Zwei Turniere, aber drei Titelträger
Impressionen von der Seniorenweltmeisterschaft in Dresden
Dresden erlebt in diesen Tagen die 3. Teamweltmeisterschaft der Senioren. Aus kleinen Anfängen 2004 auf der Isle of Man, wo nur 12 Mannschaften starteten, hat sich inzwischen eine Veranstaltung mit großer internationaler Resonanz etabliert.
Das WM-Hotel
Vor zwei Jahren beschloss der FIDE-Kongress in Tallinn drei weitere Testevents mit der neuen Altersstruktur (50+, 65+, weiblich 50+) und vergab die WM-Turniere nach Vilnius (2014) sowie Dresden (2015 und 2016). Nachdem an der letzten Mannschaftseuropameisterschaft der Senioren in Dresden 2012 schon 72 Teams teilnahmen, hatte das Organisationskomitee für dieses Jahr mit einer ähnlichen Zahl geplant. Es meldeten aber noch mehr. Deshalb gibt es eine Rekordbeteiligung von 87 Mannschaften. Spielerinnen und Spieler aus 16 Nationen setzen in einem bekannten Hotel die Figuren, wo schon sehr viele Schachevents stattfanden.
Bei der WM-Premiere 2004 teilten damals Deutschland und Israel den Sieg. Im vorigen Sommer, als Vilnius Gastgeber war und 28 Teams starteten, gewann die Mannschaft aus St. Petersburg. In Dresden schaut man vor allem auf das englische 50 plus -Team mit den Großmeistern Nigel Short, John Nunn und Jonathan Speelman, das die klare Favoritenrolle einnimmt.
Teamkapitän Nigel Short (Jahrgang 1965) darf zum ersten Mal bei den Senioren mitspielen. Es ist sein zweiter Besuch in Dresden nach der Schacholympiade 2008. „Ich fühle mich prima als Jungsenior und werde solange Wettkampfschach spielen, wie es meine Gesundheit erlaubt“, erklärt Nigel. Auch so lange wie Viktor Kortschnoi? „Warum nicht“, lautet die Antwort.
Nigel Short
John Nunn gegen Wolfgang Hülsmann
Jonathan Speelman
Das deutsche Herrenteam in dieser Gruppe ist mit Uwe Bönsch, Klaus Bischoff, Karsten Volke und Raj Tischbierek ebenfalls stark aufgestellt und will den Engländern einen harten Kampf liefern. Beide Mannschaften haben nach zwei Runden noch eine weiße Weste und bisher alle Partien gewonnen.
Team Germany
Turnierdirektor Dr. Dirk Jordan erläuterte uns die Besonderheiten der neuen, erweiterten WM-Form: „Wir haben zwei Turniere, aber küren drei Weltmeisterteams. Weil bei den Männern sehr viele Mannschaften starten, gibt es die Trennung in Gruppe A (50+) und Gruppe B (65+). Die Frauen sind hier mit vier Teams vertreten und spielen, ihrem ‚zarten‘ Alter entsprechend, in der A-Gruppe mit. Das beste Damenteam erringt separat den WM-Titel der Frauen.“
Neben der erfreulichen Resonanz auf die Weltmeisterschaft, also der Quantität, ist nach Jordans Worten besonders die schachliche Qualität der Teilnehmer hervorzuheben. In der Tat. Auf das bärenstarke englische Team haben wir schon hingewiesen. Und bei einem Rundgang durch den Turniersaal entdeckt man in der 65+ Gruppe solche Schachlegenden wie Juri Balaschow, Jewgeni Wasjukow (beide Russland), Wolfgang Uhlmann (Deutschland), Andreas Dückstein (Österreich) oder Heikki Westerinen (Finnland).
Wolfgang und Christine Uhlmann
Heikki Westerinen
Die Fernschach-Exweltmeister Jörn Sloth (Dänemark) und Dr. Fritz Baumbach (Berlin) zählen seit Jahren zu den Stammgästen der Seniorenturniere. Alle freuten sich auf spannende neun Runden, aber auch auf die erneute Begegnung mit vielen langjährigen Freunden und Weggefährten aus der Schachszene.
Fernschachweltmeister Jörn Sloth
Jewgeni Wasjukow kennt Wolfgang Uhlmann seit 1957, als sie in Gotha ihr erstes gemeinsames Turnier spielten. Das ist fast 60 Jahre her. Seitdem sind sie sich sehr oft begegnet, vor allem auch in Dresden. „Am Brett sind wir harte Konkurrenten, davor und danach pflegen wir freundschaftliche Beziehungen“, sagt Wasjukow, während er vor dem Hotel eine Zigarette der Marke „Papyrosi“ raucht. Großmeister Lutz Espig kommt dazu, und beide erinnern sich sogleich an gemeinschaftliche Turniere in Berlin und Dubna.
Jewgeni Wasjukow
Lutz Espig, Wolfgang Uhlmann
Wasjukows Landsmann Juri Balaschow geht während der Partie auch einige Male vor die Tür, um zu rauchen. Gerühmt wird bis heute das phänomenale Schachgedächtnis des Moskauers, der schon etlichen Weltmeistern als Sekundant half. Doch Trainer ist der Großmeister heute nicht mehr. Balaschow bessert seine kleine Rente auf, indem er wieder mehr aktiv spielt. „Im vorigen Jahr habe ich insgesamt zehn Turniere bzw. Open bestritten, nicht nur im Seniorenbereich. Ansonsten kümmere ich mich um meine große Familie.“ Juri Balaschow ist fünffacher Familienvater, die Zahl seiner Enkel inzwischen auf sieben angewachsen, erzählt er. Die meisten davon sind Mädchen. Auch eine Leistung!
Juri Balaschow
Zur stimmungsvollen WM-Eröffnung am Dienstag brachten Fahnenkinder aus Dresden unter den Klängen des Radetzkymarschs und dem Befall der Schachspieler die Landesflaggen der 16 teilnehmenden Nationen herein. Den weitesten Weg zum Turnier hatte ein Team aus Argentinien.
Einmarsch mit Flaggen
In den ersten beiden Runden hatten die Favoriten in jeder Gruppe noch keine große Mühe. Die Spannung wird aber mit jedem Spieltag steigen. Die Frauen von Deutschlands Team 1 mit Iris Mai, Brigitte Burchardt, Annett Wagner-Michel und Sylvia Wolf sind vor allem nach Dresden gekommen, weil sie immer noch großen Spaß am Schach heben. Aber ehrgeizig sind sie auch noch. Nach einem 3,5:0,5-Sieg in Runde 1 gegen SK Kaltenkrichen verloren sie am Mittwoch nur knapp mit 1,5:2,5 gegen das starke Team des SC Forchheim.
Damenteam Deutschland 1
Vielleicht können unsere besten Schachfrauen den russischen Damen, unter ihnen die mehrfache Seniorenweltmeisterin Jelena Fatalibekowa, beim Kampf um die Goldmedaille ein Bein stellen. Die Russinnen verloren am zweiten Spieltag gegen Deutschlands Herrenauswahl 50 plus glatt mit 0:4. Die Senioren-WM in Dresden geht noch bis zum kommenden Mittwoch.