Wolfgang Unzicker gestorben

von André Schulz
24.04.2006 – Der Münchener Schach-Großmeister und Rekordnationalspieler Wolfgang Unzicker ist tot. Er starb am 20.04.2006 im Alter von 80 Jahren während einer Urlaubsreise in Albufeira/Portugal an Herzversagen. Hauptberuflich als Jurist und bis 1990 als Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht München tätig, errang er siebenmal die deutsche Meisterschaft und vertrat die bundesdeutsche Schach-Nationalmannschaft in den Jahren 1950 bis 1982 in 386 Einsätzen an den beiden Spitzenbrettern. Er war bis zum Jahre 2000 in der 1.Bundesliga aktiv. Mit Wolfgang Unzicker verliert der deutsche Schachsport seine herausragendste Persönlichkeit. Zum Tode von Wolfgang Unzicker...

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Zum Tode von Wolfgang Unzicker

Wolfgang Unzicker wurde am 26. Juni 1925 in Pirmasens geboren. 1931 zog die Familie nach München, da sein Vater dort eine Tätigkeit als Gymnasiallehrer aufgenommen hatte. Als leidenschaftlicher Schachspieler lehrte dieser seinen Söhnen Gerhard, der am 16.Januar 1945 an der Ostfront gefallen ist, und Wolfgang ebenfalls das Spiel auf den 64 Feldern.

1939 wird Wolfgang Unzicker zu einem Lehrgang für talentierte Jugendliche eingeladen. Unter den Teilnehmern befinden sich u.a. auch Klaus Junge (Er fiel in den letzten Kriegstagen in den Harburger Bergen bei Hamburg) und die 17-jährige Edith Keller.

In einem Bericht in den Deutschen Schachblättern lobt der Übungsleiter Willi Schlage die beiden jüngsten Teilnehmer Junge und Unzicker und schreibt: "Während Junge bereits auf verschiedenen Mannschaftskämpfen gute Erfolge hatte, ist der eben 14 Jahre alte Unzicker eine wertvolle Neuentdeckung. Sein angriffslustiges, phantasievolles Spiel berechtigt für die Zukunft zu schönen Hoffnungen, zumal er für sein Alter über erstaunliche Theoriekenntnisse verfügt."

Nachdem Unzicker in den 40er Jahren mehrfach die Münchner Meisterschaft gewonnen hatte, spielt er 1946 in Regensburg sein erstes Meisterturnier mit, das er mit 6 Punkten aus 7 Runden vor Paul Tröger als Erster beenden kann. Im September des gleichen Jahres siegt er mit 14 aus 16 (!) in Augsburg. Bei der ersten deutschen Nachkriegsmeisterschaft in Weidenau wird Unzicker geteilter Fünfter.

Nach seinem Sieg bei der Deutschen Meisterschaft 1948 in Essen wird Unzicker als erster Deutscher, zusammen mit Sämisch) zu einem Turnier ins Ausland eingeladen und gewinnt dies in Luzern.

In den folgenden Jahren Jahren kann Unzicker mehrere Turniere für sich entscheiden, darunter das erste international besetzte GM-Turnier 1949 in Heidelberg.

Nachdem der Deutsche Schachbund 1950 wieder in die FIDE aufgenommen wurde, konnte eine Mannschaft an der Schacholympiade in Dubrovnik (20. August bis 10. September 1950) teilnehmen. Wolfgang Unzicker erzielt mit 14 aus 16 das beste Ergebnis am ersten Brett (zusammen mit Najdorf).


Unzicker gegen Euwe auf der Schacholympiade 1950

Im folgenden Jahr wurde Unzicker hinter Gligoric Zweiter beim Zonenturnier in Bad Pyrmont und qualifizierte sich für das Interzonenturnier in Saltsjöbaden, das er als Neunter beendet. 1955 gewinnt Unzicker das Zonenturnier in München, erreicht aber beim Interzonenturnier in Göteborg 1955 nur den 16. Rang. Beim Turnier in Buenos Aires gelang es ihm Robert Fischer zu schlagen, wenn auch auf eine nicht ganz befriedigende Weise.

"Im 12. Zug - ich traute meinen Augen nicht - fasste Fischer, der am Zuge war, seinen h-Bauern fest an, offensichtlich, um ihn zu ziehen. Nach wenigen Sekunden ließ er ihn wieder los. In diesem Augenblick zeigte Fischer vorbildliche Fairness. Da er den Bauern angefasst hatte, zog er ihn, der Regel gemäß, auch, obwohl es der Verlustzug für ihn war. Ich hatte nicht beabsichtigt, zu protestieren, falls er einen Zug mit einer anderen Figur gemacht hätte. Ich hätte ihm einen Verstoß gegen die Regel "berührt-geführt" kaum nachweisen können und außerdem widerstrebt es mir in hohem Maße, mich wegen derartiger Vorfälle an die Turnierleitung zu wenden. Fischer hat diese Partie eben auch durch seine Fairness verloren, und mir selbst hat dieser Gewinnpunkt nie Freude bereitet," erinnerte sich Unzicker.

Bei der Europa-Mannschaftsmeisterschaft im Sommer 1961 in Oberhausen erzielt Wolfgang Unzicker mit 6 aus 10 das zweitbeste Ergebnis am ersten Brett (hinter Weltmeister Botvinnik).


Botvinnik gegen Unzicker, Oberhausen 1961

Zum ersten Mal schlägt er den Weltmeister und auch den Ungarn Laszlo Szabo, der seinerzeit zu den stärksten Spielern der Welt gezählt wurde.

Nach seiner Teilnahme an der Schacholympiade 1962 in Warna nahm Wolfgang Unzicker, der als reiner Amateur berufsbedingt weniger Zeit für das Schach hatte, immer seltenerer an Einzelturnieren teil. Eines seiner besten Einzelturniere spielte er aber noch 1979, wo er in Johannesburg eine Performance von 2724 erreichte. Der Nationalmannschaft bleib Unzicker noch bis 1982 treu und brachte es ziwschen 1950 und 1982 auf 386 Einsätze, was Rekord bedeutet. In der ersten und zweiten Bundesliga war er noch bis 1999 seinen Verein aktiv.

Im vergangenen Jahr veranstalteten die Chesstigers in Mainz anlässlich seines 80sten Geburtstages ein Galaturnier, an dem sich außer dem Jubilar Boris Spassky, Anatoly Karpov und Viktor Kortschnoj beteiligten.


Unzicker und Spassky


CCM Gala: Die Partien...


Der Statistiker Jeff Sonas hat für Wolfgang Unzicker als beste historische Elozahl einen Wert von 2686 im Jahr 1960 errechnet und als beste Platzierung in der Weltrangliste den 14.Rang im Jahr 1951.

Auch neben dem Brett zeichnete sich Wolfgang Unzicker als große Persönlichkeit und ausgezeichneter Repräsentant des deutschen Schachs aus. Er war u.a. in der Lasker-Gesellschaft aktiv, wo er im letzten Jahr noch zum Ehrenmitglied ernannt wurde.


Paul Werner Wagner gratuliert Wolfgang Unzicker

Auf vielen in- und ausländischen Schachveranstaltungen war er ein willkommener Ehrengast, der alle mit seinem Charme und seiner Eloquenz zu bezaubern wusste.


Wolfgang Unzicker beim Keres Memorial in Talinn

Mit seinem Tod verliert das deutsche Schach einen der hervorragendsten Vertreter seiner Geschichte.


Wolfgang Unzicker in seinem Haus, 2001

André Schulz


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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