How to play the Caro-Kann – ein praxisorientiertes Schwarz-Repertoire gegen 1.e4
Mit How to play the Caro-Kann Defence liefert Àlvar Alonso Rosell seinen ersten Chessbase-Fritztrainer, der in zwei Teilen mit insgesamt fast 9 Stunden Videolaufzeit ein Schwarz-Repertoire mit der als solide bekannten Caro-Kann-Eröffnung vorstellt.
Schon im Intro weist der spanische Großmeister allerdings darauf hin, dass Caro-Kann tatsächlich häufig gewählt wird, um auf Gewinn zu spielen. Weshalb? Weil es zu unbalancierten Strukturen führt.
Stellung nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sf6 5.Sxf6+ exf6.
Bessere Bauernstruktur vs. freies, dynamisches Spiel
Wie in anderen neueren Caro-Kann-Repertoires fällt auch Alonso Rosells Wahl in der klassischen Hauptvariante 3.Sc3 (Sd2) dxe4 4.Sxe4 auf das moderne 4…Sf6 5.Sxf6+ exf6, das sich auf Top-Level längst etabliert hat.
Die Angst vor dem verlorenen Bauernendspiel geht laut Alonso Rosell schnell verloren, wenn man erstmal Praxis mit der Variante gesammelt hat. Denn der Weg zum Bauernendspiel ist für Weiß weit, und Schwarz verfügt über dynamische Möglichkeiten, gerade wenn der Anziehende zu vorsichtig agiert. In den kritischen Tests nach 6.c3 Ld6 7.Ld3 0-0 8.Dc2 Te8+ 9.Se2 h5! usw. setzt Weiß ohnehin eher auf Königsangriff, weshalb die Springerentwicklung …Sd7-f8 hier für den schwarzen König essentiell ist. Für mich neu war, wie oft stattdessen die Entwicklung …Sa6 eine gute Wahl darstellt, falls Weiß weniger energisch vorgeht. In diesem Zusammenhang konnte ich nur wenige Tage nach dem Schauen des Kurses einen Vorschlag von Alonso Rosell in einem lokalen Schnellturnier erfolgreich testen – siehe unten beigefügtes Partiefragment.
Stellung nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5.
Unterschrift: Die Karlsbader Struktur mit vertauschten Farben zeichnet sich ab
Auch die populäre Abtausch-Variante bietet von Beginn an eine unbalancierte Struktur. Erfrischend ist, dass Alonso Rosell nach 4.Ld3 mit 4…Sf6!? (5.c3 Lg4) fortsetzt. Dies ist anders als der meist empfohlene Hauptzug 4…Sc6 und bietet Caro-Kann-Anhängern die Möglichkeit, ihr Repertoire zu erweitern.
Auch in anderen Fällen tendiert der spanische Großmeister nicht unbedingt zu den theorielastigen Hauptvarianten, sondern zu praktischeren Alternativen. Etwa das trendige 6…a6!? gegen Panov (3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sf3) oder 3…c5 statt 3…Lf5 gegen die kritische Vorstoß-Variante.
»As the engines get better, the engines get stupider.« Diese schachphilosophische Weisheit hört man von Alonso Rosell öfter. In der modernen Schachtheorie landet man häufig in 0.00 Stellungen. Aber was sagt das überhaupt aus? Die Engine-Bewertung verrät nichts darüber, ob die Stellung am Brett für Schwarz ein absoluter Albtraum ist, da jeder Zug sitzen muss und ansonsten der sofortige K.-o. droht. An manchen Stellen gibt Alonso Rosell seinen Zuhörern daher zwei Optionen mit auf den Weg: die objektiv beste, aber theorielastige, und noch eine zweite, die womöglich bei bestem weißem Spiel nicht ganz ausgleicht, dafür aber schnell erlernbar ist.
Zwei Varianten zur Auswahl gibt es zum Beispiel gegen die giftige Endspiel-Variante 2.Sf3 d5 3.d3:
Stellung nach 1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.d3.
Alonso Rosell erklärt, dass dieses Abspiel deshalb so giftig ist, weil Weiß bei leichter Initiative die Bauernstruktur symmetrisch halten möchte. Objektiv am besten sollte der Übergang in das Endspiel nach 3…dxe4 4.dxe4 Dxd1+ 5.Kxd1 sein, aber Schwarz muss bis zum kompletten Ausgleich noch etwas Genauigkeit zeigen. Stattdessen kann man auch 3…Dc7!? auspacken, was potenziell riskanter ist, die meisten Gegner jedoch auf dem falschen Fuß erwischen dürfte.
Generell merkt man dem spanischen Großmeister, der immer wieder Vergleiche zu anderen Eröffnungen zieht, bei seinem Vortrag an, dass er ein starker Praktiker ist. Über modernes Herangehen an das Thema Eröffnungen auf Großmeister-Level können die Zuhörer hier einiges mitnehmen.
Fazit:
GM Alonso Rosell bietet in angenehmem Vortragsstil ein modernes Schwarzrepertoire gegen 1.e4, das sowohl als Einstieg in die Caro-Kann-Variante dienen kann als auch erfahrenen Anhängern dieser Eröffnung, die ihr Repertoire updaten und erweitern möchten. Dazu kann die Datenbank genutzt werden, die im Bonus-Bereich des Fritztrainers enthalten ist. Die Datenbank orientiert sich an den in den Videos gezeigten Varianten und ist somit etwas weniger umfassend als etwa Repertoirebücher. Da der spanische Großmeister häufig praktische Alternativen zu den Hauptvarianten wählt, sollte aber für jeden Caro-Kann-Spieler etwas Neues und Spannendes dabei sein.