Es ist schon eine Weile her, daß in Berlin ein großes ChessBoxing-Event stattgefunden hat. Im März 2018 wurde der Intellectual Fight Club X im Festsaal Kreuzberg durchgeführt. Danach hatte der ChessBoxing Club Berlin (CBCB) zunächst mit Terminproblemen zu kämpfen und mitten in der Pandemie, die den Kontaktsportarten naturgemäß noch mehr zu schaffen machte als dem Schachsport an sich, verstarb Iepe Rubingh, der „Erfinder“ des Schachboxens und Gründer des CBCB am 08. Mai 2020.
Es dauerte verständlicherweise lange, bis sich die internationale Schachbox-Community neu positionieren konnte. Im Oktober 2021 traten sie mit Showkämpfen im „Goldenen Haus“ erstmals wieder an die Öffentlichkeit. Mehr als ein Jahr später, im November 2022, folgte die vielbeachtete und erfolgreiche Teilnahme von Berliner Kämpfern an der IV. ChessBoxing World Championship in Antalya (TUR), bei der u.a. Alina Rath ihren 2019 errungenen Weltmeistertitel erfolgreich verteidigen konnte.
Viele neue Kämpfer und Kämpferinnen fanden den Weg zum CBCB, der seinerseits im Mai 2022 dem Berliner Schachverband beigetreten ist. Bei den Wettkämpfen um die Berliner Mannschaftsmeisterschaft wird natürlich weiterhin nur Schach gespielt und die Boxhandschuhe bleiben zu Hause.
Im Sommer 2023 gab es einen Showkampf im Mauerpark und drei Wochen nach der für den CBCB überaus erfolgreichen V. ChessBoxing World Championship in Riccione (ITA) stand die ChessBoxing Fight Night im World Chess Club Berlin auf dem Terminplan. Alle Tickets waren schnell vergriffen – bereits eine Woche vor dem Termin war die Veranstaltung ausverkauft.
Auf dem Programm standen fünf Kämpfe unterschiedlicher Gewichts- und Leistungsklassen.
Den Auftakt machten Roman Doroshenko (87 kg, ELO 1200) gegen Darvin Canameti (90 kg, ELO 1100). Für beide war es der Debütkampf und entsprechend ungestüm gingen sie sowohl auf dem Brett als auch im Ring zu Werke. In der zweiten Schachrunde konnte Canameti dann seinen Stellungsvorteil verwerten und gewann im 19. Zug durch Schachmatt.
Im zweiten Kampf trafen Alisha Lara Wallat (70 kg, ELO 1300) und Guitong Li (55 kg, ELO 1100) aufeinander. Es wurde sowohl spannendes Schach als auch spannendes Boxen geboten. Alisha verpaßte einige gute Möglichkeiten und ging letztendlich in der dritten Schachrunde Schachmatt.
Nach der ersten Pause wurde der dritte Kampf ausgetragen. Die Kontrahenten waren der frischgebackene Junioren Weltmeister Arminius Rolle (50 kg, ELO 1300) und Stefano Tudoran (59 kg, ELO 1000). Auch hier gab es einen spannenden Fight, bei dem Arminius überraschend in der zweiten Schachrunde völlig das Konzept verlor und das Schachmatt quittieren mußte.
Im vierten Kampf kam es zum Aufeinandertreffen von Vize-Weltmeister Fabian Alcer (68 kg, ELO 1900) und Leon Bender (66 kg, ELO 2050). Leon hatte noch am Vormittag in der Berliner Landesliga eine Turnierpartie gespielt. Die hohen Wertungszahlen der beiden Kämpfer sind auch ein Beweis dafür, daß sich beim Schachboxen das schachliche Niveau merklich gesteigert hat. Beide spielten eine sehr ruhige Variante der italienischen Partie und nach dem 21. Zug wurde in total ausgeglichener Stellung das Brett aus dem Ring gebracht und die Boxhandschuhe übergestreift. Nach dem Auftaktgong trauten die Zuschauer und Zuschauerinnen kaum ihren Augen, denn nach dem zurückhaltenden Auftakt auf dem Brett lieferten sich Fabian und Leon einen leidenschaftlichen Fight, der alle begeisterte. Es war nicht verwunderlich, daß dieser Kampf mit einem Knockout endete. Fabian war der umjubelte Sieger im Ring.
Nach einer abermaligen Pause war der Hauptkampf des Abends angesagt: Timo Bieri (76 kg, ELO 1300), aktueller WM-Teilnehmer 2023 kämpfte gegen den seit 2013 ungeschlagenen Weltmeister (3 Kämpfe, 3 Siege) Sven Rooch (71 kg, ELO 1500) aus Dresden. Der Fight wurde als Sparringskampf ohne Wertung unter Profiregeln ausgetragen und bot hochklassiges Boxen und spannendes Schach. Mit der Teilnahme von Sven Rooch schloss sich dann auch ein Kreis, denn Sven war beim letzten großen Event 2018 ebenfalls der Hauptkämpfer gewesen.
Das Publikum ging begeistert mit und nach dem Ende der Veranstaltung waren sich alle einig, daß bis zur nächsten ChessBoxing Fight Night keinesfalls wieder fünf Jahre vergehen dürfen!
Bernhard Riess
Vizepräsident Berliner Schachverband
ChessBoxing Club Berlin...