Theory to go

von ChessBase
09.07.2015 – Wie oft kommen Sie dazu, an Ihrem Eröffnungsrepertoire zu basteln? Vermutlich viel seltener, als Sie das eigentlich möchten. Holger Blauhut von charlatan.de geht das auch so. Kürzlich ist er auf die Reihe "60 minutes" gestoßen: Videotraining mit Repertoireideen im Minutentakt und gut einplanbarer Gesamtspielzeit. Heute stellt er Ihnen IM Lilovs Empfehlungen gegen die Damenbauernspiele vor. Mehr...

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Valeri Lilov: How to fight the Queen's Pawn Openings

Rezension von Holger Blauhut

Wie viel Schach kann man in 60 Minuten lernen bzw. vermitteln? Da ich (viel zu) wenig Zeit für das Schachtraining habe, mich aber hier und da doch noch verbessern möchte, gefällt mir die Idee der 60-Minuten-Serie sehr gut. Ich war sehr gespannt, ob das funktionieren kann und welche Themen sich in so kurzer Zeit abhandeln lassen.

Als Erstes habe ich mir „Ein giftiges Repertoire gegen die Aljechin-Verteidigung“ von Luther/Jordan angesehen, das hier bereits besprochen wurde. Thomas Luther schlägt nach 1.e4 Sf6 2.e5 Sd4 3.d4 d6 den Zug 4.Lc4 vor, und die 60 Minuten reichen aus, um die wichtigsten Ideen und Varianten zu diesem Zug zu zeigen. Wie ich schnell feststellte, reicht die Zeit – zumindest bei mir – nicht aus, um sich den Inhalt des Videos auch zu merken. Gleich beim ersten Versuch geriet ich in Nachteil, weil ich die korrekte Zugreihenfolge nicht mehr parat hatte.

Als nächstes habe ich mir „How to fight the Queen’s Pawn Openings“ von Valeri Lilov angesehen. Mit dem Download erhält man neben Intro und Outro sechs Videos á zehn Minuten zu den Themen Londoner System, Torre-Angriff, Colle-System, Trompowsky-Angriff, Katalanisch und Diversen Varianten.

Im Londoner System entwickelt Weiß seinen Läufer nach f4, um das Feld e5 zu kontrollieren. Lilov schlägt für Schwarz vor, sofort dagegenzuhalten und sich mit e6 und Ld6 zu entwickeln. Nach 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.Lf4 e6 4.e3 Ld6 kann Weiß zwischen einigen Fortsetzungen wählen: 5.Lg3, 5.Ld3, 5.Lxd6, 5.Se5, aber für alle diese Fortsetzungen zeigt Lilov einen gesunden Aufbau für Schwarz, der oft mit den Zügen c5, Sc6 und De7 oder Dc7 beginnt.

Der Torre-Angriff entsteht durch die Zugfolge 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.Lg5 und ist laut Lilov nicht besonders gefährlich, wenn Schwarz korrekt spielt. Vermutlich ist kaum eine Eröffnung gefährlich, wenn Schwarz korrekt spielt. Im Videoclip schlägt der Großmeister zwei Spielweisen vor. 3…Sbd7 gefolgt von g6, Lg7 und 0-0 ist eine solide, positionelle Antwort auf den Torre-Angriff. Schwarz steht aber auch eine aggressivere Antwort zur Verfügung. Mit 3…Se4 wird der Springer auf ein gutes Feld gezogen und gleichzeitig wird Weiß gezwungen, mit dem Läufer noch einmal zu ziehen. Nach 4.Lf4 c5 4.e3 spielt Schwarz 4…Db6 mit Druck gegen b2 und d4.

Gegen das Colle-System, welches nach 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 entsteht, versuchte ich bisher immer, die Kontrolle über das Feld e5 zu behalten. Valeri Lilov schlägt in seinem Video vor, dass sich Schwarz lieber um das Feld e4 kümmern soll, da es besonders wichtig für Weiß in dieser Eröffnung ist. Wenige Tage nachdem ich das Video gesehen hatte, bekam ich die Möglichkeit, Lilovs Vorschlag in einem Blitzturnier auszuprobieren und der Aufbau mit b6, Lb7 gefolgt von Se4 brachte mir tatsächlich einen Sieg gegen einen Spieler mit ELO 2250. Die Zugfolge kann so aussehen: 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 Ld6 5.0-0 b6 6.Sbd2 Lb7 7.Se5 0-0 8.f4 Se4.

Der Zug 8…Se4 verstellt dem Läufer den Weg nach h7 und räumt das Feld f6,
auf dem bald ein Bauer auftaucht, um den Springer von e5 zu vertreiben.

Der Trompowsky-Angriff entsteht nach den Zügen 1.d4 Sf6 2.Lg5. Das Spiel von Schwarz gegen Trompowsky sieht aus wie eine Mischung aus den vorher gesehenen Varianten. Schwarz spielt 2…Se4 gefolgt von d5, e6, Ld6, 0-0. Im Clip wird auch ein frühes f3 von Weiß ausführlich behandelt. Der Springer von e4 findet in diesem Fall seinen Platz via d6 auf f5.

Valeri Lilov zeigt gegen Katalanisch (1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.g3 e6 4.Lg2 Le7 5.c4 0-0 6.0-0) eine Variante, die die Hauptvariante 6…dxc4 und damit Unmengen von Theorie vermeidet. Sein Vorschlag 6…c6 ist weder eine Widerlegung der Eröffnung noch besonders brillant, aber eine solide Variante, bei der man mit wenig Theoriewissen auskommt. Es geht weiter mit 7.Dc2 Sbd7 8.Sbd2 b6, und nach 9.e4 ist Lb7 die Empfehlung, wenn auch d5xc4 spielbar ist.

Im letzten Clip zeigt Lilov, wie man mit Schwarz am besten auf einige Nebenvarianten reagiert. So spielt man zum Beispiel gegen den Stonewellaufbau ähnlich wie gegen das Colle-System mit b6, Lb7 und Se4. Behandelt werden ebenfalls 1.d4 d5 2.Lg5 und 1.d4 d5 2.Sc3 sowie das Blackmar-Diemer-Gambit. Bei diesem Gambit empfiehlt Valeri Lilov nach 1.d4 d5 2.e4 dxe4 3.Sc3 den Zug 3…e5. Die Clips sind gute Wegweiser durch die Damenbauernspiele, vermitteln die wichtigsten Ideen in den einzelnen Varianten und lenken das eigene Training in die richtige Richtung. Aber noch mehr als beim Aljechinvideo ist hier eigene Nacharbeit gefragt.

Für mich haben die beiden 60-Minuten-Videos überraschend gut funktioniert, und ich kann diese Serie besonders für Schachspieler mit begrenzter Freizeit empfehlen.  

Valeri Lilov:
How to fight the Queen's Pawn Openings

• Trainings-Videos: 60 Minuten (Englisch)

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