist, daß ich ein Studium auswähle, das mit Informatik verbunden ist.
Frage: Wann hast du mit Schach begonnen?
Wojtaszek: Den ersten Kontakt hatte ich
als 4-Jähriger. Mein Vater und mein Großvater haben mir Schach beigebracht. Als
ich 5 Jahre alt war, brachten die beiden mich in einen Klub gebracht und seit
dieser Zeit spiele ich Turniere.
Frage: Artur Jakubiec ist dein Trainer.
Wie finanzierst du ihn? Hast du einen Sponsor oder
kommst du privat auf?
Wojtaszek: Ich werde vom Polnischen
Schachverband unterstützt, außerdem hilft mir auch mein Klub PTSz Płock.
Frage: Wieviel Zeit verbringst du
täglich mit Schach?
Wojtaszek: Das hängt davon ab, wieviel
Zeit ich Schach widmen kann. Viel Zeit nehmen Verpflichtungen, wie z. B. die
Schule, in Anspruch. Aber ich versuche, auf 15-20 Stunden wöchentlich am Schach
zu arbeiten.
Frage. Was waren deine größten Erfolge
und wo hast du deine Normen gemacht?
Wojtaszek: Mein größter Erfolg ist
sicherlich die Landesmeisterschaft zusammen mit den Siegen bei der U18 WM und
U18 EM 2004. Großmeisternormen machte ich bei der Jugend-WM, in Cappelle la
Grande 2004 und bei der Landesmeisterschaft 2005.
Frage: Du hast also alle Normen
beisammen, wann bekommst du den Titel verliehen?
Wojtaszek: Auf dem nächsten FIDE-Kongreß.
Frage: Du spielst für PTSz Płock In
welcher Liga spielt der Klub und wie stark ist er?
Wojtaszek: PTSz Płock ist momentan der
beste polnische Klub unter den Junioren, und die Nr. 4 bei den Senioren.
Frage: Spielst du auch in ausländischen
Klubs?
Wojtaszek: Ja, diese Saison habe ich in
der tschechischen Liga gespielt. In der nächsten Saison werde ich in der
spanischen und französischen Liga spielen.
Frage: Was sind deine nächsten Turniere?
Wojtaszek: Das nächste sichere Turnier ist
die Europameisterschaft in Warschau. Ansonsten habe ich für die kommenden
Monate keine speziellen Pläne.
ChessBase: Vielen Dank für das Gespräch.