Shogi (Shonen)-Knife

von ChessBase
30.04.2008 – Die japanische Funpunk-Band Shonen-Knife ist Kult. Kurt Cobain schwärmte einst: "Als ich es endlich schaffte, sie live zu sehen, verwandelte ich mich in ein hysterisches neunjähriges Mädchen bei einem Konzert der Beatles" und engagierte sie als Vorgruppe für eine Nirvana-Tour. Inzwischen sind die "Mädchen" schon 26 Jahre im Geschäft, wollen aber auf jeden Fall noch länger als die Stones auf der Bühne stehen. Bei einer Tour in Kanada vor fünf Jahren ließen sie sich zu einer Partie in der japanischen Schachvariante Shogi überreden. Dr. Rene Gralla spürte einem Bild nach, das die Band beim Shogi zeigt und befragte die Sängerin und Gitarristin Naoko Yamano zu den Umständen der Aufnahme, zur Rolle von Shogi in Japan, zur japanischen Popkultur, dem Universum und dem ganzen Rest. P.S.: In Pullach findet in Kürze übrigens ein offenes Shogi-Turnier mit Qualifikationsmöglichkeit zur diesjährigen Shogi-Amateur-WM statt.Interview im Neuen Deutschland...Nachdruck., Bilder, Infos..

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Das Interview erschien in

 

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung

 

 

"Shogi-Profis sind cool!"

Japans kultige Girl-Band SHONEN KNIFE liebt das Schach ihrer Heimat

Seit Jahren kursiert ein ungewöhnliches Bild durch das Internet. Die Aufnahme zeigt SHONEN KNIFE, Japans Girl-Pop-Fun-Punk-Band Nr. 1,  beim Shogi gegen Fans während eines Tourstopps in Kanada.

SHOGI the SHONEN KNIFE. Die Schwestern Atsuko Yamano (Bass; rechts) and Naoko Yamano (Gesang, Gitarre; 2. v. r., trägt einen Sweatshirt mit roten Ärmeln) von SHONEN KNIFE spielen Shogi am 30. Oktober 2003 in Toronto gegen Brian Wald, eine lokale Shogi-Größe. Die beiden Frontfrauen der japanischen Kultkapelle aus Osaka werden am Brett unterstützt von ihrer damaligen Drummerin Mana Nishiura (3. v. r.; Mana Nishiura starb fast auf den Tag genau zwei Jahre später bei einem Verkehrsunfall auf einem Highway im US-Bundesstaat New Jersey, am 4. November 2005). Der Organisator des Events, der Künstler Tomo Lennon (am Tisch stehend in der Mitte) schaut zu.
Foto: courtesy by Tomo Lennon (c) / authorized by Brian Wald

Das Match soll ausgetragen worden sein am 30. Oktober 2003 in Toronto, wenn man einer entsprechenden Webpage Glauben schenken darf:

Der Hamburger Autor Dr. René Gralla hat mehr über die Geschichte hinter diesem Bild wissen wollen. Wie ist es zu dieser verrückten Begegnung gekommen? Japans Shogi gilt als die anspruchsvollste Schachvariante überhaupt; warum also ließen sich SHONEN KNIFE, wenn simples Autogramme schreiben das doch auch getan hätte, zu einem derart ausgefallenen Meet-and-Greet überreden? Jene Ikonen des Girlie-Pop, von denen einst NIRVANA's unvergessener Kurt Cobain, als er noch unter den Lebenden weilte, hemmungslos schwärmte: "Als ich es endlich schaffte, sie live zu sehen, verwandelte ich mich in ein hysterisches  neunjähriges Mädchen bei einem Konzert der BEATLES."

 

 

Jetzt ist es dem Autor tatsächlich gelungen, via Email ein exklusives Interview zu führen mit NAOKO YAMANO, Sängerin und Gitarristin von SHONEN KNIFE aus Osaka. Er hat Näheres erfahren über den Flirt des Pop-Duos mit Japanschach.

Dr. RENÉ GRALLA: Nach einem Konzert im kanadischen Toronto trugen Sie gegen Fans Partien im Shogi aus. Eine ziemlich ungewöhnliche Idee.

NAOKO YAMANO: Das hat der japanische Künstler Tomo Lennon organisiert, der in Toronto lebt. Wir haben uns gut amüsiert.

SHOGI-Gig mit Pop in Toronto, Kanada. Von links nach rechts: der Künstler Tomo Lennon, der das hoch intellektuelle Meet-and-Greet am 9x9-Felder-Brett organisiert hat; Shogi-Meister Toshiki Tsukada; Atsuko von SHONEN KNIFE; die Interviewpartnerin Naoko von SHONEN KNIFE; Shogi-Meister Yoshi; Mitorganisator und Künstler Walter Willems; Promoterin Camilla Singh. Foto: Tomolennon (c)

DR. R.GRALLA: Wie passt Ihr Image als unbekümmerte Spaßkapelle zu einem reichlich verkopften Spiel wie Shogi?

NAOKO: Ehrlich gesagt konnte ich vor der Aktion in Kanada gar nicht richtig Shogi spielen. Und seitdem habe ich die Regeln auch schon wieder vergessen. Aber ich finde, dass Shogi-Profis cool sind. Ich liebe es, denen im Fernsehen zuzuschauen.

Sogar eine "Pleiten, Pech und Pannen"-Show rund um das Shogi gibt es im japanischen Fernsehen. Die "Shogi Foul Collection" wird von einer Moderatorin im modisch kurzen Kleid präsentiert, vor einem Aufgalopp gut gelaunter Shogi-Promis im Studio. Und mit vielen Lachern vom Band, vor allem dann, wenn mal wieder ein Großmeister den Läufer nicht korrekt über eine Schräge gezogen hat und deswegen im falschen Zielquadranten gelandet ist - was auf dem Shogi-Brett, weil die Felder einfarbig sind und die Orientierung bei Diagonaloperationen daher schwierig ist, leicht vorkommen kann. Wer mehr über die Regeln des Japanschachs erfahren möchte, hier der Link zu einer Zusammenfassung:

http://de.chessbase.com/Home/TabId/176/PostId/307305

DR. R. GRALLA: Vor diesem Shogi-Termin mit Fans mussten Sie selber noch schnell die Regeln lernen. War das hart?

NAOKO: Unsere Drummerin Mana hatte während ihrer Kindzeit oft Shogi gespielt, und sie führte mich, wenn ich die Steine setzte. Im Grunde genommen habe ich Mana bloß zugesehen.

Learning by doing: SHONEN KNIFE's Naoko (Mitte; im Sweatshirt mit roten Ärmeln) und Atsuko (rechts daneben) spielen Shogi gegen Toronto's Brian Wald (rechts). Shogi-Meister Toshiki Tsukada (links) und SHONEN KNIFE's seinerzeitige Drummerin Mana (2. v. links) assistieren. Foto: Tomolennon

DR. R. GRALLA: Wie sind die Partien ausgegangen an diesem Abend in Toronto?

NAOKO: Sorry, das habe ich vergessen.


Relaxte Partie an einem Sommerabend: Shogi-Meisterinnen bei einem Freundschaftsmatch.

DR. R.GRALLA: Shogi gehört zur japanischen Kultur wie die Blumensteckkunst Ikebana oder die Teezeremonie. Welche Bedeutung hat Shogi für Sie?

NAOKO: Shogi ist ein Spiel für den Verstand. Es verlangt viel Intelligenz.


Showpartie im Shogi als Highlight der Amateur-WM 2002 in Tokio: die Superstars Toshiyuki Moriuchi
(mit dem Rücken zur Kamera) und Yoshiharu Habu (Blickrichtung zur Kamera) bei der Arbeit.
Foto: Jeff Rolason

DR. R.GRALLA: In der Gegenwart hat Shogi allerdings ein Imageproblem, gilt als altmodisch. Jugendliche beschäftigen sich lieber mit Gameboy und Nintendo ...

NAOKO: Das stimmt. Bei Jugendlichen ist Shogi weniger populär. Dafür sehe ich in den Parks oft alte Männer, die jeden Tag Shogi spielen.

 


Japanschach im Comic: der beliebte Shogi-Manga "Gekka no Kishi".

DR. R. GRALLA: Andererseits wählen mittlerweile sogar Mangas - wie "Gekka no Kishi" oder "Shion no Ou" - das traditionsreiche Shogi als Leitmotov. Ist das ein Indiz dafür, dass Shogi wieder beliebter wird bei den Kids?

NAOKO: Die von Ihnen genannten Mangas habe ich vorher nicht gekannt. Aber Sie haben Recht, bei den ganz Jungen scheint sich der Trend umzukehren. Viele Kinder spielen Shogi und wollen Profis werden. Schließlich sind die Preisgelder bei Turnieren sehr hoch.

DR. R.GRALLA: Mit seinen einfarbigen Steine, die kryptische Buchstaben tragen, gilt Shogi als die anspruchsvollste Schachvariante überhaupt. Sind Japaner smarter als Menschen aus dem Westen, die für Schach richtige Figuren brauchen?

NAOKO: Das denke ich nicht. Eine clevere Person wird, unabhängig von ihrer Herkunft, immer auch ein starker Shogispieler sein.

DR. R. GRALLA: Warum nicht eine moderne Shogiversion kreieren? Mit richtigen Figuren? Im Manga-Stil - orientiert an Yu-Gi-Oh-Charakteren? Vielleicht als Franchise-Produkt von SHONEN KNIFE? Mit dem Label: "SHOGI KNIFE"?

NAOKO: Das ist eine gute Idee!!!


Shogi-Vision in 3D aus dem 19. Jahrundert: Shogi-Fantasy von Utagawa Kuniyoshi (1797 - 1861).

DR. R. GRALLA: Japans Kultregisseur und TV-Produzent Takeshi Kitano ist ebenfalls Shogi-Fan. Als ich Kitano in Hamburg Anfang 2004 für ein Interview traf, erzählte er mir, dass er in einer seiner eigenen Shows gegen den All-time Champion Yoshiharu Habu gespielt hat. Hätten Sie Lust, gegen Takeshi Kitano eine Partie auszutragen? Vielleicht im Fernsehen?

NAOKO: Sehr gerne - wenn ich noch die Regeln wüsste.


In seiner Yakuza-Ballada "Brother" (2000) erteilt Japans Kultregisseur Takeshi Kitano (links)
einem seiner Kumpels (Mitte) eine Lektion im Shogi.
Mehr über den Shogi-Fan Takeshi Kitano bei ChessBase:
http://de.chessbase.com/Home/TabId/176/PostId/303293

DR. R. GRALLA: Japans Baseball-Star Kei Igawa, der jetzt bei den "New York Yankees" unter Vertrag steht, hat sogar angefangen, seinen Vereinskameraden Shogi beizubringen. Möchten Sie mal gegen Kei Igawa antreten?

NAOKO: Noch einmal - sehr gerne, wenn ich noch die Regeln wüsste. Bitte bringen Sie mir Shogi bei!!


Baseball und Shogi: Kei Igawa, Japan-Import bei den "New York Yankees".

Kei Igawas zweiter Sport...

DR. R.GRALLA: Wie jedes Jahr hat Mitte April zur Kirschblütenzeit in Tendo nördlich von Tokio das berühmte "Ningen Shogi" stattgefunden. Das ist ein Festival im Japanschach, und die Wettkämpfe werden von menschlichen Darstellern in Szene gesetzt. Wie wär's, wenn die Shogi-Band SHONEN KNIFE die Matches 2009 musikalisch begleitet?

NAOKO: Eine klasse Idee, das würde bestimmt Spaß machen!


In eine Samurai-Rüstung steigen und lebensecht Live-Duelle im Japanschach ausfechten:
"Ningen Shogi" alljährlich zur Kirschblütenzeit in Tendo, im Norden Japans.

DR. R.GRALLA: Mädchenbands, die fröhlichen Pop spielen, sind typisch für Japans Szene. Wie kommt das eigentlich?

NAOKO: Das beschränkt sich doch nicht bloß auf Japan. Viele ausländische Formationen sagen, dass sie von SHONEN KNIFE inspiriert worden sind. Sie wollen ihre Musik genießen, das doch großartig.

DR. R.GRALLA: Oder hängt das zusammen mit der Vorliebe der Japaner für alles, was in Ihrer Heimat "kawaii" genannt wird, übersetzt "süß" beziehungsweise "niedlich" ...

NAOKO: ... da Frauen in Japan nun mal meist jünger als ihr tatsächliches Alter aussehen, stehen ihnen Sachen, die "kawaii" sind.

DR. R.GRALLA: Wenn wir Berichten in den Medien glauben dürfen, sollen gerade Japans Männer fixiert sein auf Frauen, die "kawaii" sind ...

NAOKO: ... junge Mädchen lieben süßes Zeug, das "kawaii" ist. Mit den Männern hat das nichts zu tun.

 


Mehr "kawaii" geht nicht: die All-Japanese-Girls-Band "Digicco".

DR. R.GRALLA: Wirklich nicht? Der Kult um "kawaii" scheint heftige Männerphantasien zu befriedigen ...

NAOKO: ... nur jemand, der "otaku" ist - das heißt, gefangen in der Phantasiewelt der Mangas - verwechselt die verkitschten Kunstfiguren der "Kawaii"-Mädchen aus den Comics mit der Realität.

DR. R.GRALLA: Ihre neue CD "fun! fun! fun!" ist bisher nur in Japan erschienen. Wann touren Sie durch Deutschland und bringen im Gepäck Ihr aktuelles Album mit?

NAOKO: Wir suchen gerade nach einer Plattengesellschaft plus Veranstalter. Ich habe von meinen früheren Gastspielen sehr gute Erinnerungen an Deutschland. Die Menschen sind nett, es gibt viele interessante Städte, die Landschaft ist schön, und das Essen ist lecker.

DR. R.GRALLA: Werden Sie sich dann auch im Shogi mit deutschen Konzertbesuchern messen?

NAOKO: Das tue ich gerne.


Foto: Tomolennon (c)

DR. R.GRALLA: SHONEN KNIFE existieren seit inzwischen mehr als 26 Jahren. Eine ziemlich lange Zeit für eine Mädchen-Band, deren Markenzeichen der Funpunk ist. Wie lange machen Sie weiter?

NAOKO: Länger als die Rolling Stones.


Zeigen den Rolling Stones, wo der Hammer hängt: Japans SHONEN KNIFE.

Weitere Infos zu SHONEN KNIFE: www.shonenknife.com ; nächstes Shogi-Event in Deutschland: vom 16. bis 18. Mai 2008 auf Burg Schwaneck in Pullach bei München; ein für jeden, der sich anmeldet, offenes (!) Qualifikationsturnier für die diesjährige Shogi-Amateur-WM Anfang November 2008 in Tendo, Japan.

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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