Ein Hinweis vorweg für die jüngeren Leserinnen und Leser: In diesem Beitrag verwende ich auch alte technische Begriffe aus der Frühzeit der Personal Computer (PC) wie z.B. DOS, Diskette oder parallele Schnittstelle. Fragen Sie einfach die „Wiki“, wenn Sie Näheres zu diesen Begriffen wissen möchten.
Ende der 1980er-Jahre wurde in Hamburg eine Firma gegründet, die ein revolutionäres Produkt für die Schachwelt entwickelte: eine Schach-Datenbank Software für den Personal Computer, die die Schachwelt verändern sollte. Ich möchte Ihnen hier, als ein sehr früher ChessBase-Anwender, die Entwicklung der ChessBase-Software aus meiner ganz persönlichen Anwender-Sicht schildern.
Die ersten ChessBase Versionen wurden ausschließlich für die Atari ST-Computer angeboten, die damals (im Gegensatz zu „IBM-kompatiblen“ PC) schon über eine grafische Benutzeroberfläche mit Fenstern und Mausbedienung verfügten. Sie kennen vielleicht das bekannte Foto des damaligen Weltmeisters Garry Kasparov vor seinem Atari ST mit Chessbase (siehe Jubiläumsartikel).
Ich hatte damals einen PC mit DOS-Betriebssystem und startete daher erst mit der Version 2.3, die erstmals auch für IBM-kompatible PCs angeboten wurde. Die 498 DM für das Startpaket waren für mich als Berufsanfänger ein schwerer Brocken, ich habe die Anschaffung aber nie bereut.

Es ist mir heute noch ein Rätsel, wie ChessBase es geschafft hat, die komplette Software mit grafischer Oberfläche für das rudimentäre DOS-Betriebssystem zu entwickeln, die auf eine einzige Diskette (Kapazität 720 Kilobyte) passte.

Ich kann Ihnen leider keine Bilder der Versionen 2.3 und 3.0 zeigen, denn damals musste man die Original-Disketten zusammen mit dem Bestellformular nach Hamburg schicken, um das Update auf eine neue Version vergünstigt zu erhalten.
Dabei lief ChessBase unter DOS wirklich flott, selbst auf einem PC XT ohne Festplatte (8 MHz CPU, 640 Kilobyte (KB) Hauptspeicher, 2 x 360 KB Floppy-Laufwerke, Grüner Monochrome Monitor) lief das Programm akzeptabel. Wie schon das Handbuch der Version 2.3 beschreibt, ist „… insbesondere bei der Verwendung von größeren Datenmengen – die Arbeit mit einer Festplatte - sehr angenehm“.

Geliefert wurde Chessbase auf einer kopiergeschützten Diskette, man konnte wenige „Installationen“ auf Computer (auch mit Festplatte) übertragen – oder das Programm direkt von der Original-Diskette starten.

CD-ROM oder gar DVD gab es damals noch nicht (oder sie und die Laufwerke waren noch kaum erschwinglich) und auch ein Internetzugang war in privaten Haushalten noch selten anzutreffen – und falls doch, zahlte man „pro Minute“ Online-Zeit, was sehr schnell sehr teuer werden konnte. Daher waren die von ChessBase angebotenen Daten-Disketten und das bereits damals erhältliche ChessBase Magazin (CBM) praktisch die einzige Quelle für größere Partiesammlungen, wenn man nicht selbst Partien aus Büchern oder Zeitschriften eingeben wollte.
Das CBM war quasi unverzichtbar. Alle zwei Monate bekam man per Post ein schönes Heft (mit teilweise über 100 Seiten) mit vielen Beiträgen und Analysen – oft auch von Meistern. Legendär war z.B. die „Abfall“-Kolumne von Robert Hübner.

Ab Anfang der 1990er-Jahre gab es für Softwareanbieter eine schwierige Phase: Microsoft Windows setzte sich immer mehr als PC-Betriebssystem durch, spätestens mit dem Erscheinen von Windows 95 (und Windows NT 4.0) wurde es praktisch unmöglich, Software für DOS zu verkaufen. Einige Hersteller scheiterten an dieser Herausforderung. Aus tollen DOS-Programmen wurden grausige Windows-Programme. Programme wie z.B. DBase, Lotus123, WordPerfect und viele seiner Hersteller gibt es heute nicht mehr.
Auch ChessBase hatte so seine Probleme. ChessBase for Windows (alias CB5) und ChessBase 6.0 konnten nicht überzeugen. Die kopiergeschützte Diskette wurde durch ein „Software-Schutz Modul“ (Dongle) ersetzt, welches an die parallele Druckerschnittstelle des PCs angeschlossen werden musste – keine wirklich gute Idee. Mit den Versionen 7.0 und 8.0 fand ChessBase den richtigen Weg: Die Software (und auch große Datenbanken) wurde auf CD-ROM geliefert und der Kopierschutz war Geschichte.

Zwar wirkte die Benutzeroberfläche ob der Begeisterung über die neue Windows-Fenstertechnik noch etwas verspielt, aber auch dank der leistungsfähigeren PC konnte man nun vernünftig mit dem Programm arbeiten.

Inzwischen hatte sich auch das Datenbankformat geändert. Das alte CBF-Format aus den DOS-Zeiten wurde durch das CBH-Format ersetzt, welches bis heute quasi unverändert genutzt werden kann (mit CB17 kam 2022 das neue 2 CBH-Format dazu).

So richtig rund wurde das Angebot mit den Versionen 9 (2004) und 10 (2007), die auf DVD angeboten wurden und mit einer deutlich verbesserten Oberfläche aufwarten konnten.

Mit ChessBase 11 (2010) verlassen wir die historischen Versionen. Die bis heute fast unveränderte „Ribbon“-Oberfläche wurde eingeführt und ebenso die Aktivierung der Software über das Internet mittels „ChessBaseAdminTool“.
Ab dieser Version kann ChessBase auch heute noch unter den aktuellen Windows Versionen installiert, aktiviert und genutzt werden. Wenn Sie noch ältere Versionen ungenutzt in der Schublade haben, die Jugend Ihres Vereins freut sich bestimmt darüber!
Mit ChessBase 12 kamen die zusätzlichen 64-Bit Versionen, was die Performance deutlich verbesserte, und mit ChessBase 13 die Nutzung der Chessbase-Cloud, aus meiner Sicht ein Meilenstein in der Entwicklung.

| Anzeige |