London: Unterhaltsames Viertelfinale

von Johannes Fischer
14.12.2013 – Mit verkürzter Bedenkzeit greifen auch die besten Spieler der Welt öfter einmal daneben. Das führt dann zwar nicht mehr zu absolutem Spitzenschach, sorgt aber für spannende und unterhaltsame Partien. Wie im Viertelfinale der London Chess Classic. Zwei Wettkämpfe endeten nach zwei Partien, zwei Wettkämpfe wurden erst im Tie-Break entschieden. Mehr...

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Daniel King's Highlights des Tages

Viertelfinale

In der Vorrunde der London Chess Classic hatten sich die Favoriten problemlos durchgesetzt und so kam es zu einem Viertelfinale der Weltklasse. Eine besonders reizvolle Begegnung war dabei das Duell der beiden Ex-Weltmeister Vishy Anand und Vladimir Kramnik. Die beiden haben zwei WM-Kämpfe gegeneinander gespielt - die Anand beide gewonnen hat - und sich in zahllosen Turnierpartien gegenüber gesessen. Dieses Mal behielt Kramnik die Oberhand. Er spielte in der ersten Partie mit Weiß und sicherte sich in der Eröffnung einen leichten Vorteil, den er allerdings in der Folge aus der Hand gab, wonach die Partie Remis wurde.

In der zweiten Partie spielte Anand dann mit Weiß, doch er konnte seinen Anzugsvorteil nicht nutzen. Im Gegenteil. In der Verbesserten Tarrasch-Verteidigung des Damengambits kam Anand unmittelbar nach Abschluss der Eröffnungsphase in Schwierigkeiten. Er verlor die Übersicht und ihm unterlief in einer taktischen Variante ein Versehen. Kramnik nutzte seine Chance und gewann mit einem Überfall auf die weiße Stellung Partie und Wettkampf.

Mit einem 1,5:0,5 Sieg gegen seinen alten Rivalen qualifizierte sich Vladimir Kramnik für das Halbfinale am Sonntag.

Vishy Anand

 

 

 

Reizvoll war auch die Begegnung zwischen Michael Adams (Elo 2754) und Peter Svidler (Elo 2758). Adams hatte in der ersten Partie Weiß und der Heimvorteil schien den Engländer zu inspirieren. Im Königsindischen Angriff opferte Adams eine Bauern für Entwicklungsvorsprung und aktives Spiel. Diese Vorteile führten bald zum Rückgewinn des geopferten Bauern und bald darauf zum Gewinn eines weiteren Bauern, wonach Adams mit einem Mehrbauern das bessere Endspiel hatte, das er auch gewinnen konnte.

Mit einem Remis in der zweiten Partie hätte sich Adams somit für das Halbfinale qualiziert. Doch der als äußerst solide geltende Adams beschloss, dass Angriff die beste Verteidigung ist und spielte mit Schwarz von Anfang an aggressiv, zweischneidig und aktiv. Das gab Svidler die Chance, die er brauchte und er konnte die zweite Partie gewinnen und sich in den Tie-Break retten.

Im Tie-Break wurden zwei weitere Partien gespielt, allerdings mit einer Bedenkzeit von nur noch 10 Minuten für die ganze Partie plus 10 Sekunden Zeitaufschlag pro Zug. Und da machte sich der enorme Druck, unter dem die Spieler in London stehen, bemerkbar. Svidler hatte in der ersten Partie Schwarz und hatte eine typische Najdorf-Stellung herbeigeführt, als er plötzlich zweizügig den wichtigen Bauern d6 einstellte und in einer fast schon verlorenen Stellung landete. Von diesem Versehen geschockt, fand Svidler keine gute Verteidigung mehr und nur wenig später hatte Adams die erste Tie-Break-Partie gewonnen.

Doch dieses Mal gelang Svidler kein Comeback. So wie er die zweite Partie spielte, stand er offensichtlich noch unter dem Schock der Niederlage in der ersten Partie. Adams hatte keine Mühe, auch diese Partie zu gewinnen und sich für das Halbfinale zu qualifizieren.

Michael Adams - der letzte Engländer im Feld

Anschließend kommentierte Peter Svidler den Tie-Break gewohnt trocken: "Not my finest hour."

 

 

 

Mit 5 Siegen und nur einem Remis hatte Fabiano Caruana in der Vorrunde eine überragende Performance geliefert, doch gegen Boris Gelfand kam Sand ins Getriebe. Obwohl es zunächst schien, als würde Caruana im Viertelfinale da weitermachen, wo er in der Vorrunde aufgehört hatte. Er begann den Mini-Wettkampf gegen Gelfand mit Weiß und gewann aus der Eröffnung heraus einen Bauern und schien einmal mehr auf der Siegerstraße zu sein. Doch Gelfand verteidigte sich zäh und Caruana fand keinen Weg zum Sieg. Am Ende wurde Gelfand für seine zähe Verteidigung mit einem halben Punkt belohnt.

Auch in der zweiten Partie scheiterten Caruanas Gewinnversuche. Er spielte zwar aktiv, doch konnte Gelfand nie ernsthaft in Gefahr bringen. Schließlich kam es zu einem Endspiel, in dem Caruana mit seinem Läuferpaar, das gegen Gelfands Läufer und Springer antrat, zumindest optischen Vorteil, doch das erwies sich als zu wenig. Nach 49 Zügen endete auch diese Partie remis und es kam zum zweiten Tie-Break des Abends.

Der verlief dramatisch. Caruana hatte in der ersten Tie-Break-Partie Weiß, doch einmal mehr gelang es ihm nicht, Gelfand unter Druck zu setzen. Er sicherte sich zwar einen Freibauern auf e6, aber auf Kosten der Koordination seiner Figuren. Außerdem verbrauchte er mehr Zeit als Gelfand und das führte dazu, dass er auf der Suche nach einer überzeugenden Fortsetzung eine Qualität einstellte. Gelfand ließ sich nicht lange bitten, nahm die Qualität und hatte wenig später die erste Tie-Break-Partie gewonnen.

Damit musste Caruana in der zweiten Tie-Break-Partie mit Schwarz unbedingt gewinnen. Dabei vertraute er der Holländischen Verteidigung, doch die brachte ihm kein Glück. Gelfand wählte eine solide Variante und in dem Versuch, Verwicklungen zu schaffen, schwächte sich Caruana immer weiter. Auch im weiteren Verlauf der Partie suchte er immer wieder taktischen Chancen, die in der Stellung allerdings kaum zu finden waren - was Gelfand schließlich zu einem starken Konter nutzte, mit dem er Partie und Wettkampf gewann.

Fehlte im Viertelfinale ein Quäntchen Glück: Fabiano Caruana

Boris Gelfand überzeugte einmal mehr und qualifizierte sich für das Halbfinale gegen Michael Adams.

 

 

 

Nigel Short, der zweite Engländer im Viertelfinale, hatte es mit Hikaru Nakamura zu tun und in diesem Match galt Short als Außenseiter. Und Nakamura konnte seiner Favoritenrolle gerecht werden. In der ersten Partie spielte er mit Schwarz und übernahm nach zurückhaltender Eröffnung von Short allmählich die Initiative, die ihm nach einer taktischen Sequenz ein Endspiel mit Mehrqualität bescherte, das vielleicht nicht unbedingt gewonnen, aber für Weiß doch sehr schwer zu verteidigen war. Short gelang das nicht und Nakamura ging in Führung.

In der zweiten Partie hatte Short dann die schwarzen Steine und konnte das Ruder nicht herumreißen. In der Larsen-Eröffnung (1.b3) kam es früh zu zahlreichem Abtausch und einem ausgeglichenen Endspiel, das nach 48 Zügen remis endete. Damit war auch Nakamura für das Halbfinale qualifiziert.

Nigel Short

Hikaru Nakamura: Im Halbfinale am Sonntag wartet Vladimir Kramnik

 

 

 

 

Sonntag 15. Dezember

13.00 - 14.30
Semifinale 1 and 2 - Match 1

14.30 - 16.00
Semifinale 1 and 2 - Match 2

16.00 - 17.30
Tie-breaks

17.30 - 19.00
Finale - Match 1

19.00 - 20.30
Finale - Match 2

20.30 - 22.00
Play-off
 

Fotos: Ray Morris-Hill

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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