ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Tals WM-Match im Frühjahr 1960 gegen Michail Botvinik war eines der interessantesten in der Schachgeschichte. Sein überzeugender Sieg markierte eine Zäsur und erschütterte die Schachwelt bis auf den Grund. Im Herbst jenes Jahres wurde der Name Michail Tal dann auch für mich zu einem Begriff. Da spielte der neue Weltmeister bei der Leipziger Schacholympiade; unter anderem auch diese grandiose Partie mit dem jungen Amerikaner Bobby Fischer, die Schlagzeilen machte.
Wir lernten die Züge auswendig und staunten einfach über die Kühnheit und Verwegenheit der Figurenmanöver in dem spannenden Duell. Als 14-jähriger Hobbyspieler konnte ich damals natürlich nicht ahnen, dass ich diesen beiden Schachhelden später hautnah als Reporter begegnen würde.
Fischer vs. Tal
Tals Leben und seine unvergänglichen Partien sind in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Schachzeitungen und Büchern hundertfach dargestellt worden. Das muss hier und heute nicht wiederholt werden. Mich haben vor allem immer Tals Qualitäten als Mensch und als Teamplayer interessiert. Wer den Schachzauberer aus Riga persönlich kennenlernte, war von seiner Spielkunst wie von seinem natürlichen, bescheidenen Wesen gleichermaßen beeindruckt. Ich hatte mehrmals dieses Glück.
Tal verbreitete stets eine Atmosphäre der Freundlichkeit und Gewogenheit. Sein Humor steckte an und schien unerschöpflich. Er war ein Megastar ohne jegliche Allüren. Fast nie schlug er es aus, wenn jemand eine freie Partie mit ihm spielen wollte. Tal nahm an allen Blitzturnieren teil, die man sich denken kann, und er gewann auch meist. Der Ex-Champion im Normalschach wurde 1988, wenige Jahre vor seinem Tode, erster Weltmeister im Blitzschach.
Im Sommer 1973 gab es im Ostteil Berlins Weltfestspiele der Jugend und Studenten. Michail Tal und der junge Anatoli Karpow spielten damals im Freien vor großer Kulisse simultan. Aus irgendeinem Grund habe ich dieses Ereignis seinerzeit verpasst. Ein Schachfreud hat den historischen Moment mit dem Rigaer festgehalten.
Simultan 1973 in Berlin
In seinen letzten Lebensjahren spielte Michail Tal auch in der Schach-Bundesliga. Erst beim Berliner Klub SK Zehlendorf und dann bei der SG Köln Porz. Nicht zuletzt deshalb hatte er in Deutschland besonders viele persönliche Freunde. Zwei Episoden aus der 1. Bundesliga sind mir bis heute in lebhafter Erinnerung.
Im März 1990 gab es in Berlin einen Kampf zwischen Kirchheim und Zehlendorf. Mischa Tal spielte am Spitzenbrett gegen Andras Adorjan. Der empfindliche Ungar hatte sich Watte in die Ohren gestopft, damit er beim Spielen nicht gestört werde. Es dauerte jedoch eine ganze Weile, ehe Tal erschien. Die Uhren liefen schon, und ein Kiebitz neben mir sagte besorgt: „Hoffentlich ist er nicht wieder krank geworden.“ Dann kam der Magier endlich, und eine große Zuschauertraube bildete sich um das Brett der beiden herum. Sie spielten Englisch, doch schon nach 13 Zügen war alles vorbei. Tal und Adorjan rauchten einfach die Friedenspfeife, was die Schachfans natürlich nicht so toll fanden, für mich aber Reporterglück bedeutete.
Ich hatte nun genügend Zeit, Tal zum ersten Mal im Leben zu interviewen. Wir sprachen dabei unter anderem auch über das bevorstehende WM-Match von Garri Kasparow und Anatoli Karpow in New York. „Die beiden sind am Brett zwar Rivalen, aber sonst keine Feinde“, erklärte mir Tal lächelnd. Karpow hat mir diese Einschätzung etwa zehn Jahre später bestätigt und gesagt: „Bei aller Konkurrenz gab es zwischen Kasparow und mir immer diplomatische Beziehungen.“
Bei einem anderen Kampf gegen den Hamburger SK, Michail Tal spielte jetzt für die SG Köln Porz, hatte er es mit Sönke Maus zu tun. Sein junger Gegner führte die weißen Steine und zeigte keinerlei Respekt vor dem großen Namen. In dem Königsinder erspielte er sich eine vielversprechende Stellung. Doch im 28. Zug unterlief ihm ein schrecklicher Patzer, den Tal augenblicklich zum Gewinn der Dame und der Partie nutzen konnte.
Sönke Maus stellte die Uhr ab. Hinterher entschuldigte sich der Schachmagier bei seinem konsternierten Gegner. So war Tal eben. Am Brett wild und gnadenlos, im Leben äußerst liebenswürdig. Gern analysierte er stundenlang mit Kollegen sowie Schachfreunden wie du und ich, und er warf dabei geniale Züge aufs Brett.
In meinem Fotoarchiv fand ich noch einige Dokumente von damals. Es war die Zeit der Papierfotos. Auf einem Bild zeigt Tal dem jungen Ulf von Herman den besten Zug.
Der achte Weltmeister ist im Juni 1992 aufgrund seiner schweren Krankheit viel zu früh verstorben. Er wurde nur 55 Jahre alt. Die Schachwelt trauerte um eine ihrer markantesten Persönlichkeiten. Beim Tal-Memorial 1995 in Riga besuchte ich den jüdischen Friedhof und legte Blumen auf Mischas Grab. Alexej Schirow, so sagte mir dessen Vater Dmitri, ging früher vor großen Turnieren oder Schacholympiaden stets zu Tals letzter Ruhestätte. Auch die Wohnung des Exweltmeisters in Riga habe ich besichtigt. Pläne dortiger Schachfreunde, sie zu einem Museum umzugestalten, fanden aus finanziellen Gründen leider keine Unterstützung der lettischen Regierung. „Das ist mehr als traurig“, beklagte Engelina, die Witwe Tals.
Ein langjähriger Weggefährte Tals ist Boris Spasski. Die beiden waren Konkurrenten, Teamkollegen und Freunde. Bei Schacholympiaden teilten sie oft das Zimmer. 1962 in Varna rette er Tal sogar das Leben, der mit brennender Zigarette im Bett eingeschlafen war. Ich habe mich oft mit Spasski über den achten Weltmeister der Geschichte unterhalten. Boris, der seinem sympathischen Freund neun Jahre später auf dem WM-Thron folgte, sagte unter anderem:
Spasski, Kasparov, Tal
„Mischa war ein besonderer Mensch und ein Messias des Schachs. Ich denke, von ihm ging einfach eine große Magie aus. Wenn er ein Turnier spielte, wurde das Schach-Publikum sogleich von ihm aufgeladen. Alle Zuschauer im Saal standen unter Strom. Tal steckte die Massen einfach an. Er elektrisierte die Leute förmlich, weil er so ein außergewöhnliches Schach spielte. Es war wie von einem anderen Stern. Mit seiner reichen Phantasie und unglaublichen Inspiration hat Michail Tal dem Schach neue Horizonte erschlossen. Deshalb wird er auch noch heute mit Recht so bewundert.“
Zu den großen Verehrern und Freunden Tals gehört auch Artur Jussupow. Er hat mir in etlichen Interviews und verschiedenen Publikationen gern Auskunft über seinen berühmten Kollegen gegeben. In dem neuen Buch „Attacke!“, das noch in diesem Monat im Verlag Chaturanga erscheint, berichtet er in einem speziellen Kapitel über seine Beziehung zu den großen Angriffskünstlern der Schachgeschichte. Im Abschnitt über Michail Tal schwärmt Artur Jussupow von dessen kombinatorischem Blick und führt ein Beispiel aus seiner eigenen Turnierpraxis an.
Artur Jussupow
Hier ein Auszug aus dem Jussupow-Kapitel, mit freundlicher Genehmigung des Verlages:
In meinem Geburtsjahr 1960 eroberte der achte Weltmeister die Schachkrone. Ganz klar war Michail Tal in der Kindheit und Jugend eines meiner großen Idole. Mit 14 Jahren durfte ich bei einem SimuItan gegen ihn antreten und gewann die Partie. Darauf war ich natürlich stolz. Später wurden wir Kollegen und Freunde, spielten bei vielen Mannschaftswettbewerben im sowjetischen Team. Was Tal besonders auszeichnete, war seine große Phantasie und Bereitschaft zum Risiko. Er bemühte sich immer darum, den Kampf zuzuspitzen und verwirrte damit seine Gegner. Für ihn schien auf dem Brett alles möglich zu sein. Als Mensch war Tal sehr angenehm, freundlich und humorvoll, man musste ihn einfach gern haben.
Sein Leben war Schach, das zeigt folgende Geschichte. Beim Kandidatenturnier 1985 in Montpellier spielte er seine Partie, danach wurde lange analysiert. Am späten Nachmittag ging er auch noch zum Open und schaute, was die Amateure machen. Und stellen Sie sich vor, am Abend spielte Tal mit ihnen noch Blitzpartien. Ein Superstar zum Anfassen, der das Schach so sehr liebte. Er war damals schon ein kranker Mann, aber sein Geist noch ganz frisch.
Wenn man Michail Tal als Teamkamerad eine eigene Partie zeigte, dann fand er sehr schnell auch andere, meist bessere Züge. Wie großartig er analysierte und vor allem mit welcher Geschwindigkeit, das erlebte ich bei vielen Gelegenheiten. Sehen wir uns so ein Beispiel an. Bei meiner ersten Schacholympiade in der Schweiz spielte ich gegen den Niederländer John van der Wiel eine interessante Partie, die Michail Tal ganz anders beendet hätte.
Einfach genial! Es hätte mein Meisterwerk werden können, doch ich sah die Kombination mit 25.d5!! usw. nicht. Den Bauernvorstoß spielte ich erst zwei Züge später, als die Situation viel übersichtlicher war. Aber ich bin ja auch nicht das Schachgenie Michail Tal. Solche schönen und dazu schnellen Geistesblitze zeichnen eben die größten Meister aus.
Bei Chaturanga.de
P.S. Der Verlag Chaturanga gibt neben Schachbüchern seit diesem Jahr auch die wissenschaftliche Zeitschrift „Caissa“ heraus, in der es um die Schach- und Brettspiel-Geschichte geht. Zwei Ausgaben sind bereits erschienen, es kommen dort renommierte Autoren wie Robert Hübner und Tim Harding zu Wort. Lesenswert!
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
Master Class Band 2 - Mihail TalVon Dorian Rogozenco, Dr. Karsten Müller, Mihail Marin, Oliver Reeh Kein anderer Schachweltmeister hat jemals die Schachwelt so begeistert wie Mihail Tal. Sein Stern als Weltmeister glühte nur kurz, aber er glühte mit nie gekannter Intensität. Mit seiner Kombinationskunst, seinen intuitiven Opfern überrollte der junge Tal seine Gegner, begeisterte die Schachwelt durch sein riskantes kompromissloses Angriffsspiel und wurde zum Vorbild vieler nachfolgender Spieler. 1960 bezwang er den amtierenden Weltmeister Botvinnik, verlor den Titel allerdings im folgenden Jahre in einem sportlich zweifelhaften Revanche-Wettkampf. Doch auch ohne Weltmeistertitel gehörte Tal weiter zu den besten Spielern der Welt. Mit der UdSSR-Mannschaft gewann er achtmal Gold bei Schacholympiaden. Sechsmal wurde er Landesmeister der Sowjetunion. 1973/74 blieb er in 93 Partien hintereinander ungeschlagen, ein ungebrochener Rekord. 1988 gewann er die Blitzweltmeisterschaft. Trotz labiler Gesundheit genoss Tal das Leben in vollen Zügen und war ein humorvoller und geistreicher Zeitgenosse, der nichts mehr liebte als Schach. Mit dieser DVD erhält man über Mihail Tals Partien einen einzigartigen Zugang zum Reich der Schachtaktik. Tals Kollegen nannten ihren Taktik-Guru den „Magier“, denn wie von Zauberhand fügten sich scheinbar unverständliche Züge am Ende zum erfolgreichen Ganzen. Doch auch auf dem Gebiet der Strategie und im Endspiel war Tal ein Meister seines Fachs. Dorian Rogozenco, Mihail Marin, Oliver Reeh und Karsten Müller stellen den 8. Schachweltmeister und seine Eröffnungen, sein Verständnis der Schachstrategie, seine Endspielkunst und nicht zuletzt seine unsterblichen Kombinationen in Videolektionen vor und laden im interaktiven Test zum Mitkombinieren ein. Die DVD enthält zudem alle Partien von Mihail Tal, viele davon kommentiert, mit Erläuterungen und Turniertabellen. Master Class Band 2 - Mihail Tal• Videospielzeit: 4 Std. 22 min (Deutsch) €29,90 Lieferbar per Download oder per Post. Kostenlose Lieferung innerhalb Deutschlands. Fritztrainer im ChessBase Shop bestellen. |