Zug um Zug: Ausstellung im Haus der Geschichte

von ChessBase
19.12.2006 – Das Bonner "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" ist eines von fünf Museen an der Bonner B9, die in unmittelbarer Nähe gelegen die Bonner "Museumsmeile" bilden. Praktisch zeitgleich zum inzwischen beendeten Wettkampf zwischen Kramnik und Deep Fritz in der Bundeskunsthalle wird hier die Schachausstellung "Zug um Zug - Schach, Gesellschaft, Politik" gezeigt. Zu den Prunkstücken der Ausstellung gehört u.a. der original Schachtisch, an dem Spasski und Fischer 1972 ihren legendären WM-Kampf spielten. Eine Enigma symbolisiert die Leistungen englischer Schachspieler bei der Dekodierung deutscher Verschlüsselungsmaschinen im Zweiten Weltkrieg. Ein weitere Höhepunkt ist der Nachbau de berühmten Schachtürken, der vom Heinz Nixdorf Museums Forum leihweise zur Verfügung gestellt wurde. anhand zahlreicher weiterer Ausstellungsstücken wird der Wandel der Gesellschaft im Lauf von über 800 Jahren Kulturgeschichte sichtbar. Die Ausstellung ist noch bis zum 11.Februar zu sehen. Mehr...

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"Zug um Zug" - Schach, Gesellschaft, Politik
Ausstellung im Bonner "Haus der Geschichte"
Von André Schulz

Die Idee zu einer Sammlung von Ausstellungsstücken zur Geschichte Deutschlands seit der Teilung im Jahr 1945 stammte vom früheren Bundeskanzler Helmut Kohl, dem die Darstellung der Geschichte des Landes als Historiker ein besonderes Anliegen war. Schon bei Amtsantritt schlug er eine entsprechende Stiftung vor und 1989 wurde mit den Arbeiten zum Bau des Hauses, das die Sammlung aufnehmen sollte, begonnen. Zusammen mit der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, dem Kunstmuseum Bonn, dem Forschungsmuseum Koenig und dem Deutschen Museum Bonn bildet das Haus heute die so genannte Bonner Museumsmeile an der Bundesstraße 9, die durch Bonn hindurch den Rhein entlang nach Koblenz führt. Der Eintritt zum Haus der Geschichte, das eine Dauerausstellung und wechselnde, sehr interessante Wechselausstellungen beherbergt, ist frei.

Die abkürzende Bezeichnung "Haus der Geschichte" führt grundsätzlich in die Irre. Ohne den korrekten Zusatz "... der Bundesrepublik Deutschland" würde ein falscher Eindruck vermittelt. Wer das Haus besucht, sieht zwar gleich einen olivgrünen amerikanischen Jeep neben einer angedeuteten Ruine und gegenüber steht auch ein Karteischrank des Suchdienstes des Roten Kreuzes. Warum dieses aber hier steht, wird jedoch nicht groß erklärt und das Wissen darüber quasi vorausgesetzt. Fast scheint es, als sei die vorherige Geschichte für dieses Ausstellungshaus mit einer Art historischer Kreissäge sorgfältig abgetrennt worden - Geschichte amputiert.

Im Folgenden kann der Besucher in einem Rundgang einen informativen Steifzug durch den Gang der Geschichte der beiden Länder unternehmen, die von Amerikanern, Engländern, Franzosen hier, von den Sowjets dort (aus Sicht der BRD, aus Sicht der DDR genau andersherum) errichtet wurden. Der Gang wird durch Gegenstände der jeweiligen Zeitepoche illustriert. Was für den einen banal ist, mag dem anderen vielleicht sehr fremd vorkommen. Wirkt für heutige Grundschüler ein Schallplattenspieler nicht ebenso antiquiert wie für die älteren Mitbürger eine Kutsche oder dergleichen?

Eines der größeren Ausstellungstücke ist der
Mercedes Benz 300 Dienstwagen des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Sein Fahrer holte ihn immer in Bad Honnef-Rhöndorf ab und brachte ihn nach Bonn ins Kanzleramt.

Die häufigen Anweisungen des Kanzlers an den Fahrer sind inzwischen sprichwörtlich: "Jeht et nich schneller!" Der Wagen wurde später verkauft und landete schließlich in den USA. Von dort wurde er zurückgekauft.

Mit der Ausstellung "Zug um Zug - Schach, Gesellschaft, Politik", sind nun aber doch ein paar Stücke ins Haus der Geschichte hineingeraten, die konzeptionell dort eigentlich keine Heimat haben: Zeugnisse der deutschen Arbeiterbewegung in den Zwanzigern und Belege der Diktatur und des großen Krieges in den Dreißiger und Vierziger Jahren.

Die Ausstellung ist eine Idee des Gründers der Berliner Lasker-Gesellschaft, Paul Werner Wagner, der sie zusammen dem früheren Präsidenten des Hauses angestoßen hat. Ursprünglich dachte er dabei an das enger gefasste Thema "Schach in Krieg und Gefangenschaft". Im Laufe der Konzeption wurde dies zum endgültigen Ausstellungsboden, nämlich "Schach und Politik" und "Schach und Herrschaft".

In der Entwicklung des Schachspiels spiegelt sich ein Teil der europäischen Kulturgeschichte. Die Schachfiguren selbst zeigen noch heute die Aufgaben -und Rollenverteilung der Gesellschaft im späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit. Der Turm symbolisiert die mittelalterliche Burg, der Springer den Ritter, der Läufer den Bischoff und die kirchliche Gewalt. Davor steht das Volk, die Bauern. König und Dame stehen im Zentrum des Spiels, die Dame wurde in der mittelalterlichen Interpretation zur mächtigsten Figur.

Die frühesten Dokumente der Ausstellung stammen aus dem 13.Jahrhundert. In zeitgenössischen Handschriften, Drucken, Gemälden, Büchern und den Figuren selbst wird der Lauf der gesellschaftlichen Veränderung abgebildet und dokumentiert.



In verschiedenen Figurensätze aus den den Epochen, zeigen sich auf kunstvolle, humorvolle, martialische oder futuristische Weise die Ideenwelt ihrer Erschaffer.

Die zunehmende Industrialisierung seit der Mitte des 19.Jahrhunderts führt schließlich zu dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen. Ende des 19.jahrhunderts entstehen die ersten Arbeiterschachvereine, von 1909 bis 1914 wird eine Arbeiterschachzeitung herausgegeben. Die ersten Schachuhren werden gebaut, die Figuren erhalten die Staunton-Einheitsform.

Die große Arbeiterschachbewegung in der SU in den Zwanziger Jahren stößt auch in Deutschland auf Resonanz.

Schließlich wurde die Schachbewegung wie alle anderen Elemente des deutschen Kulturlebens von den Nationalsozialisten gleich geschaltet.


Kraft durch Freude


Rechts Hitler und Göring, links Kinder beim Schach in der Schülerzeitung



Symbolhaft ist das Bild des in Uniform mit Hakenkreuz spielenden 20-jährigen Klaus Junge, des wohl größten deutschen Schachtalents seiner Zeit.

Von der Naziideologie verführt und vergiftet, wird Klaus Junge in den letzten Kriegstagen bei der Verteidigung des Deutschen Reiches in den Harburger Bergen bei Hamburg erschossen.  Sein geistiger Mentor, der Rüstungsfabrikant Herbert Heinicke, überlebt das Kriegsende unbeschadet und kann nachKriegsende als Edelmetallhändler seinen Wohlstand mehren. Davon zeugt jedoch kein Foto.
 
Die Prunkstücke der Ausstellung sind der vom Paderborner Heinz Nixdorf Museums Forum hergestellte Nachbau des Schachtürken...

... der original Schachtisch, an dem 1972 die sensationelle WM-Kampf zwischen Fischer und Spassky gespielt wurde...


Als säßen sie am Tisch

und eine Enigma.

Die deutsche Verschlüsselungsmaschine symbolisiert die Leistungen der englischen Schachspieler Hugh Alexander, Stuart Milner-Barry, Harry Golombek und einiger mehr bei der Dekodierung deutscher Verschlüsselungsmaschinen im Zweiten Weltkrieg im englischen Funkaufklärungszentrum Bletchley Park.

Nach dem Krieg wird 1953 die letzte gemeinsame deutsche Meisterschaft gespielt. Bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig sitzen sich schon zwei deutsche Mannschaften gegenüber.



Die Ausstellung ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Bedeutung, die das Schachspiel im menschlichen Kulturleben inne hat und zeigt seine Verflechtung auch mit den politischen Vorgängen im Lauf der Zeiten.


Zug um Zug. Schach – Gesellschaft – Politik
1. November 2006 - 11. Februar 2007
Di -So 9 - 19 Uhr Eintritt frei

Zug um Zug im Haus der Geschichte...



Fotos. Wolfgang Rzychon

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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