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Ronan Bennett in Berlin
Die Räume der Lasker-Gesellschaft in Stefan Hansens Dorland-Haus sind ohne
Zweifel der schachkulturelle
Mittelpunkt Berlins. Paul Werner Wagner und seine Helfer, allen
voran die unermüdliche Susanna Poldauf, haben in den letzten Jahren eine Menge an
interessanten Veranstaltungen selber organisert oder als Gastgeber hier untergebracht. Und
wieviele Prominente -Schachspieler oder "normale" Menschen, jedoch mit Bezug zum Schach
- sind bereits durch die geräumigen Hallen gewandelt. Mit etwas Glück ist
man nur einen Handschlag von Emanuel Lasker selbst entfernt, denn auch der
Historiker Isaak Linder hat die Veranstaltungen gelegentlich besucht und er
hat Lasker 1935 in Moskau selbst noch die Hand geschüttelt.
Vergangenen Donenrstag
war der Autor Ronan Bennett zu Gast.
Ronan Bennett
Ronan Bennett ist vor allem in Großbritannien und den USA mit Drehbüchern
und Romanen erfolgreich. Er schreibt in englischer Sparche - natürlich -,
versteht sich selber aber als irischer Autor. Im Jahr 1956 wurde er im nordirischen Newtonabbey in einer katholischen Familie
geboren und wuchs in Belfast auf.
In den Siebzigern, als er dort zur Schule ging, befand sich der nordirische
Bürgerkrieg auf seinem Höhepunkt. Während sich die Republik Irland 1921 von
England gelöst hatte, erhielten die nordirischen Provinzen wegen ihres
hohen Anteils von protestantischen Einwanderern aus England und
Schottland einen Sonderstatus. Spannungen zwischen den katholischen Iren und
den protestantischen Engländern gab es schon seit dem 17. Jahrhundert. Nach
der irischen Unabhängigkeit gewannen diese noch an Schärfe, denn die
protestantischen Unionisten wünschten eine Orientierung nach England,
während die katholischen Republikaner um den Anschluss an Irland kämpften.
Am 12. August 1969 eskalierte der Konflikt
nach dem Sturm von Unionisten auf
die katholischen Wohnviertel in Londonderry (heute Derry) zum offenen
Bürgerkrieg. Mit Hilfe des Militärs konnte die Regierung in London den
Konflikt zunächst beruhigen, doch die Polizeikräfte wurden im weiteren
Verlauf immer mehr in die Kämpfe hineingezogen und selbst zur Zielscheibe
für beide Seiten.
Durch eine ungeschickte Politik der Unterdrückung, die besonders die
Katholiken traf, schürte die Londoner Regierung die Spannungen eher noch.
Die IRA (Irish Republik Army) bekam regen Zulauf aus der Bevölkerung und
finanzielle Unterstützung der Iren, die in den USA lebten.
Nach über 35 Jahren und 4000 Toten wurde der Konflikt schließlich nach zähen
Verhandlungen der beiteiligten Gruppen mehr oder weniger beigelegt. Am
28. Juli 2005 erklärte die IRA die Einstellung der Kämpfe. Viele irische
Künstler haben sich zumeist anklagend mit dem Bürgerkrieg beschäftigt, der
für die Menschen in Nordirland tägliche, blutige Realität war, der man sich
nicht entziehen konnte. Exemplarisch für die Stimmung in der Bevölkerung
Nordirlands seien hier die populär gewordenen Lieder von U2 zum
Blutsonntag ("Sunday, bloody sunday")
U2: Sunday, bloody sunday Yes... I cant believe the news today Oh, I cant close my eyes and make it go away How long... How long must we sing this song? How long? how long... cause tonight...we can be as one Tonight... Broken bottles under childrens feet Bodies strewn across the dead end street But I wont heed the battle call It puts my back up Puts my back up against the wall Sunday, bloody sunday Sunday, bloody sunday Sunday, bloody sunday (sunday bloody sunday...) (allright lets go!) |
And the battles just begun |
Wipe the tears from your eyes Wipe your tears away Wipe your tears away I wipe your tears away (sunday, bloody sunday) I wipe your blood shot eyes (sunday, bloody sunday) Sunday, bloody sunday (sunday, bloody sunday) Sunday, bloody sunday (sunday, bloody sunday) (here I come!) And its true we are immune When fact is fiction and tv reality And today the millions cry We eat and drink while tomorrow they die The real battle yet begun (sunday, bloody sunday) To claim the victory jesus won (sunday, bloody sunday) On... Sunday bloody sunday Sunday bloody sunday... |
oder "Zombie" von den Cranberries genannt.
Cranberries: Zombie Another head hangs lowly, child is slowly taken And the violence causes silence Cranberries Who are we mistaken But you see it's not me, it's not my family Zombie In your head, in your head they are fighting With their tanks, and their bombs Songtexte And their bombs, and their guns In your head, in your head they are cryin' In your head, in your head Zombie, Zombie, Zombie, e, e Lyrics What's in your head, in your head Zombie, Zombie, Zombie, e, e, e, o Another mother's breaking, heart is taking over When the violence causes silence Liedertexte We must be mistaken It's the same old theme since 1916 Liedertext In your head, in your head they're still fightin' With their tanks, and their bombs Alle And their bombs, and their guns In your head, in your head they are dyin' Cranberries In your head, in your head Zombie, Zombie, Zombie, e, e Zombie What's in your head, in your head Zombie, Zombie, Zombie, e, e, e, o, o, o, o, o, o, o |
Das ist die Zeit, in der Ronan Bennett in Belfast seine Kindheit und Jugend verlebte. Die Lebensumstände, umgeben von unverschuldeter Gewalt, prägten seine Persönlichkeit und auch die Themen für seine Romane.
Anlass für den Besuch Bennetts in Berlin war das Erscheinen seines neuen Romans "Zugzwang", der gleichzeitig in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Der deutsche Verlag Bloomsbury Berlin wandte sich zur Durchführung eines Leseabends an die Lasker-Gesellschaft. Gemeinsam stellte man am vergangenen Donnerstag ein spannendes und interessantes Schach- und Literaturprogramm auf die Beine.
Das charmantes
Organisations-Komitee: Anna von Hahn vom Bloomsbury Verlag und Susanna
Poldauf von der Lasker-Gesellschaft
Karin Seyffarth (GCI) und Katinka Nürnberg (Bloomsbury)
Zugzwang ist nicht wirklich ein Schachroman. Es ist ein politischer Roman, in dem Schach nur am Rande vorkommt. Allerdings ständig. So spielen viele der Figuren im Roman Schach und können wie selbstverständlich Züge zu einer Fernpartie vorschlagen, die in der Wohnung des Roman"helden" Dr. Otto Spethman auf einem Schachbrett aufgebaut ist. Viele der Figuren haben zudem Namen, die dem Schachfreund irgendwie bekannt vorkommen, z.B. Gulko (wird leider gleich am Anfang erschossen), Dautov, Grischuk usw.
Doch auch der Roman selbst ist in seiner Struktur dem Muster
einer Schachpartie nachgebildet, in der am Ende Zugzwang herrscht, genau wie in
Spethmans Partie. Jeder Zug
verliert die Partie oder im Roman: in einer bestimmten Situation,
hervorgerufen durch die Lebensumstände, führt jede Entscheidung in
irgendeiner Form zum Verlust.
Zugzwang spielt im Jahr 1914, vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Terroristen, aber auch Intriganten am Hofe, arbeiten am Sturz des Zaren.
Eine wichtige, wenn auch unbeabsichtigte Rolle, spielt der Schachgroßmeister
Avrom Rozental, Favorit eines Großmeisterturniers, das gerade in
St. Petersburg stattfindet. Sein Sieg im Turnier ist für einen Anschlag auf
den Zaren aus bestimmten Gründen von besonderer Bedeutung. Daraus entwickelt sich ein spannender Thriller, übrigens in erstklassiger Übersetzung, wie Prof. Ernst Strouhal betonte.
"Zugzwang" bietet Schachspielern einen spannenden Einstieg in die Welt der Literatur und Literaturfreunden einen leichtfüßigen Zugang in die Abgründe des Schachs.
Nach den Begrüßungsworten durch die Programmleiterin des Bloomsbury Verlages Dorothee Grisebach und Gastgeber Paul Werner Wagner für die Lasker-Gesellschaft...
Programmleiterin Bloomsbury Berlin Dorothee Grisebach
Paul Werner Wagner
... las Ronan Bennett ein kurzes Stück aus seinem Werk in englischer Sprache.
Ronan Bennett liest aus "Zugzwang" ...
Der Schauspieler Farnk Arnold übernahm danach mit zwei längeren Ausschnitten in deutscher Sprache. Zusammen mit Professor Ernst Strouhal, u.a. Autor des Buches 8x8, führten die beiden im Anschluss ein Gespräch über den Roman, seine Entwicklung, das Ausmaß des biografischen Anteils, Schach und Literatur im Allgemeinen, Einzelheiten aus der Schachgeschichte sowie vieles mehr und schlugen mit interessanten Details die zahlreich erschienenen Gäste etwa zwei Stunden in ihren Bann.
Frank Arnold und Susanna Poldauf
Professor Ernst Strouhal aus Wien
Frank Arnold
Professor Holländer mit Gattin
Zuhörer
Anna von Hahn und Lasker schauen ebenfalls zu
So erfuhren sie definitiv, was alle schon vermutet hatten, dass nämlich mit Avrom Rozental natürlich Akiba (Akiva) Rubinstein gemeint ist. Bennett erläuterte, dass Rozental im ersten Entwurf auch noch Rubinstein hieß, so wie die anderen Teilnehmer des historischen Turniers St. Petersburg 1914 auch ihre Namen behalten haben.
Dann hätte sich Bennett sich aber mehr und mehr Freiheiten gegenüber der Person Rubinsteins herausgenommen, so dass er sich entschloss, den Namen zu ändern.
Seitdem er Kmochs "Rubinstein gewinnt" gelesen habe, sei er von dem
Charakter des polnischen Großmeisters fasziniert gewesen, erklärte Bennett.
Nach einem Zug habe sich der schon krankhaft schüchterne Meister am liebsten
hinter Blumenküblen versteckt, um sich unsichtbar zu machen.
Alle seine bisherigen
Romane würden sich mit dem Schicksal von Individuen beschäftigen, so
Bennett,
die durch äußere Einflüsse, den Lauf der Dinge, unverschuldet, in
schwierige, oft ausweglose Situationen gerieten. Dies würde zumeist durch
den Willen anderer, sehr starker Charaktere, verursacht. In
dieser Hinsicht habe ein Mann, bester Schachspieler seiner Zeit, der sich
hinter Blumenkübeln zu verstecken pflegt, sein besonders Interresse geweckt.
In der gewalttätigen Athmosphäre seiner Heimtstadt hat Ronan Bennent sich
als Jugendlicher an Demonstrationen beteiligt und wurde verhaftet.
"Es
klingt hier und heute, In Berlin im Jahr 2007, völlig absurd, aber damals
war dies in Belfast fast normal und es konnte jedem widerfahren".
Meist traf es
Jugendliche, die ohne Jury von Schnellgerichten verurteilt wurden. Bennett
saß mit vielen anderen in Untersuchungshaft. Sein Gefängnis war eher ein
Kriegsgefangenenlager, bestehend aus Hütten mit dünnen Wänden.
"Einer der
Gefangenen war 24 Jahre. Für die anderen galt er als alt".
Unter den
Gefängnisinsassen gab es große Solidarität und keinerlei Gewalt.
"Ich habe
dort gelernt, welche Bedeutung es für schwache Individuen haben kann, wenn
sie miteinader solidarisch sind."
Im Gefängnis bekam Bennett von seinem Anwalt ein Schachbuch geschenkt und
fand damit den schon sprichwörtlich literarischen Einstieg ins Schach:
"Das
Nachspielen der Partien war für mich so, als hätte ich einen Roman gelesen
oder eine Symphonie gehört."
Schach, Bennett
Nach der Lesung und dem anschließenden von Frank Arnold in Deutsch und Englisch vermittelten Gespräch, bei dem Ernst Strouhal sich als ausgezeichneter Kenner von Literatur mit Schachbezug erwies, stand Ronan Bennett natürlich gerne zum Signieren seines Buches bereit.
Dorland-Chef Stefan Hansen und Ronan Bennett
Rainer Woisin (ChessBase) holt sich seine Widmung
Dr. Ann-Catherine Geuder (Bloomsbury) sorgt für Signiernachschub
Zum Ausklang des Abends gab es schließlich noch den Filmtrailer zu sehen, den der Verlag für das Buch angefertigt hat. Natürlich hatte der bisherige Verlauf des Abends auch reichlich Anlass zum Gedankenaustausch geboten.
Lange Filmnacht in der Technik-Ecke des Laskermuseums
Beste Unterhaltung für groß und klein: Carsten Sommerfeld und Dr.
Ann-Catherine Geuder von Bloomsbury Berlin
Anna von Hahn und Frank Arnold
Männerrunde:
Saremba (li.), Wagner, Weischede, Hansen
Andreas Saremba von der Lasker-Gesellschaft in glänzender Laune
Der Deutsche Schachbund, vertreten durch Jörg Schulz
Der Schauspieler Bernd Ludwig las kürzlich bei der Schachveranstaltung im
Jüdischen Museum
Wolfgang Crom, Leiter Kartographischen Abteilung der Staatsbibiothek, im
Gespräch mit Susanna Poldauf
Wie sehr Bennett übrigens vom Schachvirus befallen wurde, mag folgende
Anekdote verdeutlichen, die er ebenfalls an diesem Abend zum besten gab:
An
einem bestimmten Tag war klar, dass einer seiner Roman in mehrere Sprachen
übersetzt werden und in den jeweiligen Ländern erscheinen würde. Ein großer
Erfolg. Am gleichen Abend spielte Bennett, der als eine seiner großen
Rückschäge im Leben empfindet, ein nur sehr mittelmäßiger Schachspieler zu
sein, in einem Simultan mit, das der englische Großmeister Daniel King gab.
Von 25 Gegnern erreichte Bennett als einziger Remis.
Am nächsten morgen rief
seine Agentin an:
"Ronan - was für ein Erfolg!"
"Ja...", antwortete Bennett überglücklich, "... ich wählte die Französische
Verteidigung. Dann habe ich vereinfacht und
so viele Figuren getauscht, dass er nicht mehr gewinnen konnte!"
"Ronan...? Ich weiß gar nicht wovon du redest...
Kurzbeschreibung
Links:
Videos des Bloomsbury Verlags...
Emanuel-Lasker-Gesellschaft...
Interview mit Ronan Bennett...
Schachkolumne mit Ronan Bennett und Daniel King im Guardian...