Schach alternativ lautet der Titel eines Büchleins von Ihnen, das kürzlich neu aufgelegt wurde. Warum braucht denn das Schach Alternativen - reicht das klassische Schach nicht aus?
Alternatives Schach erfreut sich großer Beliebtheit – zur Entspannung vom klassischen Spiel, aber auch, um den Horizont für die vielen Möglichkeiten der 32 Figuren auf ihren 64 Feldern zu erweitern. Alternatives Schach schult das strategische und taktische Gespür für eine Stellung und kann dadurch eine Hilfe auch für das klassische Spiel sein. Alternative Varianten gibt es fast in allen Sportarten. Manchmal verändert das Ausprobieren neuer Regeln auch die klassische Variante. Im Fußball z.B. hat sich das Abseits als gute Regelveränderung erwiesen und ist geblieben. Eine Zeitlang hat man es mit dem Golden Goal probiert und es dann wieder gelassen.
Lars Döring beim Politikerschachturnier (Foto: Dagobert Kohlmeyer)
Einige Schachvarianten wurden ja durchaus von namhaften Personen vorgeschlagen. Was sind die wichtigsten?
Meister, ja sogar Weltmeister, spielten gern „alternativ“ und entwickelten selbst alternative Regelsysteme. So schuf José Raúl Capablanca ein Spielsystem für ein Brett mit 80 Feldern, acht Reihen von 1-8, zehn Linien von A-J, und erfand zwei neue Figuren, den Janus und den Kanzler. Bobby Fischer entwickelte ein Spielsystem, bei dem die Grundaufstellung der Figuren ausgelost wird. Damit wollte er eingefahrene Eröffnungen überwinden und frisches und überraschendes Schach stärken. Es sind 960 Ausgangsstellungen möglich, daher wird es auch Chess960 genannt. Aljechin soll ein Meister im Doppelzugschach gewesen sein und sich regelmäßig mit anderen gemessen haben.
Welche Schachvariante ist denn die älteste überhaupt?
Wie entstehen neue Spiele? Manchmal wird auf vorhandenen Spielen oder Regeln aufgebaut. So z.B. Räuberschach, klassische Regeln, aber umgedrehtes Ziel: Nicht Figuren erobern, sondern seine eigenen möglichst schnell verlieren. Räuberschach gehört zu den ältesten Schachalternativen. Es liegt ja auch nah, einfach komplett die Regeln umzukehren.
Manchmal gibt es völlig neue Eingebungen. Atomschach z.B., wo rings um die geschlagenen Figuren alle weiteren Figuren vom Brett gesprengt werden: ein moderne Variante!
Das Buch enthält nicht nur Regeln, sondern sogar schon Strategievorschläge für die verschiedenen Alternativschachformen. Haben Sie selber alle Schachvarianten schon ausprobiert?
Der Leser bekommt nicht nur die Regeln der einzelnen Schachvarianten. Viel wichtiger sind taktische und strategische Tipps für das jeweilige Spiel. Die vielen Übungspartien bringen den Leser sofort voll in die Praxis des Spiels hinein. Ich selbst spiele alle diese Varianten selbst gerne, Räuberschach und Tandemschach sehr gerne!
Sie sind sogar Weltmeister in einer der vorgestellten Schachvarianten, dem „Türkischschach“. Wann fanden denn diese Weltmeisterschaften statt und warum hat man davon so wenig in den Medien erfahren? ;-)
Der Clou beim Türkischschach ist, dass nur die Bauern schlagen können. Sie sind ja sonst die schwächsten Figuren auf dem Brett. Hier gilt das nun für die Offiziere, und die Bauern machen Jagd auf den König. Das Spiel ist im Rheinland entstanden, im Schachverein Würselen. Vielleicht auch, weil der Ort im Dreiländereck liegt, hat man dann irgendwann eine Weltmeisterschaft daraus gemacht, denn es gab auch Niederländer und Belgier, die Spaß an der Variante hatten.
Haben Sie einen Tipp für unsere Leser: Welche Schachvariante ist die einfachste zum Lernen und welche ist die unterhaltsamste oder lustigste?
Doppelzugschach ist etwas Feines. Zwei Züge auf einmal ausführen zu können, ist purer Luxus. Das Spiel wird rasant und geradezu rabiat. Die Regeln selbst sind recht simpel. Aber auch Umwandlungsschach bringt viele Überraschungen und Spaß.
Haben Sie denn neben den vielen Alternativschachaktivitäten noch Zeit für das Normalschach? Wie ist ihr Bezug zum Normalschach?
Klassisches Schach zu spielen, macht mir trotz aller Ausflüge zu den Schachalternativen nach wie vor viel Freude. Egal ob im Verein, oder in der Kneipe ;-)
Das Interview führte André Schulz.
Lars Döring
„Schach alternativ - Neue Regeln für das Spiel der Könige“
Seitenstraßen Verlag | 2016 | 72 Seiten | 9.90 €
http://www.seitenstrassenverlag.de/