Yifan Hou - beste Frau der Welt

von André Schulz
29.01.2015 – Nach der 2. Runde beim Tradewise-Open hat sich ein denkwürdiger Moment in der Schachgeschichte ergeben. Die - gefühlt - seit Erfindung des Schachs beste Frau der Welt wurde in der Live-Eloliste überholt. Hifan Hou liegt mit 0,2 Punkten minimalst vor Judit Polgar. In Runde eins traf Hou auf einen ihr unbekannten, aber sehr starken Gegner. Mehr...

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Die beste Frau der Welt ist und war - schon immer, möchte man sagen - Judit Polgar. Wer war eigentlich vor Judit Polgar die beste Frau der Welt? Um das herauszufinden, muss man schon weit zurück gehen in der Geschichte des Schachs. Die Listen der FIDE, die online verfügbar sind, reichen zurück bis zum Jahr 2000. Und da war Judit Polgar, damals 24-jährig, auch schon längst die beste Spielerin der Welt.

Judit Polgar war die erste Spielerin, die eine Elozahl über 2600 erreichte und die erste und einzige, die auf über 2700 kam. Die jüngste der drei Polgar-Schwestern spielte sich als erste Frau in die Riege der Supergroßmeister vor und gehörte zu erweiterten Weltspitze. 2005 erreichte sie ihren Elozenit mit 2740. Schließlich bekam sie zwei Kinder, konzentrierte sie sich auf ihre Familie und konnte sich nicht mehr so ums Turnierschach kümmern wie früher. Trotzdem nahm sie ab und zu an Topturnieren teil und war immer noch in der Lage, mit ihrem erfrischenden Angriffschach praktisch jeden zu schlagen.

Mit Leichtigkeit hätte Judit Polgar Weltmeisterin werden können, denn der Abstand zwischen ihr und den übrigen Spielerinnen auf dem Planeten war gewaltig. Doch Judit Polgar ist nie in reinen Frauenwettbewerben angetreten, sondern hat immer nur in (Männer-)Turnieren mitgespielt - und dort auch ihre Elozahl geholt.

Judit Polgar ist biologische eine Frau, doch schachtechnisch - oder elotechnisch - gehört sie zur Männerwelt. Zur Zeit ist die zweifache Mutter noch mit Elo 2675 geführt. Aber auf der Schacholympiade in Tromsö, wo sie zusammen mit dem ungarischen (Männer-)Team Silber gewann, hat sie ihren Rücktritt vom Turnierschach erklärt.

Judit Polgars Eloprofil: 1990 schon mit 2550 Elo dabei

Auch Yifan Hou gewann in Tromsö die Silbermedaille - mit dem chinesischen Frauenteam. Das chinesische Wunderkind hat einen ganz anderen Karriereverlauf genommen als Judit Polgar, denn Yifan Hou ist im Frauenschach groß geworden und hat dort den Grundstein für ihre derzeitige Elo-Hausse gelegt. Erst als sie die 2600 überschritten hatte, spielte die amtierende Weltmeisterin auch mehr und mehr in Offenen - oder Männerturnieren mit, zuletzt in Wijk aan Zee und nun zum wiederholten Mal in Gibraltar.

Wer das Elosystem beobachtet, erkennt schnell, dass es unterschiedliche Elowelten gibt. Es gibt die Profiwelt, die sich mehr und mehr vom Rest in der nach oben offenen Elo-Skala abzukoppeln scheint, es gibt die Amateurwelt, es gibt die Männerwelt und die Frauenelowelt. Es gibt eine Fernschachelowelt. Und es gibt auch eine Computerelowelt.

Die Elozahlen der verschiedenen Welten sind aber nur bedingt vergleichbar. Die Eloformel hat einen eingebauten Inflationsfaktor, der dazu führt, dass die Zahlen immer größer werden, je mehr Partien gespielt werden. Und da sehr viel weniger Frauen Schach spielen und es viel weniger Frauenturniere gibt, steigen die Elozahlen in den Frauenlisten weniger schnell als in den Männerlisten, wo es viel mehr Teilnehmer gibt und mehr Turniere stattfinden. Wer also als Frau nur bei Frauenturnieren mitspielt, wird weniger schnell eine bessere Elozahlen erspielen, als jemand der häufig in Männerturnieren mitspielt. Damit soll darauf hingewiesen werden, dass Yifan Hou im Vergleich mit anderen Frauen größere Leistungen erbringen musste, um auf ihre Elozahl zu kommen, als wenn sie nur gegen Männer gespielt hätte.

 

 

Ein einziges Mal kam es zu einem direkten Aufeinandertreffen der beiden mit Abstand besten Frauen der Welt, Yifan Hou und Juidt Polgar, 2012 beim Open in Gibraltar. Yifan Hou hat die Partie, die zu ihren Gunsten verlief,  seinerzeit für das ChessBase Magazin kommentiert.

 

Hou - Polgar

 

 

 

Auch in diesem Jahr nimmt die Chinesin wieder am Tradeweise Open teil. Mit ihren beiden Auftaktsiegen hat sie nun also schon in der Live-Eloliste Judit Polgar um 0,2 Punkte überholt. Dies ist ein bemerkenswerter Moment, denn zum ersten Mal wurde die immerzu beste Frau der Welt in der Eloliste in dieser Rolle abgelöst. Natürlich ist die Zahl noch nicht offiziell. Hou muss sie bis zum 1. Februar halten, wenn die nächste offizielle Eloliste der FIDE erscheint.

Wenn die Weltmeisterin in Zukunft weiter die Gelegenheit erhält, an starken Turnieren mitzuspielen, dann wird sie sicher auch bald die 2700 Marke überklettern.

Ausschnitt Liveliste 2700

 

Die aktuelle FIDE-Eloliste vom 1. Januar 2015

Top

Rank Name Title Country Rating Games B-Year
 1  Polgar, Judit  g  HUN  2675  0  1976
 2  Hou, Yifan  g  CHN  2673  0  1994
 3  Koneru, Humpy  g  IND  2581  0  1987
 4  Dzagnidze, Nana  g  GEO  2570  0  1987
 5  Ju, Wenjun  g  CHN  2547  16  1991
 6  Muzychuk, Anna  g  UKR  2544  0  1990
 7  Gunina, Valentina  g  RUS  2538  9  1989
 8  Lagno, Kateryna  g  RUS  2530  0  1989
 9  Kosteniuk, Alexandra  g  RUS  2529  9  1984
 10  Khotenashvili, Bela  g  GEO  2526  16  1988
 11  Cmilyte, Viktorija  g  LTU  2525  0  1983
 12  Muzychuk, Mariya  m  UKR  2520  0  1992
 13  Cramling, Pia  g  SWE  2518  0  1963
 14  Stefanova, Antoaneta  g  BUL  2515  9  1979
 15  Zhao, Xue  g  CHN  2514  8  1985
 16  Harika, Dronavalli  g  IND  2496  9  1991
 17  Ruan, Lufei  wg  CHN  2491  0  1987
 18  Kosintseva, Nadezhda  g  RUS  2489  0  1985
 19  Danielian, Elina  g  ARM  2488  9  1978
 20  Tan, Zhongyi  wg  CHN  2487  7  1991

 

Mit Hous Teilnahme am Tradewise-Turnier ist noch eine weitere kleine Geschichte verbunden. In der 1. Runde traf die Weltmeisterin mit Weiß auf den FM Hans-Jörg Cordes und gewann die Partie. Wenn man sich die Partie anschaut, sieht man, dass dies keinesfalls ein müheloser Sieg war. Letztlich verlor Cordes eine stark gespielte Partie am Ende durch ein Versehen in vermutlich ausgeglichener Stellung.

Cordes, Yifan Hou

Yifan Hou gegen Hans-Jörg Cordes

 

 

Aber wer ist dieser Hans-Jörg Cordes? Alle etwas älteren Hamburger Schachspieler kennen ihn natürlich. Cordes war eines der größten deutschen Talente Ende der 1970er Jahre. 1985 gehörte er beispielsweise zu der Hamburger Bundesliga-Mannschaft, die den jungen Kasparow bei einem Uhren-Simultan schlagen konnte.

Cordes gegen Kasparov

 


Bundesweit bekannt wurde Cordes, als er in einer brillanten Glanzpartie 1985 den damals vielleicht besten westlichen Spieler, Tony Miles, schlagen konnte. Diese Partie hat bis heute nichts von ihrer verblüffenden Schönheit verloren.

Cordes gegen Miles

 


Cordes entschied sich aber wie so viele andere deutsche Talente auch nicht etwa für eine Karriere als Profischachspieler, sondern ging einen anderen Weg. Er studierte Medizin und ist heute leitender Arzt an einer Klinik in Frankfurt. Das Schachspielen hat er aber offenbar in der Zwischenzeit nicht verlernt...

 

FIDE, Top 100, Frauen...

2700 Elo..

 

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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