Die Schlussrunde des Kandidatenturniers: Chancen und Favoriten

von Macauley Peterson
27.03.2018 – Eine Runde ist beim Kandidatenturnier in Berlin noch zu spielen. Fabiano Caruana ist mit 8,0 aus 13 mit einem halben Punkt Vorsprung alleiniger Tabellenführer und hat die besten Chancen, das Turnier zu gewinnen. Aber Sergey Karjakin, Shakhriyar Mamedyarov und Ding Liren können sich auch noch Hoffnungen machen, wenn die Dinge gut für sie laufen. Macauley Peterson hat genau hingeschaut. (Foto: Blick in den Spielsaal ©Niki Riga)

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Vorteil Caruana

Sind zwei oder mehr Spieler beim Kandidatenturnier 2018 nach 14 Runden punktgleich, wird der Turniersieger nicht am Brett in einem Stichkampf ermittelt, sondern es entscheidet zunächst die Wertung -  eine der umstrittenen Regularien des Kandidatenturniers.

Tabellenstand vor der letzten Runde

Die besten Chancen auf den Turniersieg hat Caruna, der mit einem halben Punkt Vorsprung an der Spitze der Tabelle liegt. Aber die Entscheidung ist noch längst nicht gefallen und in vielen Tie-Break-Szenarien liegt Mamedyarov vorne.

 

Runde 14: Was ist besonders wichtig?

Man darf gespannt sein, wie Caruana mit der Situation umgehen wird. Dieses Mal hat er eine deutlich bessere Ausgangsposition als in der Schlussrunde des Kandidatenturniers 2016 in Moskau, als er in der letzten Runde mit Schwarz gegen Karjakin unbedingt einen Sieg brauchte. In Berlin spielt er in der letzten Runde mit Schwarz gegen Grischuk und mit einem Sieg in der Schlussrunde kann Caruana aus eigener Kraft Turniersieger werden. Und auch wenn die Partie "nur" Remis wird, hat Caruana noch gute Chancen auf den Turniersieg. Eine Niederlage kann er sich jedoch nicht leisten.

Caruana

Caruana spielt mit Schwarz, aber spielt er auch auf Gewinn? Und wie geht Grischuk in die Partie?

Sergey Karjakin vs. Ding Liren

Karjakin hat Weiß gegen Ding Liren und für beide ist dies eine eminent wichtige Partie. Ding liegt einen ganzen Punkt hinter Caruana und um noch Chancen auf den Turniersieg zu haben, muss Ding gegen Karjakin gewinnen und dann hoffen, dass die anderen Partien zu seinen Gunsten ausgehen.

Auch Karjakin hilft höchstwahrscheinlich nur ein Sieg, um das Turnier zu gewinnen. Karjakin reicht nur dann ein Remis, wenn Mamedyarov und Caruana beide verlieren. Aber sollte Karjakin tatsächlich gewinnen und Ding Liren die erste Niederlage im Turnier zufügen, dann stehen Mamedyarov und Caruana enorm unter Druck.

Alexander Grischuk vs Fabiano Caruana

Grischuk spielt in der letzten Runde mit Weiß gegen Caruana. Grischuk hat im Kandidatenturnier schon eine Reihe aufregender und spannender Partien gespielt und so kann auch in seiner Partie mit Caruana alles passieren. Aber Grischuk selbst hat keine Chancen mehr, das Turnier zu gewinnen, doch mit einem Sieg gegen Caruana kann er seinem Landsmann Karjakin helfen, an Caruana vorbeizuziehen.

Alexander Grischuk ist aus dem Rennen | Foto: World Chess

Vladimir Kramnik vs. Shakhriyar Mamedyarov

Mamedyarov spielt mit Schwarz gegen Kramnik, aber da ihm ein Remis wahrscheinlich nicht hilft, wird er vermutlich aggressiv spielen und sich verschiedene Möglichkeiten offen halten. Und Kramnik könnte Karjakin mit einem Sieg gegen Mamedyarov Schützenhilfe leisten.

Levon Aronian vs Wesley So

Diese Partie zwischen den beiden Spielern am Tabellenende hat geringen Einfluss auf die Sonneborn-Berger Wertung (siehe unten), aber spielt für die Wertungskriterien, die über den Turniersieg entscheiden, keine Rolle. Und da es auch für die Spieler um nichts mehr geht, kann man damit rechnen, dass Aronian und So bald Remis machen, um ein Turnier, das sie gerne vergessen würden, schnell zu beenden.

Welche Wertung entscheidet?

Es gibt drei Wertungskriterien, aber wahrscheinlich entscheiden schon die ersten beiden.

Tie-Break Kriterium #1: Direkte Begegnung

Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei oder mehr Spieler am Ende die gleiche Punktzahl haben, ist einigermaßen hoch. Und da in Berlin zahlreiche Partien entschieden worden sind, entscheidet die direkte Begegnung auch in einer ganzen Reihe von Tie-Break-Szenarien. Das ist gut für Karjakin, wenn er am Ende genau so viele Punkte wie Caruana hat, denn in Runde 12 hat Karjakin gegen Caruana gewonnen. Aber punktgleich Erster mit Mamedyarov möchte Karjakin nicht werden: denn gegen Mamedyarov hat Karjakin einmal Remis gespielt und einmal verloren. Mamedyarov und Caruana haben sich zwei Mal Remis getrennt. Das heißt, wenn Caruana, Karjakin und Mamedyarov am Ende punktgleich sind, dann hat Mamedyarov die Nase vorn.

Allerdings hat auch Ding Liren noch Chancen - wenn auch nur sehr kleine. Wenn Ding gegen Karjakin gewinnt, Mamedyarov Remis spielt und Caruana verliert, dann kommen Ding, Caruana und Mamedyarov alle auf 8 Punkte - und in diesem Fall hat Ding das beste Ergebnis aus seinen Direktbegegnungen gegen Mamedyarov und Caruana.

Tie-Break Kriterium #2: Zahl der Siege

Falls das Tie-Break Kriterium der direkten Begegnungen keine Entscheidung bringt, dann kommt das zweite Tie-Break Kriterium zur Anwendung: die Zahl der Siege. Karjakin und Caruana haben bislang vier Siege auf ihrem Konto, mehr als alle anderen Spieler in dem Turnier. Aber wenn Mamedyarov in der Schlussrunde gewinnt, dann kommt er auch auf vier Siege. Wenn Mamedyarov und Caruana also die gleiche Punktzahl haben, dann zählt die Sonneborn-Berger Wertung, das dritte Tie-Break Kriterium. Es sei denn, Caruana verliert in der letzten Runde während Mamedyarov und Karjakin beide Remis spielen. Dann kommen Mamedyarov, Karjakin und Caruana alle auf drei Punkte und (wie oben erläutert) hat Mamedyarov dann die Nase vorn.

Memedyarov

In vielen Tie-Break Szenarien liegt Mamedyarov vorne | Foto: Niki Riga

Tie-Break Kriterium #3: Sonneborn-Berger Wertung

Sollte auch die Zahl der Siege keine Entscheidung bringen, kommt die Sonneborn-Berger Wertung zur Anwendung. Das könnte passieren, wenn sich Mamedyarov und Caruana am Ende mit je 8½ Platz eins teilen. Dann entscheidet, wie sie gegen die anderen Spieler im Turnier abgeschnitten haben. Der Grundgedanke der Sonneborn-Berger Wertung ist der, dass Punkte (Siege oder Remis) gegen Spieler, die im Turnier besser abgeschnitten haben, mehr zählen, als Punkte gegen Spieler, die im Turnier schlecht abgeschnitten haben. Und hier schneidet Mamedyarov besser ab als Caruana.

Aber wer ist Favorit?

Caruana ist klarer Favorit, aber es gibt auch eine ganze Reihe von Szenarien, in denen Mamedyarov oder Karjakin Turniersieger werden.

Ein Schachfan hat die genauen Wahrscheinlichkeiten ausgerechnet. Rechnerisch hat Caruana vor der letzten Runde eine mehr als 50-prozentige Gewinnchance. Spielt er in der letzten Runde Remis gegen Grischuk, werden seine Chancen auf den Turniersieg rechnerisch noch höher. Aber eben nur rechnerisch.

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Macauley ist Editor in Chief der ChessBase News in Hamburg, Germany, und Producer des The Full English Breakfast chess podcast. Er war Co-Producer eines Dokumentarfilms über Magnus Carlsen.

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