.jpg)
Und, wie viele Punkte haben Sie in der letzten Punktspielsaison liegen lassen, weil Sie in Zeitnot geraten sind und deswegen im entscheidenden Moment nicht berechnen konnten, ob die Taktik jetzt geht oder nicht? Mein Zeitmanagement am Brett ist nicht komplett katastrophal, aber auch nicht besonders gut, und es dürfte in jeder Ligasaison mindestens ein Punkt sein, der auf diese Weise flöten geht. Wenn es Ihnen ähnlich ergeht, könnte der Kurs von David Navara Abhilfe schaffen. Zeitmanagement ist nämlich eines der Themen, das der tschechische Top-Großmeister (Peak-Rating 2751) in Your Calculation Compass: Know When to Calculate behandelt. Navara zeigt, wann es keinen Sinn macht, Zeit in Variantenberechnung zu investieren, sondern stattdessen der Intuition zu trauen und rasch ein Zug auszuführen ist. Oft sind es übrigens genau diese eher abstrakten Stellungen, in denen notorische Zeitnotspieler sich verlieren, da die Möglichkeiten quasi unendlich sind. Falls Sie also auch einen solchen in der Mannschaft haben, machen Sie ihn einfach auf David Navaras Kurs aufmerksam.
Der Kurs ist, wie der Titel schon sagt, ein Kompass. Navara bespricht, stets klar und pointiert, zahlreiche Konzepte, die mit dem Rechnen in der Praxis zusammenhängen. Alles anhand von Beispielen, viele davon aus seiner eigenen Turnierpraxis.
Was unterscheidet die echte Turnierpartie von Taktikaufgaben oder Studien? Wann macht das berühmte Kandidatenzüge-Modell von Kotov Sinn? Sollte man es in der Praxis etwas anpassen? Wie spielen Berechnung, Stellungsbewertung und Intuition zusammen?
Auch Konzepte wie unsichtbare Züge oder die Suche nach dem Einhorn werden beleuchtet, um nur einige zu nennen. Die Liste ist ziemlich lang, und Navara behandelt jedes der Themen in kurzen Videoclips.
Beispielstellung basierend auf einer Partie Navara-Bartel
Manchmal hat man eine Stellung wie diese, in der es ganz eindeutig ums Rechnen geht und die auch gewonnen sein »muss«. Aber in allen offensichtlichen Varianten gibt es irgendwie ein Problem.
1.Sf5 mit der Mattdrohung auf h8 sieht auf den ersten Blick gut aus, aber nach 1…Tc1+ 2.Lf1 Txf1+ 3.Kxf1 a1D+ 4.Ke2 Da2+ 5.Kf3 Ke8 ist der f7 gedeckt und Schwarz befreit sich.
Auch das Endspiel nach 1. Sb3 a1D+ 2.Sxa1 Txa1+ 3.Lf1 Tcc1 ist nicht vollständig klar.
Ich habe mir an der Diagrammstellung die Zähne ausgebissen und nach einigen Minuten – etwas zu ungeduldig – auf „Play“ gedrückt und mir die Lösung vorführen lassen.
Finden Sie den Gewinnweg? Es geht um das Thema versteckte Züge, und der richtige Zug lässt sich anhand der Varianten, die nicht funktionieren, durchaus herleiten …
Navara-Nguyen Thai, Trainingsmatch rapid 2018
Ein häufiger Fehler beim Rechnen ist, nicht alle taktischen Möglichkeiten des Gegners zu berücksichtigen, gerade am Anfang der Variante nicht genug in die Breite zu gehen. In der Diagrammstellung steht Weiß unter Druck, aber der Einschlag 21.Txb6 scheint seine Probleme zu lösen, oder? Der Turm auf e8 hängt und in manchen Varianten auch der Springer auf a5, etwa 21…f6 22.Tb2 fxg5 23.Dxa5 und Schwarz müsste sich beginnend mit 23…Lxh2+! mit einem Dauerschach begnügen.
Aber nach dem schlichten 21…c6!! – diese taktische Möglichkeit seines Gegners hatte Navara in der Partie nicht berücksichtigt – ist der Turm auf e8 nicht mehr angegriffen und bei Weiß hängt alles. Schwarz gewinnt sofort, denn 22.Tb2 Dxg5! deckt den Sa5 und 23.Lxg5 Te1# ist Matt.
Eine Empfehlung, wie man mit diesem Kurs arbeiten kann
Beim Abspielen des Kurses mit den Chessbase-Grundeinstellungen wird während Navaras Präsentation leider immer sofort die Lösung rechts im Notationsfeld angezeigt. Eine Möglichkeit, das zu vermeiden und den Lerneffekt zu optimieren: Entfernen Sie im Ansicht-Menü den Haken bei »Notation«. So sehen Sie nur das Video und die jeweilige Stellung, aber nicht die Notation. Dann können Sie bei Bedarf das Video anhalten und zunächst selbst nach der Lösung suchen!
Ein nützlicher Bonus ist, dass David Navara die wichtigsten Punkte seiner Präsentation verschriftlicht hat. Kopiert in ein Word-Dokument, entspricht dieses Skript in etwa 3 bis 4 Seiten. Und wer mag, kann sich den Text von der KI seiner Wahl natürlich auch von Englisch in Deutsch übersetzen lassen.
Der Calculation Kompass von GM David Navara ist zwar nur so lang wie eine Tatort-Folge, für den ambitionierten Schachpraktiker aber mindestens ebenso spannend! Dicht und kompakt stellt der tschechische GM in anderthalb Stunden seinen Kompass rund um das richtige Rechnen (oder Nicht-Rechnen!) dar. Die von Navara mitgelieferte Verschriftlichung kann leicht in ein Word-Dokument übertragen werden, um sich die Konzepte vor wichtigen Turnieren oder Partien bei Bedarf in Erinnerung zu rufen.
David Navara (*1985 in Prag) ist Tschechiens erfolgreichster Schachspieler und zählt seit Jahren zur erweiterten Weltspitze. Er wurde früh von renommierten Trainern wie Luděk Pachman gefördert und gewann zahlreiche nationale und internationale Jugendtitel. Mit 14 wurde er Internationaler Meister, 2002 Großmeister. Navara ist vielfacher tschechischer Landesmeister und vertrat sein Land bei allen Schacholympiaden seit 2002, meist am Spitzenbrett. Internationale Erfolge feierte er u. a. mit dem Viertelfinaleinzug im World Cup 2011 sowie dem Gewinn der Blitz-Europameisterschaft 2022. Neben dem Turnierschach studierte er Logik an der Karls-Universität Prag und ist seit 2010 hauptberuflich Schachprofi. Navara ist bekannt für seine Fairness und seine tiefgründige, strategische Spielweise.
Informationen zum Autor im ChessBase-Shop
| Anzeige |