Interview mit Yifan Hou

von Dagobert Kohlmeyer
15.07.2015 – Mit Yifan Hou hatten die Organisatoren in Dortmund einen echten Zuschauermagnet eingeladen. Dagobert Kohlmeyer sprach mit ihr über das kommende WM-Match gegen Mariya Muzychuk, die Erfolge der jungen chinesischen Spieler und ihre eigenen Zukunftspläne. Mit ihrem Namenszug in chinesischen Schriftzügen grüßt die beste Frau der Welt ihre deutschen Fans.Mehr...

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"Schach ist nur ein Teil meines Lebens"

Interview mit der dreifachen Weltmeisterin Hou Yifan


Zum ersten Mal sah ich sie bei der Schacholympiade 2006 in Turin. Als 12-jähriges Wunderkind fegte Hou Yifan dort schon namhafte Großmeisterinnen vom Brett. Bei späteren Turnieren wie Wijk aan Zee oder Olympiaden konnte ich den weiteren Weg der Chinesin an die Weltspitze mit eigenen Augen verfolgen. Inzwischen ist Hou Yifan erwachsen, dreifache Weltmeisterin und wird im kommenden Frühjahr wieder nach der Schachkrone greifen. In Dortmund war vor kurzem Gelegenheit zu einem neuen Gespräch.

Welche Eindrücke nimmst du vom Chess-Meeting mit nach Hause?

Ich habe mich natürlich über die Einladung zu diesem starken Turnier gefreut. Es war mein zweiter Start in Deutschland nach der Schacholympiade 2008 in Dresden. In Dortmund hat es mir sehr gut gefallen. Mit Wesley So wurde ich am ersten Ruhetag auch zum Besuch eines Schachklubs in der Nähe der Stadt eingeladen.

Bist du mit deinem Abschneiden in Dortmund zufrieden?

Na ja, es hätte sicher besser sein können. Ich wollte gutes Schach spielen, das ist mir zum Teil auch gelungen. Aber ich konnte nicht alle Stellungen optimal verwerten. Dadurch habe ich leider einige gute Chancen verpasst.
Warum bist du in diesem Frühjahr nicht bei der Knockout-WM der Frauen gestartet?

Eigentlich sollte das Turnier schon Ende des letzten Jahres stattfinden. Dann wurde es aber verschoben. Ich hatte vorher mein Versprechen gegeben, ein Turnier in Hawaii zu spielen, bevor die FIDE den verzögerten Termin für die Weltmeisterschaft kurzfristig bekanntgegeben hat. Verträge soll man einhalten.

Du magst, wie man hört, ja dieses WM-Format auch nicht so…

Als Schachprofi muss man alle Wettbewerbsformen akzeptieren. Das Format wird von der FIDE als Organisator festgelegt. Für mich wäre es aber fairer, wenn die Ermittlung der Frauen-Weltmeisterin im Schach so abläuft wie bei den Männern.

Wie ist deine Meinung zur amtierenden FIDE-Weltmeisterin Maria Muzychuk? Hat dich ihr Sieg beim Knockout-Turnier überrascht?

In so einem Event gibt es immer Überraschungen. Wir beide haben nur einige Partien gegeneinander gespielt. Ich spielte bisher mehr gegen ihre Schwester Anna. Maria hat das ganz prima gemacht im K.-o.-System und sich gut darauf eingestellt. Aber ein WM-Match ist etwas anderes.

FIDE-Präsident Iljumschinow verkündete jetzt, dass Euer WM-Finale im März 2016 in Lviv (Lemberg) in der Ukraine stattfinden soll. Hat man dich und den chinesischen Schachverband vorher darüber informiert?

Nein, das taten sie nicht. Es gab auch kein Bieterverfahren für interessierte Ausrichter. Ursprünglich sollten wir schon im Oktober 2015 spielen. Nur weil Maria wegen ihres eigenen Zeitplans (in der Zeit finden einige Schachturniere statt) vorgeschlagen hat, dass die FIDE das Match auf März nächsten Jahres verschieben sollte. Meine generelle Idee ist, die FIDE sollte das Datum so schnell wie möglich festlegen, dann können wir unseren Zeitplan für andere Schach-Veranstaltungen arrangieren. Und es ist auch nützlich für die Vorbereitung. Ich würde mich freuen, wenn es im Oktober organisiert werden könnte. 

China ist inzwischen eine Weltmacht im Schach. Was ist das Geheimnis der Erfolge deines Landes?

Wir haben jetzt sehr viele junge und talentierte Schachspieler. Das betrifft vor allem die Männer, die sehr schnell Fortschritte machen. Unsere Herren haben ja auch die Olympiade 2014 gewonnen und bei den Team-Weltmeisterschaften geglänzt. In der Brettwertung haben sie reichlich Preise geholt. Sehr viel hängt von harter Arbeit ab, sie trainieren wirklich viel. Vor und bei den Mannschafts-Turnieren haben sie sich gemeinsam auf ihre Partien vorbereitet und großen Teamgeist bewiesen.

Unterstützt die chinesische Regierung die Sportart Schach sehr?

Hmm... Ja schon. Wir haben eine Nationalmannschaft, und diese wird unterstützt. Einen Nationaltrainer haben wir auch. Vorher gab es immer Trainingslager. Jetzt ist es unterschiedlich. Was meine Person betrifft, da gibt es weniger Unterstützung.

Mit ihrem Trainer Yu Shaoteng in Wijk aan Zee

Welche Beziehung hast du zu den früheren Weltmeisterinnen aus China: Xie Jun, Zhu Chen oder Xu Yuhua?

Ich bewundere die schachlichen Erfolge meiner Vorgängerinnen auf dem Thron. Als eine von ihnen aufhörte zu spielen, habe ich erst begonnen. Sie waren oder sind meine Mannschaftskameradinnen, und ich betrachte sie als meine Schwestern. Wir haben sehr gute Beziehungen. Sie unterstützen mich und geben mir manchmal Ratschläge.

Wer ist dein schachliches Vorbild?

Mein Idol als Schachspieler ist Bobby Fischer.

Am Grab von Bobby Fischer

Verrätst du uns etwas über dein Privatleben?

Mein Leben ist eigentlich sehr interessant, farbenfroh und voller Überraschungen. Schach ist natürlich ein Teil davon, aber mein Leben ist nicht nur Schach. Es gibt viele andere Facetten, gegenwärtig studiere ich ja noch. Ich habe einige Hobbys, und jeder Tag des Lebens hält immer Neues für mich bereit.

Im Moment dominiert aber das Schach?

Sicher. Ich würde schon gern länger spielen, aber es kann auch Veränderungen geben. Für die Zukunft habe ich längerfristig keine Pläne. Irgendwann, vielleicht in 15 Jahren, werde ich kein Schachprofi mehr sein. Doch ich hoffe, dann bekomme ich eine Aufgabe, die mit dem Schach verbunden ist.

Wann wirst du dein Studium beenden?

Vor dem Turnier in Dortmund habe ich an der Universität in Peking das dritte Studienjahr im Fach internationale Beziehungen abgeschlossen. Jetzt muss ich noch ein Jahr studieren.

Wo wohnt deine Familie in Peking? In einem eigenen Haus oder Appartement?

Nein, wir leben in einer ganz normalen Mietwohnung.

Hast du schon Heiratspläne?

Dafür ist es noch etwas zu früh (lacht). Übrigens muss man als Frau in China nach dem Gesetz 20 Jahre alt sein, um heiraten zu können.

Das bist du ja. Aber einen Freund gibt es doch sicher?

Nein, im Moment nicht.

Wie lange willst du noch Schach spielen?

Das ist eine gute Frage. Ich bin nicht die Person, die für zehn Jahre oder länger Pläne macht. Doch ich bin bereit, mich für die nächste Zeit auf Schach zu fokussieren. Weil ich die Schönheit des Spiels, seine Vielfalt und ungewöhnlichen Ideen liebe. Was später kommt, weiß ich heute noch nicht. Am wichtigsten für mich ist es, ein glücklicher Mensch zu sein.

Danke für das Gespräch. Zum Schluss noch eine Bitte: Würdest du unsere Leser mit einem Autogramm, auch in deiner Muttersprache, grüßen?

Aber gerne!
 






Yifan Hou und Dagobert Kohlmeyer

 


Dagobert Kohlmeyer gehört zu den bekanntesten deutschen Schachreportern. Über 35 Jahre berichtet der Berliner bereits in Wort und Bild von Schacholympiaden, Weltmeisterschaften und hochkarätigen Turnieren.

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