Drei deutsche Teams bei Schacholympiaden

von Max Berchtenbreiter
14.01.2021 – Drei deutsche Teams bei der Schacholympiade? Doch das gab es. Von 1952 in Helsinki bis 1956 in Moskau nahm neben West- und Ostdeutschland das Saarland als dritte deutsche Mannschaft teil. 1954 in Amsterdam fehlte die DDR und so spielten zwei deutsche Teams aus dem Westen. Mit Otto Benkner hatte das Saarland ein starkes erstes Brett. Max Berchtenbreiter berichtet. | Fotos: Saarländischer Schachverband, Bild: Die saarländische Olympiamannschaft 1952, v.l.: Gerhard Lorson, Otto Benkner, Franz Jacob, Begleiter Karl Hartnagel, Ernst Weichselbaumer, Felix Jost.

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Heutzutage sind Schacholympiaden Massenevents. Im georgischen Batumi 2018 nahmen alleine im offenen Turnier 184 Teams teil. Aufgrund der Einschränkungen durch die Coronakrise ist die Schacholympiade, die dieses Jahr Moskau stattfinden sollte, inzwischen auf 2022 verschoben. Diese kalendarische Anomalie ist aber nicht die einzige Besonderheit in der langen Geschichte der Schacholympiaden. Zuletzt war es zum Beispiel üblich, dass der Ausrichter gleich mehrere Teams ins Rennen schicken durften. Bei der Schacholympiade 2008 in Dresden profitierten davon u.a. die damaligen deutsche Nachwuchsspieler, die dadurch zum ersten Mal Deutschland schachlich repräsentieren durften.

Nachdem bis 1957 gar keine offiziellen Frauen-Wettbewerbe stattgefunden hatten, hat die FIDE die „Womens Section“ seit 1976 in die Organisation der „Open Section“ integriert. Überhaupt gibt es erst seit 1976 das Schweizer System als Turnierformat. Davor wurde je nach Teilnehmerfeld ein Rundenturnier oder ein System mit Vor- und Finalrunden angewandt. In Zeiten internationaler Spannungen in den 1930er Jahren variierte die Zahl der mitspielenden Länder stark. So verwundert es nicht, dass erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem zweijährigen Rhythmus eine gewisse Routine einkehrte. 1950 fand die erste Nachkriegsolympiade in Dubrovnik noch ohne die Sowjetunion statt, die auch sicher da schon haushoher Favorit gewesen wäre. 1952 trafen sich dann 25 Teams im finnischen Helsinki, um in Vor-und Finalrunden einen Sieger zu ermitteln. Darunter neben der debütierenden Sowjetunion, auch gleich drei (!) deutsche Mannschaften.

Dreimal Deutschland bei der Schacholympiade

Dabei kommen einem natürlich direkt zwei Teams in den Sinn. Nach der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen und der folgenden Gründung der Staaten Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik 1949 war die Teilung Deutschlands zementiert. Anfangs gab es sogar noch gemeinsame deutsche Schachmeisterschaften, doch dann wurde die Teilung in zwei Staaten auch im Schach vollzogen. 1952 nahmen Westdeutschland und Ostdeutschland mit eigenen Mannschaften an der Schacholympiade in Helsinki teil, doch wer war das dritte Team?

Das Saarland – ein geographischer Zwerg auf der internationalen Schachbühne

Geographisch an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich gelegen, war das kleine Saarland über Jahrhunderte hinweg Objekt der Begierde unter den dominierenden Mächten. Nachdem es nach dem Ende Napoleons und mit der Gründung des deutschen Reiches auf Grund seines Schwerindustriegebiets als „Saarrevier“ – obwohl formal Teil der bayerischen Monarchie - ein wichtiger Teil des Kaiserreichs wurde, wurde das Land in Folge des Versailler Vertrages von 1920 bis 1935 eigenständig, kam aber unter französische Verwaltung. Nach einer Volksabstimmung 1935 trat das Saarland dann dem nationalsozialistischen Deutschland bei. Die wechselvolle Geschichte des Saarlandes mündete nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in eine von Frankreich initiierte Abspaltung von den übrigen deutschen Gebieten.  Fortan war das Saarland von 1947 bis 1956 ein eigener Staat unter starkem französischen Einfluss, was u.a. mit der Einführung des Francs als Zahlungsmittel im Jahr 1947 dokumentiert wurde.

Die saarländischen Schachspieler profitierten in gewisser Weise von den politischen Umständen, konnten sie doch von 1952 bis 1956 an drei Schacholympiaden teilnehmen. 1952 in Helsinki nahmen also erstmals gleich drei deutsche Mannschaften teil. 1956 in Moskau passierte dies erneut. Bei der Schacholympiade 1954 in Amsterdam spielten mit der BRD und dem Saarland zwei deutsche Mannschaften mit, die DDR bleib fern.

Bei der Vorrunde des Turniers in Helsinki trafen das BRD-Team und die Mannschaft des Saarlandes sogar aufeinander.

 

21.Sb4 Db6 22.Sd3 Lxe4 23.Sxc5 Lxf3 24.Dxf3 Dc6 25.Td7 e4 26.Dxe4 1–0

Otto Benkner, 1909 in Frankfurt geboren, war ein sehr starker Spieler, der sicher IM-Stärke hatte, auch wenn er die Titel nie erreichen konnte. Dies lag auch an den Umständen. Im Zweiten Weltkrieg hatte er den linken Arm verloren; die Folgen der Kriegsverletzung machte ihm in späteren Jahren schwer zu schaffen. Herbert Bastian hat 2009 anlässlich des 100sten Geburtstages für den Deutschen Schachbund ein schönes Portrait dieses nicht so bekannten deutschen Schachspieler verfasst (s.u.). Bei der Schacholympiade in Helsinki spielte Otto Benkner an Brett 2, weil für die Aufstellung das Ergebnis der Landesmeisterschaft 1952 herangezogen wurde. Diese hatte Gerhard Lorson gewonnen, der somit Brett 1 vertrat.

Otto Benkner  

In der Vorrundengruppe B kam es u.a. zur Begegnung Österreich-DDR. Eine schöne Kombination von Wolfgang Pietzsch trug zum 3-1 Sieg der ostdeutschen Mannschaft bei:

 

24.De3 f5 25.Sd2 Sexf3+ 26.Sxf3 Sxf3+ 27.Kf2 Sxe1 28.Dxe6+ Kh8 29.Lxb7 Tae8 30.Dd5 De7 31.Kf1 De3 32.Td1 f4 33.g4 Dh3+ 34.Kf2 Dg3+ 35.Kf1 f3 36.Se4 Dg2+ 37.Kxe1 De2# 0–1

Nur die BRD schafft es ins A-Finale

Am besten spielte die Mannschaft der BRD, die das A-Finale erreichte, dort allerdings gegen starke Konkurrenz wenig ausrichten konnte und einen achten Platz bei neun Mannschaften erreichte. Bemerkenswert war jedoch das Ergebnis Lothar Schmids, des späteren Schiedsrichters im WM-Kampf Fischer-Spassky, am zweiten Brett mit insgesamt 9 aus 12.

Das Saarland gewann in seiner Gruppe immerhin zwei Wettkämpfe und erreichte mit 10,5 Brettpunkten den vorletzten Platz.

Endstand 1952  Vorgruppe 1 mit dem Saarland

fin. no. team code flag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 pts MP + = -
A 1. Argentina ARG 2 2 4 25½ 14 6 2 0
2. West Germany GER 2 2 4 4 23 14 6 2 0
3. Czechoslovakia CSR 2 2 3 3 4 22½ 14 6 2 0
B 4. England ENG ½ 2 2 4 4 18 8 3 2 3
5. Denmark DEN ½ 1 2 2 3 4 15½ 6 2 2 4
6. Cuba CUB ½ ½ ½ 2 2 14 8 3 2 3
C 7. Iceland ISL ½ 2 12½ 3 1 1 6
8. Saar SAA ½ 0 1 0 1 4 10½ 4 2 0 6
9. Luxembourg LUX 0 0 0 0 0 ½ 2 0 1 0 1 7

Tabelle: Olimpbase.org

Überlegener Gesamtsieg der Sowjetunion

Die bekannteste Partie dieser Olympiade ist sicherlich die Begegnung Szabo-Keres aus dem Kampf Ungarn gegen die Sowjetunion, die Rainer Knaak für ChessBase kommentiert hat. Dem Ungarn gelang dabei ein schöner Sieg über das sowjetische Spitzenbrett.

 

Paul Keres schwächelte generell bei dieser Olympiade. Dadurch wurde der überlegene Sieg des Debütanten und der damals mit Abstand führenden Schachnation allerdings kaum gefährdet. Vereinzelt mussten die sowjetischen Spitzenspieler allerdings durchaus Niederlagen quittieren. Das beste Ergebnis am Spitzenbrett erreichte „Don Miguel“ Najdorf für Argentinien. 

Die Begegnung Saarland-BRD blieb die einzige innerdeutsche bei diesen Schacholympiaden. 1954 und 1956 wurde das Saarland in seiner Vorgruppe jeweils Letzter. An Otto Benkner lag es nicht. In Amsterdam gelang ihm unter anderem eine Sieg gegen den jungen Bent Larsen.

 

Gegen Botvinnik war er zwei Jahre später in Moskau allerdings chancenlos.

 

Zur Saarländischen Schachgeschichte hat Wolfgang Maier für den Saarländischen Schachverband ein umfangreiches und lesenswertes Werk in zwei Bänden veröffentlicht.

Die Schacholympiade 1952 bei der deutschsprachigen Wikipedia

10th Chess Olympiad bei der englischensprachigen Wikpedia

Geschichte des Saarlandes

Artikel zu Otto Benkner


Max Berchtenbreiter, Jahrgang 1994, spielt seit bald 20 Jahren Schach. In der 2. Bundesliga ist der Internationale Meister seit der Saison 2017/18 für den Münchener Schachclub 1836 aktiv. Max arbeitet gegenwärtig an seiner Promotion im Bereich Zeitgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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