Lehrer und Schüler: Anderssen-Riemann-Heinecke-Junge

von André Schulz
02.01.2024 – Am 1. Januar 2024 jährte sich Klaus Junges Geburtstag zum 100sten Mal, am 2. Januar 2024 ist der 165ste Geburtstag von Fritz Riemann (Bild). Beide Schachmeister sind Glieder einer Lehrer-Schüler-Kette, die von Adolf Andersson in Breslau bis zu Klaus Junge in Hamburg reicht.

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Der Breslauer Lehrer Adolf Anderssen war einige Zeit der wohl beste Schachspieler der Welt und gab sein Wissen auch an einige Schüler weiter. Neben Gustav Neumann und Johannes Zukertort, dem Verlierer des ersten Wettkampfes um die Schachweltmeisterschaftskampfes, gehörte auch Fritz Riemann zu seinen Schachschülern.

Riemann wurde am 2. Januar 1859 in Nieder Weistritz (heute: Bystrzyca Dolna), etwa 50 km südwestlich von Breslau in Niederschlesien geboren. Sein Vater war Kaufmann und eröffnete in den 1860er Jahren in Breslau in der Kupferschmiedestraße 8 ein Geschäft für Sämereien. Er war außerdem ein passionierter und guter Schachspieler und weihte seinen Sohn Fritz in die Kunst des Spieles ein, als dieser zwölf Jahre alt war. Fritz Riemann besuchte das Breslauer Friedrichsgymnasium und wurde dort in Mathematik ausgerechnet von Adolf Andersson unterrichtet, der als Sieger des Londoner Turniers von 1851 einen legendären Ruf besaß. 

Adolf Anderssen

Der 14-jährige Fritz Riemann forderte seinen Mathelehrer zum Wettkampf heraus. Dieser nahm die Herausforderung gerne an. Man traf sich am 16. Juni 1873 zum Wettkampf in der Gartenwirtschaft zum Völkel. Der Altmeister gab allerdings einen Turm vor und spielt mit den schwarzen Steinen. Von den zwei Partien verlor Riemann eine, konnte die zweite aber remis spielen. Zu Weihnachtend des gleichen Jahres trafen sich Lehrer und Schüler erneut. Diesmal verlor Anderssen beide Turmvorgabepartien und auch noch drei hinterher gespielte Springervorgabepartien. Anderssen verzichtete nun bald auf jede weitere Vorgabe und in den folgenden Jahren spielten Anderssen und Riemann an die 1000 freie Partien gegeneinander, wobei Anderssen aber ein deutliches Plus erzielte.

Im Juli 1877 nahm Fritz Riemann noch als Gymnasiast am Hauptturnier des Leipziger Gründungskongresses des Deutschen Schachbundes teil, schied aber in der zweiten K.o.-Runde gegen den Dresdener Dr. Carl F. Schmid aus. Im folgenden freien Turnier teilte Riemann mit diesem den ersten Preis.

Nach dem Abitur im September 1878 begann Fritz Riemann in Leipzig ein Jura-Studium, das ihm nur wenig Zeit für Turniere ließ. In diesem Jahr starb auch sein Schachlehrer Adolf Anderssen. 1978 war Riemann auch noch einer der Teilnehmer beim 1. DSB-Kongress in Leipzig und verpasste hier die Preisränge nur knapp. In Breslau traf Riemann Ende der 1870er/ Anfang der 1880er Jahre auch einige Male auf den drei Jahre jüngeren gebürtigen Breslauer Siegbert Tarrasch und gewann gegen ihn einige freie Partien.

Beim Kongress des Westdeutschen Schachbundes in Braunschweig 1880 belegte Riemann hinter Louis Paulsen den zweiten Platz. 1879 wechselte der Jurastudent an die Universität in Berlin und wurde Mitglied der Berliner Schachgesellschaft. Beim DSB-Kongress 1881 in Berlin belegte er im Meisterturnier mit 6,5 aus 16 Partien Platz 13. 

Riemann wurde nun Rechtsreferendar in Beuthen, Oberschlesien, spielte 1883 beim Turnier in Nürnberg mit und teilte sich mit 10,5 Punkten aus 18 Partien den 6./7. Preis mit Henry Bird. 1885 lebte er wieder in Breslau und nahm am Turnier in Hamburg teil, wo er mit 9,5 Punkten aus 17 Partien mit Emil Schallopp den 8./.9. Platz teilte. 1888 erhielt Fritz Riemann eine Anstellung Anstellung als Amtsrichter in Hirschberg (Niederschlesien) und heiratete.

Riemann und Fritz am Schachbrett | Foto: Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Deutschen Schachbundes 1877-1927

1893 zog Fritz Riemann mit seiner Familie nach Erfurt, wo er eine Stelle als Stadtrat annahm. Seine aktive Karriere als Turnierspieler war beendet, aber auch Fritz Riemann gab sein Schachwissen an einen begabten Schüler weiter. Dies war Herbert Heinicke.

Heinicke war 1905 in Brasilien geboren worden. Nachdem sein Vater dort enteignet worden war, kehrte die Familie Heinicke 1914 nach Deutschland zurück und lebte zuerst in Wiesbaden, dann in Arnstedt. Herbert Heinicke besuchte bis 1924 das Gymnasium in Erfurt und lernte in Erfurt Fritz Riemann kennen, der von 1922 bis 1924 Heineckes Schachlehrer war. 

Riemann war noch bis 1917 Stadtverordneter in Erfurt gewesen und hatte als Pressezensor, Polizeidezernent und Vorsitzender des Gewerbe- und Kaufmannsgerichts gedient. Von 1920 bis 1926 war er Vorsitzender des Schlichtungsausschusses. Fritz Riemann starb 1932.

Herbert Heinicke zog nach seinem Abitur von Erfurt nach Hamburg und absolvierte hier ein Banklehre. Eine Zeitlang arbeitete er bei einem Kaffee-Importeur und gründete dann eine eigene Firma, die "Edelstahl", mit der er sehr erfolgreiche war. In Hamburg war Heinicke dem Hamburger SK beigetreten und hatte als starker Spieler großen Einfluss im Verein.

Beim Hamburger SK nahm Heinicke das große Schachtalent Klaus Junge unter seine Fittiche. Auch Klaus Junge war in einer deutschen Familie in Südamerika geboren worden, am 1. Januar 1924 in Conception (Chile). Sein Vater Otto Junge war ebenfalls schon ein guter Schachspieler und hatte 1922 die chilenische Landesmeisterschaft gewonnen. Otto Junge war 1928 aber mit seiner Frau und seinen vier Söhnen nach Deutschland zurückgekehrt und lebte nun in der Nähe von Hamburg.

Wie Herbert Heinicke war auch Otto Junge vor dem Krieg ein überzeugter Nationalsozialist. Während Heinicke als Rüstungslieferant den Krieg unbeschadet überstand, verlor Otto Junge seine vier Söhne während der Kriegsjahre. Klaus Junge starb in den letzten Tagen, als er der 19-Jährige in den Harburger Bergen mit einer kleinen Schar noch versuchte, das Reich vor der Niederlage zu bewahren.

Nach dem Krieg gewann Herbert Heinicke mit dem Hamburger SK noch zwei Mannschaftsmeistertitel, bevor er den HSK verließ und die Schachabteilung von Favorite Hammonia mit begründete.

Deutscher Mannschaftsmeister 1956, stehend von links: Herrmann Schröder, Heinrich Langecker, Hugo Schneider, Victor Secula, Herbert Heinicke, Wolfgang Schmidt, Johannes Pfaue, Carl Breyde Sitzend von links: Dr. Georg Kordsachia, Carl Ahues, Hans Rodatz, Gerhard Pfeiffer | Foto: Hamburger SK

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.