Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
Wer war Severin From,
Erfinder von Froms Gambit?
Interview mit seinem Biografen Claus Olsen
Von Dr. René Gralla
Beinahe
wäre er ein zweiter Hans Christian Andersen geworden. Der 17-jährige träumt
von einer literarischen Karriere und bittet den schon zu Lebzeiten gefeierten
Märchenerzähler in einem Brief um Hilfe. Seine wirkliche Bestimmung aber
findet Severin From (1828-1895), der hauptberuflich in der dänischen
Justizverwaltung arbeitet, im Reich der 64 Felder: Der verhinderte
Verseschmied kreiert "Froms Gambit", einen frühen Konter aus der Rückhand für
coole Figurenzocker. Die bis heute beliebte Überfallvariante wird vor 145
Jahren erstmals in der "Deutschen Schachzeitung" vorgestellt. Der Historiker
CLAUS OLSEN (53) aus Kopenhagen hat über seinen Landsmann eine Biographie in
dänischer Sprache geschrieben mit dem Titel: "Skakspilleren Severin From
1828-95". OLSEN, der hinter den Kulissen den diesjährigen "Politikens Cup
2007" organisieren half, kann dem Autor DR. RENÉ GRALLA bisher unbekannte
Details berichten.
DR. RENÉ GRALLA: Welche
Verbindung gibt es zwischen Hans Christian Andersen und der modernen
Schachgeschichte?
CLAUS OLSEN: Wenigstens
indirekt hat Andersen, der persönlich kein Spieler war, eine gewisse Bedeutung
für das Schach. Indem Andersen während der Jahre 1845 bis 1848 den Lebenslauf
eines zukünftigen Schachmeisters beeinflusst hat: Das ist der seinerzeit noch
junge Martin Severin Janus From, der später ein bekannter Name in der
Schachwelt werden soll, indem er eine chancenreiche Gambiteröffnung erfindet.
Mit den Anfangszügen 1.f4 e5
DR. R.GRALLA: Hätte From
als Poet den Durchbruch geschafft, wäre die Eröffnungstheorie im Schach
womöglich um eine wichtige Opfervariante ärmer?
C.OLSEN: Severin From - er
selber bevorzugte die Kurzform seines Namens - wuchs auf in der dänischen
Kleinstadt Nakskov auf der Insel Lolland und war ein tüchtiger Schüler. Aber
sein Vater war ein armer Maurer, der dem Sohn kein Studium finanzieren konnte.
Severin sollte stattdessen Handelslehrling werden. Severin, der viel las,
begann jedoch, die Texte der aufblühenden dänischen Romantik förmlich zu
verschlingen, die Bücher lieh er beim örtlichen Pfarrer aus. So verfiel
Severin auf den Gedanken, selber ein Dichter werden zu wollen, und er wandte
sich Hilfe suchend 1845 an den berühmten Hans Christian Andersen. Der
Angesprochene
war allerdings kein wohlhabender Mann, und Andersen empfahl Severin weiter an
den Geheimen Konferenzrat Jonas Collin, einen Mäzen. Collin erkannte Froms
Begabung und half ihm, die Lateinschule zu besuchen. Wäre es Severin auf
diese Weise gelungen, Schriftsteller zu werden, dann hätten Sie vermutlich
Recht: "Froms" Gambit würde mit aller Wahrscheinlichkeit einen anderen Namen
tragen. Oder wäre vielleicht nicht einmal entdeckt worden.
DR. R.GRALLA: Allerdings
brach From die Ausbildung ab und begrub seine künstlerischen Ambitionen.
Warum?
C.OLSEN: Sein wirklicher
Wunsch war es nun mal, ein Dichter zu sein - und nicht die klassischen oder
andere Sprachen zu lernen. So verließ er die Lateinschule bereits nach einem
Jahr. Es gibt viele künstlerische Talente, die nie Künstler werden, zum
Beispiel, wenn sie eine Familie gründen und Arbeit bekommen. So ist es auch
From ergangen.
DR.
R.GRALLA: Stattdessen wandte sich From dem Schachspiel zu.
C. OLSEN: 1851 traf er
Magnus Oscar Møllerstrøm, den stärksten Spieler Kopenhagens. Beide waren zu
der Zeit Angestellte im dänischen Reichstag. Møllerstrøm hat From an Schach
herangeführt. Und auf diese Weise fand From eine neue Möglichkeit, seine
Kreativität zu entfalten.
DR. R.GRALLA: Hatte Schach
womöglich Schuld daran, dass From seine künstlerischen Ambitionen begrub?
C.OLSEN: Das glaube ich
nicht. Die künstlerischen Ambitionen waren schon verflogen, bevor From
Schachspieler wurde.
DR. R.GRALLA: In diesem
Zusammenhang eine persönliche Zwischenfrage: Was motiviert einen Historiker
wie Sie, Herr Olsen, eine Biographie über den Schachspieler Severin From zu
schreiben?
C.OLSEN: Ich selber bin
aktiver Schachspieler, entsprechend kenne ich natürlich das Gambit 1.f4 e5 und
den Namen From. Außerdem hatte ich die Jubiläumsschrift zum 100-jährigen
Bestehen des Kopenhagener Schachvereins gelesen. Der wichtigste Grund war
jedoch, dass ich 1997 in der Handschriftensammlung der Königlichen Dänischen
Bibliothek in Kopenhagen vier interessante Briefe fand, die From an Hans
Christian Andersen und an Jonas Collin geschrieben hatte: eine Korrespondenz,
die in der Schachwelt bis dahin völlig unbekannt gewesen war.
DR. R.GRALLA: From war
einer der Iniatoren, die den „Københavns Skakforening“ 1865 gegründet haben.
Wie ist es dazu gekommen?
C.OLSEN: Ein älterer
Schachverein, der zuvor in Kopenhagen bestanden hatte, wurde 1847 zur Aufgabe
gezwungen wegen einer Steuer, die von den Behörden dem Verein auferlegt worden
war. Mit dem Inkrafttreten des Grundlov von 1849, der freiheitlichen dänischen
Verfassung mit ihrem Katalog grundlegender Bürgerrechte, wurde auch die
Vereinigungsfreiheit garantiert. Damit war die Grundlage geschaffen worden für
die Gründung eines neuen Schachvereins, aber vor 1865 hatte niemand
ausreichende Autorität und Charisma, um die stärksten Schachspieler des
Königreiches zusammenzubringen unter dem Dach eines Vereins.
DR. R.GRALLA: Kann From,
der zum ersten Vorsitzenden des „Københavns Skakforening“ gewählt wurde, als
Gründervater des modernen Schachs in Dänemark bezeichnet werden?
C.OLSEN: Damit wäre seine
Rolle wohl überbewertet. From war aber in den 60-er Jahren des 19.
Jahrhunderts der führende dänische Spieler, deshalb lag es nahe, ihn zum
Vorsitzenden zu wählen. Er hat das Amt ausgeübt bis 1873.
DR. R.GRALLA: Gleichzeitig
soll auch der preußische Gesandte Tassilo von Heydebrand und der Lasa, der die
deutsche Macht ab 1865 in Kopenhagen repräsentierte, die Formierung der
dänischen Schachszene inspiriert haben.
C.OLSEN: Wie erwähnt, war
es vor 1865 nicht gelungen, in Kopenhagen einen neuen Verein zu gründen. Die
Schachfans trafen sich in Cafés und Gasthäusern. Aber als ein so berühmter
Schachspieler wie Tassilo von Heydebrand und der Lasa, der das Standardwerk
"Handbuch des Schachspiels" nach einem Konzept des Berliners Paul Rudolph von
Bilguer 1843 erstmals veröffentlicht hatte, für längere Zeit Aufenthalt in
Dänemark nahm, setzte sich die allgemeine Ansicht durch, dass nun die
Konstituierung eines ordentlichen Verein ernsthaft notwendig geworden war,
sofern man mit Tassilo von Heydebrand und der Lasa in Verbindung treten
wollte. Folgerichtig wurde „Københavns Skakforening“ 1865 gegründet, als
ältester Schachverein in Dänemark.
DR. R.GRALLA: Hat Tassilo
von Heydebrand und der Lasa auch die Entwicklung von From als Schachspieler
beeinflusst?
C.OLSEN: From war 37 Jahre
alt und spielerisch schon ausgereift, als er Tassilo von Heydebrand und der
Lasa traf. Ich meine deshalb nicht, dass Tassilo von Heydebrand und der Lasa
Einfluss auf die spielerische Performance von From hatte. Vom theoretischen
Wissen des Mannes, der den damals bereits legendären "Bilguer" herausgegeben
hatte, dürften jedoch die jüngeren Mitglieder in „Københavns Skakforening“
sicher profitiert haben. Außerdem verfügte Tassilo von Heydebrand und der Lasa
über eine große Schachbibliothek - die sich heute in Polen befindet - , und
auch diese Bibliothek hatte Bedeutung für die Vereinsmitglieder.
DR. R.GRALLA: Tassilo von
Heydebrand und der Lasa und Severin From sind auch am Brett gegeneinander
angetreten? Die Bilanz des Leistungsvergleichs?
C.OLSEN: Die Hauptquelle
für diese Zeit ist die „Nordisk Skaktidende“, übersetzt: die "Nordische
Schachzeitung", eine Monatschrift, die von 1873 bis 1881 erschien. Sie hat 11
Partien abgedruckt, die Tassilo von Heydebrand und der Lasa gespielt hat:
sieben Siege und vier Niederlagen. Darunter sind vier Begegnungen mit Severin
From, beide haben je zwei Partien gewonnen und verloren. Ob diese
Dokumentation abschließend ist, weiß ich aber nicht.
DR. R.GRALLA: Wie war es
eigentlich möglich, dass Tassilo von Heydebrand und der Lasa nach seiner
Ankunft in Kopenhagen derartigen Einfluss auf die Entwicklung des dänischen
Schachlebens nehmen konnte? Obwohl der Preuße doch exponierter Repräsentant
jener Siegermacht war, die ein Jahr zuvor im Bündnis mit Österreich das
Königreich Dänemark gedemütigt hatte - nämlich im Krieg 1864, der mit dem für
Dänemark bitteren Verlust von Schleswig endete, inklusive Nordschleswig bis
zur Kongeå südlich von Kolding. Gab es von dänischer Seite keine
nationalistischen Ressentiments gegen Tassilo von Heydebrand und der Lasa?
C.OLSEN: Unter Dänen, die
sich nicht für Schach interessierten und die in Tassilo von Heydebrand und der
Lasa allein den Vertreter Preußens sahen, hat er gewiss „kalte Luft“ gespürt.
Der
Fall der Schanzen bei Düppel besiegelte Dänemarks Niederlage im Krieg 1864.
DR. R.GRALLA: Ansonsten
haben in der dänischen Schachszene derartige Ressentiments offenbar keine
Rolle gespielt? Wo man Politik außen vor ließ und Tassilo von Heydebrand und
der Lasa einfach nur als wichtigen Theoretiker schätzte?
C.OLSEN: Ja, für die
dänischen Schachspieler, die den "Bilguer" kannten, war er zunächst und in
erster Linie eine bedeutende Schachpersönlichkeit und ein starker Spieler.
Übrigens hatte Tassilo von Heydebrand und der Lasa schon in den 1840-er Jahren
mehrmals während der Durchreise nach Schweden, wo an der preußischen Botschaft
tätig war, Kopenhagen besucht und mit den lokalen Schachenthusiasten gespielt.
DR. R.GRALLA: Liegt aber
nicht auf jeden Fall eine gewisse Ironie in dem Umstand begründet, dass mit
Tassilo von Heydebrand und der Lasa ausgerechnet ein Mann aus dem für
aufrechte Dänen verhassten Preußen, das über das skandinavische Königreich
1864 triumphiert hatte, zum Geburtshelfer des modernen Schachs in Dänemark
werden sollte?
C.OLSEN: Ich glaube nicht,
dass diese Ironie für die Zeitgenossen erkennbar war. Abgesehen davon hätte
sich das Schach in Dänemark auch ohne Tassilo von Heydebrand und der Lasa
positiv entwickelt, so wie in den meisten europäischen Ländern zu dieser Zeit.
Andererseits ist aber auch richtig, dass die 1870-er Jahre eine gute Periode
für das Schach in Dänemark waren, während das folgende Jahrzehnt – nachdem
Tassilo von Heydebrand und der Lasa unser Land verlassen hatte – zu einer eher
stillen Periode werden sollte. In den 1890-er Jahren hat das dänische Schach
dann aber wieder einen neuen Aufschwung genommen.
DR. R.GRALLA: Gegen die
Schleswig-Holsteiner kämpfte From 1849 in einem Krieg, den am Ende die Dänen
gewannen. 16 Jahre später wird der Gesandte Preußens - sprich: einer anderen
deutschen Macht - in Gestalt des Tassilo von Heydebrand und der Lasa zum
Mentor der dänischen Schachgemeinde. Hat From, der Veteran von 1849, das
vielleicht als ganz persönliche Ironie empfunden?
C. OLSEN: Keine leichte
Frage. Ich glaube aber, dass From im Stande war zu unterscheiden zwischen
seinen nationalen Gefühlen und Beziehungen zu Personen.
DR. R.GRALLA: Die
"Deutsche Schachzeitung" vermeldet in der Ausgabe für Juli und August 1862
eine Partie, in der From zum ersten Mal erfolgreich sein Gambit ausprobiert
gegen Magnus Oscar Møllerstrøm. Wie ist From auf die Idee verfallen, sofort im
ersten Zug als Schwarzer gegen den mit 1.f2-f4 ... vorpreschenden rechten
Flankenmann der weißen Königsgarde den wichtigen eigenen Zentralsoldaten auf
das Selbstmordkommando 1. ... e7-e5 zu schicken?
C.OLSEN: Wie gesagt war
Magnus Oscar Møllerstrøm seit 1851 der Lehrmeister Froms. Allmählich jedoch
wurde From der Stärkere: Er war sehr kombinatorisch veranlagt, während
Møllerstrøm ein positioneller Spieler war. Møllerstrøm nahm aber an, dass er
in einer Fernpartie, die ihm genügend Zeit für Berechnungen ließ, gegen From
noch gewinnen könnte, wenn er eine geschlossene positionelle Eröffnung wählte.
In besagter Korrespondenzpartie begann Møllerstrøm dann mit 1.f2-f4 ... wurde
jedoch von der ihm unbekannten Antwort 1. ... e7-e5 vollständig überrascht.
Nach den Folgezügen 2.fxe5 d6 3.exd6 Lxd6 hatte From für den Preis eines
Bauern eine offene Stellung mit vielen kombinatorischen Möglichkeiten
herbeigeführt, und nach 21 Zügen gewann From. Als Søren Anton Sørensen, ein
junger Offizier aus Jütland und Korrespondent der "Deutschen Schachzeitung",
1862 nach Kopenhagen kam und von der denkwürdigen Partie erfuhr, hat er
darüber einen kleinen Artikel geschrieben und an die Redaktion in Berlin
geschickt.
DR. R.GRALLA: Die erste
aufgezeichnete Begegnung, in der die Methode des später als "Froms Gambit"
bezeichneten Opferspiels demonstriert wird, ist allerdings 60 Jahre älter als
die Begegnung zwischen Magnus Oscar Møllerstrøm und Severin From. Die
Vorgängerpartie hat als Schwarzer gewonnen ein gewisser Monsieur Du Mont in
Paris, und zwar vermutlich im Jahr 1802 gegen einen Unbekannten, die Datenbank
bei
www.chessbase.de hat nur ein NN registriert. Überliefert ist das Kurzduell
mit 1.f4 e5 2.fxe5 d6 3.exd6 Lxd6 4.g3 Dg5 5.Sf3?? Dxg3+! 6.hxg3 Lxg3#. Ist es
möglich, dass From diese Partie kannte? Oder ist er unabhängig von Du Monts
Idee 1.f4 e5 auf denselben Opferplan gekommen?
C.OLSEN: Die dänischen
Schachspieler verfolgten intensiv, was in Deutschland geschah. Auch die
Entwicklung in England wurde beobachtet, während Frankreich außerhalb des
Blickfeldes lag. Und From hatte sowieso kein großes Interesse für die
allgemeine Eröffnungstheorie; ich halte es für unmöglich, dass er eine 60
Jahre alte französische Partie kannte.
DR. R.GRALLA: Froms Gambit
ist mutig, zumal sich, jedenfalls nach dem ursprünglichen Plan, ohne weitere
Vorbereitung ein Ausfall der linken schwarzen Schwadron gegen die rechte weiße
Flanke anschließt. Typisch für den Ex-Soldaten From, dem im Gefecht schon mal
mehrere Kugeln den Uniformrock durchlöchert haben?
In der
Schlacht bei Fredericia 1849 durchlöcherten mehrere Kugeln seine Uniform.
Aber die Schachgöttin hatte mit dem Kriegsfreiwilligen Severin From anderes
vor,
er fing sich bloß ein paar harmlose Kratzer ein.
C.OLSEN: Im
schleswig-holsteinischen Krieg von 1848 bis 1851 meldete sich From 1849 als
Freiwilliger und nahm an der Schlacht von Fredericia teil. Bald darauf schloss
sich aber ein - zeitweiliger - Waffenstillstand an, und From wurde
demobilisiert. Ich halte es für übertrieben, eine Verbindung zwischen Froms
kurzer Militärzeit und seinem Gambit herzustellen. Sicher, From war ein
aggressiver Gambitspieler wie so viele andere in der Mitte des
19.Jahrhunderts. Doch das Königsgambit gefiel ihm nicht, er hatte den f-Bauern
und seine eigene Königsstellung viel zu lieb. Aber ein Gambit auf dem
Damenflügel wandte er sehr gerne an, zum Beispiel 1.e4 e5 2.d4 exd4 3.c3 dxc3
4.Lc4 cxb2 5.Lxb2 ... undsofort.
DR.
R.GRALLA: Zu den 20 besten Spielern weltweit zählte 1870 auch Severin From,
seine historische ELO-Zahl betrug 2427. Und From ist der einzige Däne, der
sich zweimal mit Wilhelm Steinitz gemessen hat, dem ersten Weltmeister der
Schachgeschichte. Das war 1867 im Turnier anlässlich der Weltausstellung von
Paris: eine Begegnung auf Augenhöhe?
C.OLSEN: Steinitz war
Berufsschachspieler, From war Amateur. Steinitz gewann beide Partien ohne
große Schwierigkeiten.
DR. R.GRALLA: Überhaupt
hat sich From bei dem Turnier schwer getan. Einige Partien hat er regelrecht
verpatzt, so gegen den Spanier Golmayo. Gegen Polens aufstrebenden Star Szymon
Winawer, der in Paris zum ersten Mal die internationale Turnierbühne betrat
und hinter Baron Ignaz von Kolisch auf Anhieb den zweiten Preis gewann, hatte
From zunächst vorne gelegen, verdarb aber trotzdem am Ende alles. Woran lag's?
C.OLSEN: From war schon
mit einem Handicap gestartet. Aus beruflichen Gründen musste From das Turnier
abbrechen und vorzeitig heimreisen, deshalb spielte er nur 16 von den
vorgesehenen 24 Partien. Von seinen 16 Partien gewann From 5 und verlor 11.
Kein imposantes Ergebnis: From war wohl doch eher der lokale „Matador“, der
die stärkeren Gegner eines internationalen Turniers nicht gewöhnt war.
Trotzdem sollte man nicht zu hart mit From ins Gericht gehen: Dass
Gewinnstellungen verloren werden, sieht man ja überall, und auch grobe
Eröffnungsfehler wegen fehlender Aufmerksamkeit sind nicht selten. Nichts
anderes ist auch From passiert.
DR. R.GRALLA: Immerhin hat
From in Paris 1867 den Franzosen Jules Arnous de Rivière zweimal geschlagen.
Rivière, Herausgeber der Schachzeitschrift "La Régence", galt seinerzeit als
Frankreichs stärkster Spieler. Außerdem zog auch der US-amerikanische
Problemkomponist Sam Loyd zweimal den Kürzeren gegen From. Wie haben
zeitgenössische Beobachter das kommentiert?
C.OLSEN: Ich habe nicht
die Möglichkeit gehabt, das Turnierbuch einzusehen. Für meine Biographie über
From habe ich mich, was Paris 1867 betrifft, auf die "Deutsche Schachzeitung"
gestützt: Da wurden viele der in Paris gespielten Partien mehr oder weniger
ausführlich kommentiert. Auch "Nordisk Skaktidende" hat einige von Froms
Partien abgedruckt, ferner sind Turnierberichte erschienen im dänischen
Wochenblatt "Illustreret Tidende", übersetzt: "Illustrierte Zeitung". Andere
Quellen kenne ich nicht. Vielleicht ist es möglich, weitere Kommentare in
französischen und amerikanischen Schriften zu finden. Aber dafür wären
schwierige und aufwändige Recherchen notwendig.
DR. R.GRALLA: Im selben
Jahr, das From nach Paris führen sollte, hat Dänemarks Nr. 1 in Kopenhagen den
Deutschen Emil Schallopp besiegt, nach dem später eine Variante im
Königsgambit benannt worden ist. Gibt es Presseberichte und Äußerungen von
From oder von anderen zu diesem Match?
C.OLSEN: Nein, nur die
Partie ist bewahrt. Leider ist das Archiv des Kopenhagener Schachvereins, das
bis zur Feier des hundertjährigen Jubiläums 1965 noch existiert hatte, in der
Zwischenzeit augenscheinlich verloren gegangen. Viele Informationen sind
verschwunden, das ist bedauerlich.
DR. R.GRALLA: From hat
nicht nur als Schachspieler Geschichte geschrieben. Er machte Karriere im
dänischen Gefängniswesen und setzte sich dort für Veränderungen ein. Was waren
seine Anliegen? Fanden Froms Reformvorschläge Gehör?
C.OLSEN: Seit 1853 war
From im dänischen Justizministerium angestellt und befasste sich hauptsächlich
mit der Verwaltung der Gefängnisse. Es wäre eine Übertreibung zu sagen, dass
er grundlegende Reformen durchzusetzen versuchte. Wenn er Verbesserungen
anregte, so gingen die nicht sehr weit; es handelte sich dann um
unspektakuläre Dinge wie Gefängnisstatistik. Im Grunde war From kein Reformer,
seine Interessen waren mehr historisch-statistisch ausgerichtet.
DR. R.GRALLA: 1890 stieg
From zum Direktor der Christianshavn Straffeanstalt in Kopenhagen auf. 1891
wurde From ernannt zum "Ridder af Dannebrog". Wegen seiner Verdienste um das
Gefängniswesen?
C.OLSEN: Die Regierung zu
dieser Zeit war konservativ, Bestrebungen für Reformen sah man nicht sehr
gern, und From ist als Veränderer nicht hervorgetreten. From wurde zum "Ridder
af Dannebrog" wohl deswegen ernannt, weil er als Staatsbeamter Jahrzehnte lang
gute Arbeit geleistet hatte.
DR. R.GRALLA: 1895 erlag
From einer schweren Krankheit ...
C.OLSEN: ... er starb an
Krebs. From hatte noch im Berufsleben gestanden und bis zu seinem Tod die
Haftanstalt geleitet. Hingegen lag die Schachkarriere schon weit hinter ihm,
die hatte er bereits um 1880 beendet.
Schon die ersten
Kommentare sind enthusiastisch. "Wir wagen zu behaupten, dass Weiss, wenn er
den Gambitbauer halten will ... , nothwendiger Weise das Spiel verlieren
muss", so vor 145 Jahren die begeisterte Prognose in der "Deutschen
Schachzeitung" in ihrer Ausgabe für die Monate Juli bis August 1862 anlässlich
einer Begegnung zwischen Magnus Oscar Møllerstrøm und Severin From, die in die
Literatur Eingang gefunden hat als Stammpartie vom später so genannten "Froms
Gambit".
Stammpartie des
Froms Gambit nachspielen...
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Die
dänischsprachige Biographie "Skakspilleren Severin From 1828-95" von Claus
Olsen (ISBN 87-986632-0-8) kann bestellt werden bei: Schach- und Münzfirma
Fruth,
www.schachundmuenzen.de (50 Seiten; 8,50 Euro)