Bücher zum Schauen und Lesen
Christian Hesse: Expeditionen in die Schachwelten
An
erster Stelle dieser Rezensionsliste soll Expeditionen in die Schachwelt
genannt werden. Das Buch des
Stuttgarter Mathematikprofessors Christian Hesse ist bei Weitem kein
gewöhnliches Schachbuch. In zahlreichen Kapiteln werden ganz verschiedene
Elemente des Schachs, Motive, Begebenheiten, Historisches und vieles mehr,
anhand von ausgewählten Partien und Positionen vorgestellt. Zwar mag es
vielleicht unmöglich sein, das ganze Reich des Schachs zu durchmessen, noch dazu
in einem einzigen Buch, aber unter Christian Hesses findiger und kundiger
Anleitung vermag man auf jeden Fall den ganzen Reichtum ermessen, den das Schach
dem neugierigen Betrachter zu bieten imstande ist. In manchem erinnert das Werk
an Krabbés Schach Kuriositäten, aber Hesses Buch ist systematischer und
gründlicher in seiner Darstellung. Das Lesevergnügen stellt sich unabhängig von
den vorhandenen Schachkenntnissen ein. So eignet sich das Buch auch für normale
Leseratten, die vom Schach überhaupt keine Ahnung haben. Ich wette: Wer dieses
Buch einmal gelesen hat, wird danach unmittelbar vom Schachvirus befallen
werden. Obwohl als Weihnachtsgeschenk sicher hervorragend geeignet, werden wohl
nur wenige Exemplare den Weg unter den Weihnachtsbaum finden. Denn wer würde so
ein schönes Buch schon verschenken und nicht lieber selber behalten?
Expeditionen in die Schachwelt wurde vom Chessgate Verlag publiziert,
ist gebunden und besitzt die von diesem Verlag gewohnt gute und sorgfältige
Verarbeitung und Aufmachung, inkl. eines nützlichen Registers. Ein Muss für alle
Schachspieler und solche, die nie gedacht hätten, mal selbst einer zu werden.
Ein hübsches Zitat aus dem Buch: "Letztlich ist Schach einfach Schach - nicht
das Beste, was es in der Welt gibt und nicht das Schlechteste in der Welt, aber
es es gibt nichts Vergleichbares. W.C. Fields (Aus dem Englischen übersetzt vom
Rezensenten)
Christian Hesse: Expeditionen in die
Schachwelten. Chessgate Verlag, 417 Seiten, gebunden, 1. Auflage 2006. ISBN:
3-935748-14-028.80 Euro. In deutscher Sprache.
Edward Winter: Chess Facts and Fables
Edward
Winter gehört zu den renommiertesten Schachhistorikern und weiß eine Menge zu
erzählen. Sein Werk über Capablanca ist eines der besten
Schachbücher überhaupt. Mit seinen Büchern Chess Explorations: A Potpourri
from the Journal Chess Notes (September 1996), Kings, Commoners
and Knaves: Further Chess Explorations (Mai 1999) und Chess
Omnibus (April 2003) hat Winter einen historischen Streifzug begonnen,
den er mit Chess Facts and Fables
fortgesetzt hat. Edward Winter weiß von schachhistorischen Zusammenhängen,
Vorgängen oder von Partien zu berichten, die anderen nicht gegenwärtig, ja nicht
einmal zugänglich sind. Für die Darstellung seiner Themen hat er eine Form
gewählt, die man heute vielleicht aus als "Blog" bezeichnen würde. Auf fast 400
Seiten beschreibt Winter in kleinen Happen die verschiedensten historischen
"Gegenstände", ohne jemals den Fehler zu machen, dem Ganzen eine unpassende
chronologische Uniform aufzuzwingen. Winter berichtet z.B., wie die FIDE nach
dem Zweiten Weltkrieg reanimiert wurde, erzählt unbekannte Dinge von den Großen
des Schachs und berichtet ebenso von den unbekannt gebliebenen oder gewordenen
Schachspielern der Geschichte. Den interessanten und informativen Texten sind
zahlreiche, zumeist wenig bekannte Fotos beigefügt. Alles in allem ist
Chess Facts and Fables erneut ein unglaublich spannendes Schachlesebuch,
dessen Lektüre die Schachgeschichte in der Fantasie des Lesers lebendig werden
lässt. Großartiger Lesestoff für lange Winterabende. Zum Schnuppern bei Winter:
Chess Notes bei Chesshistory...
Edward Winter: Chess Facts and
Fables, McFarland & Company, 385 Seiten, kartoniert, 1.Auflage 2006, ISBN:
0786423102, EUR 52,90. In englischer Sprache.
Genna Sosonko: Smart Chip from St. Petersburg
Smart
Chip from St. Petersburg ist nach Russian Silhouettes
(2001) und The Reliable Past (2003) das dritte Lesebuch von
Großmeister Genna Sosoonko. In diesen erinnert er in Geschichten und Ausätzen an
berühmte und weniger berühmte, aber ebenso liebenswürdige, frühere Weggefährten
aus seinem Schachleben, von denen die meisten heute nicht mehr unter uns weilen.
Ohne Sosonko wäre mancher in Vergessenheit geraten. "Ich weiß, dass Vergessen
keine Sünde ist, aber manchmal ist Erinnern reines Glück," schreibt Sosonko und
wird nicht nur an dieser Stelle seine jüngsten Buches philosophisch.
Johannes Fischer hat das Buch bereits früher für ChessBase News rezensiert.
Auf mich machen Sosonkos Bücher stets einen im positiven Sinne melancholischen
Eindruck. Großes poetisches "Lesekino"!
Genna Sosonko: Smart Chip from
St. Petersburg,
Verlag: New in Chess, 197 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2006.
ISBN:90-5691-169-4,
Preis: 24,95 Euro. In englischer Sprache.
Martin Schwarz: Kunstschach
Kunstschach ist kein Schachbuch, sondern ein Kunstbuch, allerdings
mit viel Schachgehalt. Vielleicht verhält es sich aber doch genau anders herum.
In 96 Bildern und Bildmotiven hat Martin Schwarz das Schachbrett, aber auch das
Schachspiel variiert und modifiziert. Er schlägt neue Brettgeometrien vor und
entwirft dafür neue Regeln, bzw. modifiziert die bestehenden. Die
Schach960-Anhänger sind ja von jeher der Auffassung, das derzeit gespielte
"Normalschach" sei nur eine eingeschränkte Spezialform. Wenn Sie einmal
"Kunstschach" in die Hände bekommen haben, werden sie mit Sicherheit noch sehr
viel mehr Anregungen für mögliche Variationen bekommen. Auch vor dem Computer
brauchen wir dann keine Angst mehr haben - das lernt der nie! Ein Zitat aus dem
Buch hat mir besonders gut gefallen: "Das Schach ist das Spiel, das die
Verrückten gesund hält." Wie wahr - nicht bei jedem reicht allerdings die
verfügbare Dosis für den erhofften Zweck aus. Kunstschach ist
hübsch und geistreich.
Martin Schwarz: Kunstschach - Ein illustriertes Denk-Capriccio. EigenArt Verlag
Winterthur, 96 Seiten, gebunden, 1.Auflage 2006, ISBN: 3-905506-22-9, 18,50
Euro. In deutscher Sprache.
Eröffnungsbücher
John Watson: Mastering the Chess Openings
Der amerikanische Internationale Meister John Watson ist einer der besten
Schachautoren der Gegenwart. Secrets of Modern Chess Strategy
gehört ebenso schon zu den modernen Klassikern wie seine Bücher über Französisch
und Benoni. Auch als Rezensent hat er sich einen Namen gemacht. Seine oft
geistreichen und immer gut begründeten Anmerkungen werden regelmäßig in einer
Kolumne bei
TWIC veröffentlicht. Mit Mastering the
Chess Openings, Vol. 1 liefert Watson ein klassisches
Eröffnungskompendium, das sich über mehrere Eröffnungen erstreckt. Band 1
umfasst die Offenen und Halboffenen Spiele, die auf 334 Seiten dargestellt
werden. Watsons Buch bietet einen Überblick über die wichtigsten Varianten und
Eröffnungen aus diesem Bereich und wendet sich an Spieler, die entweder noch am
Anfang ihrer Eröffnungsarbeit stehen, oder sich nach einer längeren Pause neu
einarbeiten wollen. Der Autor ist geschickt bei der Auswahl der Varianten. Seine
grundsätzlichen Anmerkungen und Beurteilungen der Varianten sind sehr hilfreich.
Super Einstieg ins Dickicht des Eröffnungsdschungel.
John Watson: Mastering the
Chess Openings, Gambit Verlag, 334 Seiten, kartoniert,
1. Auflage 2006,
ISBN: 1-904600-60-3, 31,10 Euro.
In englischer Sprache.
Hannes Langrock: The Modern Morra Gambit
Jeder
weiß, dass das Sizilianische Morra-Gambit nicht korrekt ist, aber einen klaren
Weg der Widerlegung gibt es nicht und es ist für Sizilianisch-Spieler überaus
lästig. Für den Preis eines Bauern erhält Weiß eine lang anhaltende Initiative
und viele taktische Giftpfeile, mit dem er die schwarze Stellung beschießen
kann. Vielleicht besteht die einzige echte Widerlegung darin, dass man das
Gambit ganz gut ablehnen kann, wenn man als Schwarzspieler in Kauf nimmt, dass
man dann durch Zugumstellung in andere System als die seines sonstigen
Repertoires hinein gerät. In Hamburg hat sich ein Zentrum für die
Weiterentwicklung der Ideen des Morra-Gambits gebildet und einer seiner
führenden Vertreter ist der spielstarke Hamburger FM Hannes Langrock. Sein Buch
über diese Gambit-Antwort auf den Sizilianer ist sicher die beste Monographie,
die jemals über das Morra-Gambit veröffentlicht wurde. Während Langrock im
Innern von The Modern Morra Gambit alles Menschenmögliche getan
hat, um dieses wirklich gute Buch zu verkaufen, haben die Verlagsdesigner mit
der Umschlaggestaltung in die gegensätzliche Richtung gearbeitet. Das Cover ist
wirklich gruselig - aber zum Glück beurteilen Schachspieler die Dinge nur nach
dem Inhalt, niemals nach äußeren Gesichtspunkten. Sehr empfehlenswert!
Hannes Langrock: The Modern
Morra Gambit, Russel Enterprise, 334 Seiten, kartoniert, ISBN: 1-888690-32-1,
26,95 Euro. In englischer Sprache.
Wahls/Müller/Langrock: Modernes
Skandinavisch Band 2
Neun
Jahre nach dem Erscheinen von Modernes Skandinavisch 1 folgt nun der zweite Band
zu dieser populären und lange Zeit unterschätzten Eröffnung. Mit Hilfe der
Co-Autoren Karsten Müller und Hannes Langrock erläutert Matthias Wahls die
typischen strategische und taktische Motive nach 1. e4 d5 2. exd5 Dxd5 3. Sc3
Da5 und vermittelt dem Leser mehr als nur reine Variantenkenntnis. Ein
theoretischer Anhang, der neue Ideen in zu kritischen Varianten präsentiert,
rundet das Buch ab und bringt die nun zweibändige Eröffnungsmonografie auf den
neuesten Stand.
Wahls/Müller/Langrock: Modernes
Skandinavisch Band 2, Chessgate Verlag. 349 Seiten, kartoniert, ISBN:
3-935748-13-2, 22,80 Euro. In deutscher Sprache.
Monografie
Anatoli Karpow: Meine besten Partien
Für
Meine besten Partien hat der Exweltmeister 100 seiner Partien
kommentiert, die er zwischen den Jahren 1968 und 2003 gespielt hat. Die
Kommentare haben den wohltuenden Stil der guten alten Zeit - nicht zu viele
Varianten und so viele Textanmerkungen, dass der Leser der Fortgang der Partien
in etwa begreift. Allein das Nachspielen der Partien hat etwas Lehrhaftes, denn
der Leser wird ganz unbewusst eine Reihe von Bildern der Karpow'schen
Spielästhetik verinnerlichen und als Muster speichern. Wer aber nichts lernen
will, kommt auch auf seine Kosten. Das Buch ist ganz einfach sehr unterhaltsam
und bietet nebenbei noch einen kleinen Streifzug durch fast 40 Jahre
Turniergeschichte.
Anatoli Karpow: Anatoli Karpow: Meine besten Partien. Edition Olms, 295 Seiten,
kartoniert, ISBN: 3-283-00511-7, 19,95 Euro
Rezensionen von
André Schulz