Mit der Zugfolge e6/a6 wird die Option offengelassen, d5 in einem Zug zu spielen, zudem ist der Ausfall Lb4 eine Option. Konkretes Wissen ist im Paulsen-System weniger entscheidend als die Kenntnis der taktischen und positionellen Motive.
Die DVD zum Paulsen-Sizilianer war von Beginn an ein sehr besonderes Projekt für mich. Nicht nur konnte ich mit meinem Mannschaftskollegen Alexander Seyb einen großartigen Co-Autoren und Sizilianisch-Experten ins Boot holen, auch fühle ich mich dem Thema Paulsen seit frühester Kindheit sehr verbunden. Im Grundschulalter bekam ich den Zug 1...c5 gezeigt, habe als Kind nie etwas anderes gespielt und bei meiner ersten deutschen Jugendmeisterschaft im Jahr 1999 holte ich damit 4/4. Bei meinem Stammverein in Rosenheim war Paulsen die große Mode. Trainer wie Schüler, alle spielten Paulsen. Acht Jahre später und 2200 Elo reicher legte ich dann den Paulsen ab, experimentierte mit Französisch, Spanisch und blieb zuletzt bei Caro-Kann hängen. Zum Paulsen-Sizilianer kehrte ich (erstmal) nicht wieder zurück. Für die Aufnahmen in Hamburg brauchte es daher viele Blitzpartien und Analysesessions mit Alex und Co, sodass ich mich bzw. wir uns als Autoren gewappnet genug fühlten.
Umso neugieriger war ich nach den Aufnahmen natürlich darauf, wie sich das Repertoire im Praxistest schlagen würde. Denn klar war, dass die Arbeit nicht nur für die DVD gemacht wurde, sondern auch meinem eigenen Schwarzrepertoire etwas Flexibilität einhauchen sollte. Einem erster Härtetest wurde es dabei beim Bundesliga-Meisterschaftsturnier vergangenen September in Karlsruhe unterzogen. Für Berlin am zweiten Brett, alle Gegner über 2500 - Paulsen, zeig was du kannst!
Gegen Yuriy Kryvoruchko lande ich über die englische Zugfolge in unserem Paulsen-Repertoire. Paulsen - genauer gesagt: der Igel-Aufbau - funktioniert sowohl gegen 1.e4 als auch gegen 1.c4.
Da ich auch in den vergangenen Jahren gegen Englisch öfters zum Igel gegriffen habe ist Kryvoruchko darauf vorbereitet und wir spielen die folgenden Züge schnell herunter.
Mit schwarzem Hemd und schwarzen Steinen gegen Ukraines Nr. 1 Yuriy Kryvoruchko | Foto: Schachbundesliga
Für Schwarz spielt sich die Eröffnungsphase in dieser Variante ohnehin recht leicht - die Figurenaufstellung ist erstmal immer die gleiche.
Auf der DVD besprechen wir die schwarzen Pläne wie die Umgruppierung ...Ld8 und ...Lc7, den ambitionierten Fischer-Plan ...Kh8!?, ...Tg8 und ...g5 sowie Pläne mit ...h5. Quer zu all diesen Variationen liegt dabei immer als zentrale Thema des Igels der Vorstoß ...d5 - funktioniert dieser taktisch, so sollte man nicht davor zurückschrecken. Konkret habe ich hier eine gute gute Möglichkeit zu 16...d5, da nach zweimaligem Schlagen 17.cxd5 exd5 18.exd5 Ld6! mit Gegenspiel gegen h2 folgt.
Weiß möchte in der Diagrammstellung auch nicht 18.g3 spielen. Schwarz holt nach 18...Da8 den Bauern d5 ab und hat dann schönen Druck auf der langen Diagonale. Kryvoruchko entscheidet sich daher richtigerweise für 17.cxd5 exd5 18.Lf4, doch nach 18...Ld6 habe ich erstmal keine Probleme. Die Partie läuft auf recht typische Weise weiter. Weiß hat zeitweise einen Mehrbauern auf d5 bzw. d6, kann diesen aber langfristig nicht ausreichend decken.
Logisch wäre hier der Verlauf 26...Se8 27.d7-Sf6 nebst ...Txd7 und einem ausgeglichenen Endspiel. Ich komme jedoch beginnend mit 26...h6?! vom Weg ab und verliere bei herausnahender Zeitnot zuerst die Kontrolle und dann die Partie.
In Runde 4 treffe ich mit Sebastian Bogner auf einen alten Bekannten. Vor über 19 Jahren hatten wir im Paulsen zum ersten Mal die Schwerter gekreuzt, damals mit besseren Ausgang für mich. Zu meiner Überraschung scheint Bogner jedoch weder 1...c5 noch von meiner Wahl des Paulsens irritiert zu sein. Nach der Partie meint er, sich zwar primär auf Caro Kann eingestellt zu haben, irgendwo aber den Braten gerochen habe. Und so bewegen wir uns schnurstracks in eines der kritischeren Abspiele unserer DVD hinein.
Wie wir auf der DVD ausführlich darlegen, stellt die Fianchetto-Aufstellung am Königsflügel eine ausgezeichnete Wahl gegen die weißen Aufbauten mit Ld3 und De2 dar. Schwarz kann hier Igel-typisch mit ...b6 oder ...Sde5 fortfahren oder aber die Partie mit dem überraschenden Einschlag 13...Lxc3!? in schärfere Gewässer leiten. Dieses Konzept wurde mir in Jugendtagen von meinem Coach Michael Bezold nahegebracht und übt auch heute noch eine große Anziehungskraft auf mich aus.
Schwarz hat seinen stolzen Lg7 abgegeben um die weiße Struktur am Damenflügel langfristig zu schädigen. Beginnend mit 14...f6! plane ich nun eine schwarzfeldrige Bauernkette zu installieren, wonach das Fehlen meines Läufers kein großes Problem darstellt. Meine nächsten Züge sind ...e5, ...Sc5, ...Le6 sowie die Umgruppierung ...Sd8 und ...Sf7. Letzteres überdeckt den d6 und sorgt für Stabilität am Königsflügel. Das Mittelspiel lief vorerst sehr gut für mich. Ich kann meine Umgruppierungen in Ruhe vollziehen und beginne, die Schwäche c4 aufs Korn zu nehmen.
Um c4 etwas zu entlasten folgt nun 24.Sd5 und zwei Züge später werfe ich meinen Vorteil leider über Board.
Während mir 26...dxc5 ein angenehmes Endspiel ohne Risiko beschert, wähle ich das deutlich schwächere 26...Txc5? Das Problem hierbei ist, dass Weiß nach 27.Le3 Tc8 mit 28.c5! ein starkes Bauernopfer hat. Der Lb3 erwacht zum Leben und findet auf d5 ein Traumfeld. Die schwarze Majorität am Damenflügel ist nicht beweglich, sodass Weiß hier ausreichend Kompensation für das Material hat. Die Partie endet bald und ohne weitere Fehler in einer Zugwiederholung.
Meine Feuerprobe im Paulsen-Sizilianer nach etwa 13 Jahren Pause darf ich unbescheiden als vollen Erfolg verbuchen. Gegen Kryvoruchko zeigt der Igel seine Stacheln - mit der Stellung nach 16...d5! kann ich zufrieden sein. Gegen Bogner wage ich mit 13...Lxc3 ein positionell anspruchsvolles Konzept in einem kritischen Abspiel. Und auch hier: Weiß gelingt es nicht, Probleme zu stellen - das Mittelspiel läuft bis zu 26...dxc5? wie am Schnürchen.
Die Sizilianische Verteidigung gilt als der Ferrari unter den Schacheröffnungen. Mit 1..c5 wird bereits im ersten Zug eine Asymmetrie erzeugt und Weiß das Feld am Königsflügel überlassen. Schwarz versucht von Beginn an, das Spiel zu verkomplizieren und die Initiative an sich zu reißen. Dieses riskante Vorgehen birgt natürlich zahlreichen Fallstricke.
Während auf absolutem Spitzenniveau Najdorf und Sveshnikov-Sizilianisch diskutiert werden - und sich hierzu entsprechende Berge an Theorie entwickelt haben - fährt das Paulsen-System im Windschatten ihrer großen Brüder mit. Mit der Zugfolge ...e6 und...a6 wird die Option offengelassen, ….d5 in einem Zug zu spielen, zudem ist der Ausfall...Lb4 eine Option. Konkretes Wissen um die einzelnen Abspiele ist im Paulsen-Systemweniger entscheidend als die Kenntnis der taktischen und positionellen Motive.
Diese DVD bietet ein komplettes, aggressives und kompromissloses Repertoire gegen 1.e4, das auch für Hobby- und Vereinsspieler leicht zu erlernen ist und besonders die Liebhaber taktischer Verwicklungen ansprechen dürfte.
• Videospielzeit: Über 8 Stunden (Deutsch)
• Interaktive Aufgaben mit Video-Feedback
• Extra: Datenbank mit Musterpartien
• Tool zum Ausspielen von Repertoire und Schlüsselstellungen