Stefan-Zweig-Ausstellung in München

von Stefan Löffler
24.08.2015 – Der Österreicher Stefan Zweig war einst einer der meist gelesenen Autoren weltweit. Als Jude floh er vor den Nazis bis nach Brasilien. Aus Verzweiflung über "die Zerstörung seiner geistigen Heimat Europa" nahm er sich 1942 dort das Leben. Zuvor hatte er noch mit der Schachnovelle eine Art "Abschiedsbrief" verfasst. In München wurde Zweig Werk im Literaturhaus mit einer Ausstellung gewürdigt. Mehr...

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In einer Extremsituation kann Schach die Rettung sein. Der Rückkehr in ein normales Leben steht dieses gefährliche Spiel jedoch im Weg, und wer einsichtig ist, lässt die Finger davon. So lässt sich die kurze aber intensive Schachperiode von Dr. B, dem traurigen Helden der „Schachnovelle“, zusammenfassen. In Isolationshaft, sein einziger Kontakt sind Verhöre durch die Gestapo, ist Dr. B dem Wahnsinn nah, als ihm eine Sammlung von Meisterpartien in die Hände fällt. Die Meisterpartien werden zur einzigen geistigen Nahrung. Dr. B verschlingt sie regelrecht. Erst spielt er die Züge mit aus Brosamen geformten Figuren auf den Karos seiner Bettwäsche nach, dann weiter in seinem Kopf.

Das Plakat zur Ausstellung (Gestaltung unodue): Stefan Zweig auf seiner ersten Brasilienreise, 1936 © Stefan Zweig Centre Salzburg

Soweit könnte man als Schachspieler mit der Schachnovelle leben, hätte sich Stefan Zweig nicht noch allerhand herausgenommen: Nach seiner Entlassung darf Dr. B die Reise ins Exil antreten. Auf dem Ozeandampfer begegnet er dem Schachweltmeister Centovic und zeigt sich ihm am Brett ebenbürtig. Allein das Studium der Meisterpartien hat Dr. B anscheinend zu höchster Meisterschaft geführt. Der Weltmeister ist kein vornehmer Repräsentant des Spiels, sondern entpuppt sich als eingebildeter Tölpel, der nichts kann außer Schach. Und nicht einmal das kann Centovic richtig. Zum Blindspiel ist der Weltmeister nicht fähig - im Gegensatz zu Dr. B.

Foto: Juliane Krohn

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Foto: Juliana Krohn

Dass das Unfug ist, wird in der Schau im Münchner Literaturhaus natürlich nicht einmal angedeutet. Ihr Macher Klemens Remoldner, der Leiter des Salzburger Stefan-Zweig-Archivs, lässt auf seinen Helden nichts kommen. Ohne „Die Schachnovelle“ müsste er wohl einer anderen Arbeit nachgehen und hätte es auch die Ausstellung, die vorher schon im Wiener Theatermuseum gezeigt wurde, nicht gegeben. Zumindest nicht in dieser Inszenierung: In ihrem Zentrum steht ein Nachbau des Hotels Metropol, das die Gestapo zu ihrem Wiener Hauptquartier machte und das Zweig für die Einkerkerung von Dr. B vor Augen hatte. An einer Seitenwand hängen schwarze Gestapo-Ledermäntel. Es wimmelt von Fotos von Ozeandampfern mit oder ohne Zweig darauf. Das einzige bewegte Bildmaterial sind Ausschnitte aus der wohlbekannten Verfilmung mit Curd Jürgens als Dr. B und Mario Adorf als Centovic.

Spannender sind eigentlich die vielen Korrespondenzen, die Zweig mit anderen Schriftstellern führte, und seine Begeisterung für Brasilien, das er 1936 das erste Mal besuchte und das ihn und seine Frau Lotte 1940 auf der Flucht vor den Nazis gerne aufnahm. Aus Dankbarkeit schrieb Zweig unter dem Titel „Ein Land der Zukunft“ eine Eloge auf Brasilien. Er verfasste dort seine Memoiren „Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“ und schließlich „Die Schachnovelle“.

Stefan Zweig war im Exil also hochproduktiv. Er hatte eine attraktive, dreißig Jahre jüngere Frau. Sie bewohnten eine Villa in Petropolis, einem für sein angenehm mildes Klima geschätzten Städtchen in den Bergen hinter Sao Paolo. Und sie waren willkommene Gäste. Die wenigsten Flüchtlinge hatten es so gut getroffen. Doch einen Tag, nachdem Zweig die Manuskripte für die spanische, englische und deutsche Ausgabe der „Schachnovelle“ in der Post aufgegeben hatte, begingen er und seine Frau Lotte Selbstmord. Glücklich hat das Buch offenbar auch seinen Verfasser nicht gemacht.



Stefan Zweigs Villa in Persepolis, © Casa Stefan Zweig, Petrópolis



Ein symbolischer Rückzug: Kritische Anmerkungen zu Stefan Zweigs „Schachnovelle“ (Johannes Fischer)...

Literaturhaus München, Stefan Zweig...

Zweigschau im im Wiener Theatermuseum...
 

 


Stefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.

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