04.12.2017 – Nach seinem Sieg im World Cup nahm sich Levon Aronian Zeit für ein ausführliches Interview mit der armenischen Zeitschrift "Champord". Im Interview, das auf armenisch geführt wurde, sprach Aronian über seine Hobbies, über Fitnesstraining, störendes Verhalten am Brett und seine Liebe zur Musik.
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"Eine Partie Schach ist ein Rätsel"
2017 war ein erfolgreiches Jahr für Levon Aronian: er gewann die GRENKE Chess Classic, das Altibox Norway Chess Turnier, das St. Louis Rapid & Blitz Turnier und schließlich auch den World Cup. Kurz darauf heiratete er seine langjährige Freundin Arianne Caoili.
Am 13. Oktober veröffentlichte der YouTube Kanal von Champord ein ausführliches Interview mit Aronian. Champord ist eine wöchentlich erscheinende kostenlose Zeitschrift, die im öffentlichen Nahverkehr der armenischen Hauptstadt Eriwan verteilt wird. Die Zeitschrift wurde 2016 von Caoili ins Leben gerufen, die auch als Beraterin des armenischen Premierministers Karen Karapetyan arbeitet.
Hier ist das Originalinterview mit englischen Untertiteln (die von Meri Grigoryan stammen), im Anschluss folgt eine leicht gekürzte deutsche Übersetzung.
Levon Aronian im Interview mit Mark Grigoryan, Geschäftsführender Direktor bei "Public Radio of Armenia"
Mark Grigoryan: Guten Abend! Heute begrüßt "Public Radio of Armenia" einen sehr interessanten Gast: Levon Aronian! Er ist zweimaliger Gewinner des World Cups, hat bei Olympiaden drei Mal Gold gewonnen und war in unzähligen internationalen Turnieren erfolgreich. Fangen wir mit dem Schach an. Ich habe gehört, dass Schach eine individuelle und interessante Persönlichkeit verleiht. Doch Schach auf hohem Niveau führt zu großem Stress. Wie bewältigen Sie diesen Stress?
Levon Aronian: Eine sehr interessante Frage. Und wenn ich ihn bewältigen könnte, dann würde ich keine groben Fehler machen (lacht). Deshalb gehen die Spieler das unterschiedlich an. Ich weiß, dass ich Stress am besten bewältigen kann, wenn ich in guter körperlicher Verfassung bin.
MG: Also ist körperliche Vorbereitung sehr wichtig.
LA: Für mich ist sie sehr wichtig, denn ich weiß, wie das Leben eines Schachspielers während eines Turniers aussieht: man steht auf, frühstückt, bereitet sich drei bis vier Stunden vor, danach spielt man vier bis fünf Stunden und so bleibt nur wenig Zeit, um sich gründlich körperlich vorzubereiten, um den Anstrengungen gewachsen zu sein. Wenn man dieses Programm drei oder vier Tage in Folge absolviert und es keinen Ruhetag bei Turnieren gibt, dann kann der Stress zu groß werden. Deshalb mache ich täglich etwas für meine Fitness, um den Stress bewältigen zu können.
MG: Mit anderen Worten: Um den Stress in den Griff zu kriegen und abzubauen, versuchen Sie, körperlich gut in Form zu sein und das ist nicht weniger wichtig als Ihre schachliche Vorbereitung?
LA: Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich bereits über viel Erfahrung im Schach verfüge und viele Eröffnungen kenne, die ich bei Bedarf wieder anwenden kann. Ich verfüge über ein großes Schachwissen, aber davon abgesehen muss die körperliche Fitness stimmen. Tatsächlich arbeite ich seit Februar täglich an meiner Fitness und bin sehr zufrieden.
MG: Sie sagen, Sie kennen viele Eröffnungen - heißt das, Sie kennen die ersten 18, 20 oder sogar 25 oder mehr Züge dieser Eröffnungen?
LA: Nein, das hängt mehr von einem selbst ab, ob man weiß, welche Stellungen und welchen Spielstil man mag, man muss die Eröffnungen gar nicht so gründlich studiert haben...
MG: ... und man muss auch nicht jeden einzelnen Zug im Gedächtnis haben?
LA: Genau.
MG: Es ist wichtiger, die Ideen zu kennen.
LA: Ja, und hier hängt viel von der schachlichen Bildung ab. Wenn man das Schach liebt, und die Natur hat es so eingerichtet, dass alle starken Spieler das tun, dann neigt man dazu, jeden Tag Schachbücher zu lesen. Man nimmt immer gerne ein Schachbuch zur Hand und öffnet es dann vielleicht auf Seite 50 und fängt an zu lesen. Vielleicht geht es Leuten, die Gedichte lieben, ähnlich (lacht), wenn Sie in den Büchern mit ihren Lieblingsgedichten immer wieder versuchen, etwas Neues zu finden.
MG: Wenn ich das richtig verstehe, dann lieben Sie auch die Anspannung, die das Schach mit sich bringt.
LA: Ja, das stimmt… (seufzt)
MG: Ist es schwer, ohne diese Spannung zu leben? Würde das Leben dann vielleicht seinen Sinn verlieren?
LA: Es ist schwer, mit dieser, und es ist schwer, ohne diese Spannung zu leben (lacht). Wenn man begreift, dass man etwas kann, was nur wenige Menschen können, und wenn man stolz auf sich ist, weil man es schafft, in einer schwierigen Situation kühlen Kopf zu bewahren. Vor allem, wenn es nicht läuft - dann ist es sehr interessant zu sehen, ob man den Stress bewältigen und die Probleme meistern kann.
MG: Ich nehme an, wenn es nicht läuft, betrifft das nicht nur einzelne Partien, sondern ganze Phasen?
LA: Ja, wir haben immer bestimmte Phasen, in denen alles gut läuft, und nach einer gewissen Zeit kommt dann eine Phase, in der nichts funktioniert (lacht). Hier hängt viel vom Spieler ab. Generell bin ich der Meinung, dass sich ein Spitzensportler entwickeln muss, denn deine Gegner wissen, was du machst, und sie stellen sich darauf ein, und deshalb musst du dich kontinuierlich verbessern und entwickeln.
MG: Ja, der kontinuierliche Fortschritt, die kontinuierliche Bewegung hin zu Neuem. Noch eine Frage zur Anspannung und ich bin überzeugt, dass viele armenische Spieler die Antwort interessiert. Sie spielen auch gegen Spieler aus Aserbaidschan; ist die Anspannung oder ein Gefühl der Verantwortung da besonders groß?
LA: Vielleicht hat mich das zu Beginn meiner Karriere unter Druck gesetzt, aber heute nicht mehr. Ich versuche, damit umzugehen, aber wenn man immer darüber nachdenkt, die absolut besten Züge zu machen, dann scheitert man in der Regel.
MG: Und wie geht es den aserbaidschanischen Spielern damit, stehen sie unter besonderem Druck?
LA: Das ist schon vorgekommen. Ich erinnere mich an einen Fall, der sich zu Beginn meiner Karriere ereignet hat. Ich möchte keine Namen nennen, aber einmal wurde ich bei der Europameisterschaft 2005 oder 2004 oder auch 2003, das spielt keine Rolle, nachts um halb zwei von dem Vater eines aserbaidschanischen Teilnehmers angerufen. Und er bat mich, Remis gegen seinen Sohn zu spielen, da dieses Ergebnis für sie sehr wichtig war. Ich habe abgelehnt, denn erstens mag ich so etwas nicht, und dann ist es auch nicht in Ordnung, zu solch nachtschlafender Zeit anzurufen und dem Gegner seinen Schlaf zu rauben.
MG: Hat das den Druck erhöht?
LA: Die Partie lief schlecht und ich hätte verlieren sollen, aber Ende wurde sie Remis (lacht).
MG: Sie haben in einem Interview einmal gesagt, wenn Sie gegen einen normalen Spieler spielen, dann entwickeln Sie während der Partie auch ein normales Verhältnis zu diesem Spieler, aber wenn sich Ihr Gegner unsportlich verhält und versucht, Sie abzulenken oder zu stören, dann führt das zu Spannungen. Welche Tricks haben Ihre Gegner schon probiert?
LA: Ich habe einmal gegen einen Israeli gespielt - keinen der führenden Israelis, aber ein einigermassen starker Spieler. Während der Partie trank er Tee, und dann nahm er den Teebeutel aus der Tasse, um ihn anschließend mit den Fingern auszudrücken und dann seinen Zug zu machen. Daraufhin kam Alexander Grischuk zu mir, und meinte, "Levon, Du gewinnst vielleicht bald, aber Du solltest ihm nicht die Hand geben." Außerdem haben manche Spitzenspieler schon versucht, einen Zug zurückzunehmen.
MG: Wow!
LA: Ja, Nakamura hat das versucht, genau wie Carlsen (nickt mit dem Kopf), so war's (lacht).
MG: Aber… (erstaunt) Es gibt Schiedsrichter, nicht wahr… Ist das nicht verboten!?
LA: Nun, bei diesen beiden Vorfällen habe ich den Schiedsrichter gerufen. Meine Gegner behaupteten, sie hätten das nicht gemacht, aber der Schiedsrichter meinte, er hätte es gesehen, und wenn nötig, könnte man sich auch die Video-Aufzeichnung der Partie anschauen…(zeigt auf die Kameras)
MG: Die Kamera-Aufzeichnungen?
LA: …ja, und das wollten sie nicht (beide lachen).
Aronian vs. Nakamura, Kandidatenturnier in Moskau, 17. März 2016 | Quelle: WorldChess on YouTube
MG: Vor ein paar Jahren kam es bekanntlich zum "Toilet Gate". Da wurde behauptet, einer der Spieler würde auf der Toilette mit dem Smartphone Kontakt zu seinen Trainern aufnehmen. Haben Sie ähnliche Dinge erlebt?
LA: Nein, aber manchmal hatte ich das Gefühl, bei einem Turnier würde nicht alles mit rechten Dingen zugehen. Nun bin ich meistens skeptisch und bezweifle solche Dinge, aber dann sieht man, wie etwas Seltsames vor sich geht und ein starker Spieler plötzlich wirklich gut spielt, nur am danach wirklich schlecht zu spielen. Das ist merkwürdig, aber ich glaube, solche Dinge passieren einfach.
MG: Wenn man über das Schach philosophiert, dann denkt man oft an Schwarz und Weiß, wobei Weiß die Kraft des Guten symbolisiert und das Dunkle die Kraft des Bösen - sehen Sie Schach auch so?
LA: Ich unterscheide Gut und Böse nicht auf diese Weise.
MG: Das heißt, Sie sind nicht immer auf der Seite des Guten (Aronian lacht) und Ihr Gegner ist nicht immer auf Seiten des Bösen?
LA: Nein, denn Gut und Bösen können... das Böse kann sehr gütig sein und das Gute kann sehr böse sein. Allerdings gibt es beim Schach gewisse Dinge, die ich reizvoll finde, und ich würde mir wünschen, diese Dinge gäbe es in der Welt.
MG: Zum Beispiel?
LA: Zum Beispiel ist Schach ein sehr faires Spiel, und wenn man zu einer Partie antritt, dann spielen die äußeren Umstände keine Rolle. Der starke Spieler gewinnt. Bei anderen Sportarten hängt hingegen sehr viel von den Schiedsrichtern ab. Und es gibt das Rating-System. Die Ratingzahl ist sehr objektiv, wenn man stark spielt, dann ist die Zahl hoch. Aber wenn man irgendwann schlecht spielt, dann sinkt die Zahl. Diese Objektivität ist eine sehr gute Sache.
MG: Apropos Ratings - vor dem Interview habe ich mir Ihre Elo-Zahlen angeschaut und gesehen, dass Ihre Rapid-Zahl deutlich höher ist als Ihre Elo-Zahl im klassischen Schach. Auch beim World Cup haben Sie eine Reihe von Wettkämpfen im Schnellschach gewonnen. Haben Sie sich beim World Cup auf Ihre Fähigkeiten im Schnellschach verlassen?
LA: Nein, ich möchte jede Partie gewinnen, aber wenn man gegen starke Spieler spielt, dann endet die Partie oft mit Remis. Das lässt sich nicht vermeiden.
Levon Aronian beim Saint Louis Rapid & Blitz 2017 | Photo: Lennart Ootes
MG: Ich habe gehört, Remis ist eigentlich das logische Ergebnis einer Partie.
LA: Ja, denn die aktuellen Schachregeln, die, wenn ich mich nicht irre, seit etwa 270 Jahren angewendet werden, helfen Schwarz dabei, Remis zu erreichen. Es gab einmal eine Zeit, in der man den Gegner Patt setzen konnte - und das wurde als Gewinn gewertet. Damals vielleicht mit 0,75 Punkten. Schach war immer ein Spiel, das um Geld gespielt wurde, und bei dem der Sieger etwas gewann. Damals rechnete man so. Heute hat man am Ende vielleicht zwei Springer mehr, aber die Partie endet vielleicht doch mit Remis. Das ist ein wenig unlogisch und so ist Remis heutzutage das häufigste Ergebnis.
MG: Ich würde vermuten, wenn zwei perfekte Spieler gegeneinander antreten und keine Fehler machen, dann endet die Partie mit Remis. Stimmt das oder irre ich mich?
LA: Eine solche Partie endet mit Sicherheit mit Remis, aber wenn Weiß einen kleinen Vorteil hat…Wenn Weiß gewinnen will, dann muss er etwas riskieren, und dann gewinnt oft Schwarz. Das ist ein interessantes Paradox, aber es ist schwerer, mit Weiß zu gewinnen, weil man immer nach vorne spielen und angreifen muss - und mit Schwarz zu kontern ist leichter.
MG: Sprechen wir über Schach und Konflikte. Ist Schach, eine Schachpartie, für Sie ein Konflikt?
LA: Definitiv. Jeder Zug, den Sie machen, sagt dem Gegner etwas. Am Anfang versucht man, das Zentrum zu kontrollieren, dann entwickelt man seine Figuren und versucht, die Fehler aufzuspüren, die der Gegner bei der Entwicklung seiner Figuren gemacht hat. Und zugleich versucht der Gegner einem klar zu machen, dass die Züge, die gespielt wurden, keine Fehler sind, sondern Gründe haben, und wenn Sie versuchen, einen schwachen Bauern zu schlagen, dann kann sich das schnell als Falle herausstellen. Eine Schachpartie ist ein Rätsel, eine Unterhaltung, bei der auch immer ein innerer Konflikt im Spiel ist.
MG: Hier möchte ich noch einmal aus einem Ihrer früheren Interviews zitieren: "Bevor man nicht in einen Konflikt mit den Meinungen der Mehrheit oder mit den Ansichten früherer Schachspielers gerät, kann man kein großer Spieler werden." Welchen Konflikt haben Sie mit der Mehrheit?
LA: Als ich Großmeister wurde, ich glaube, ich war damals 19, haben mir viele gesagt, wenn ich nicht mit spätestens 20 unter die Top 100 kommen würde, dann würde ich das nie schaffen. Konflikt Nummer eins. Ich habe gezeigt, dass das Alter keine Rolle spielt! Und dann hat man mir in meiner Jugend immer gesagt, dass ich mit Schwarz aktive Eröffnungen spielen sollte. Aber ich spiele auf 1.e4 immer 1...e5. Und viele haben mir gesagt, wenn ich so weiter mache, dann würde aus mir nicht viel werden, und ich sollte aggressiver spielen, um auch mit Schwarz zu gewinnen. Ich habe immer gesagt, dass ich mit Schwarz auf Gewinn spielen würde, aber erst nachdem ich die Stellung ausgleichen konnte. Das ist Konflikt Nummer zwei. Und ich glaube, ich gewinne auch mit Schwarz (lacht)!
MG: Gibt es denn auch Konflikte mit der Mehrheit, die nichts mit dem Schach zu tun haben.
LA: Nun, ich glaube nicht, dass mein Verhalten außerhalb des Schachs zu Konflikten mit der Gesellschaft führt. Aber ich habe ein interessantes Phänomen beobachtet, das mit Schach zusammenhängt. In den 60er, 70er und 80er Jahren wurde das Verhalten der Leute mit Hilfe des Schachs beschrieben, ob das psychologische Dinge waren oder die Lebenseinstellung betraf. Und auch heute spiegeln sich zeitgeschichtliche Entwicklungen im Schach. In den 60ern hatten wir Spieler wie Tal und Petrosian; das war die Zeit der Renaissance, die Zeit der alternativen Lebensentwürfe; Rock 'n' Roll. In den 70er Jahren gab es viele interessante Schachtalente, z.B. den Engländer Anthony Miles, das war die Bewegung der Hippies. Und in den 90er Jahren wurden eine ganze Reihe unterschiedlicher Schachspieler geboren und das war die Zeit, in der die Sowjetunion zusammengebrochen ist (lacht).
Mikhail Tal (sitzend, links) und Tigran Petrosian (stehend, rechts) | Foto: GFHund CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
MG: Mit welchem Schachspieler von früher hatten Sie die größten Schwierigkeiten?
LA: Die größten Probleme hatte ich vielleicht mit Petrosian, denn wir verehren ihn alle. Von Kindheit an versucht man, wie Petrosian zu spielen und hat immer Probleme damit, denn seine Partien sind so schwer zu verstehen. Er hat nicht aufs Tempo gedrückt, er war adagio (lacht).
MG: Aber auch wenn er langsam gespielt hat, dann hat er doch immer versucht, den Gegner unter Druck zu setzen?
LA: Ja, aber heute lassen das die Gegner einfach nicht mehr zu. Da spielt auch die Eröffnung eine große Rolle. In vielen Eröffnungen stehen nach 15 Zügen nur noch die Türme, ein Springer und ein Läufer auf dem Brett.
MG: Und die Partie hat noch gar nicht richtig angefangen.
LA: Ja, aber trotzdem hat man ein Endspiel auf dem Brett. Der Stil hat sich geändert und man kann den Gegner nicht so einfach unter Druck setzen.
MG: Was machen Schachspieler, die nicht mehr auf höchstem Niveau spielen, und glauben, sie müssten sich vom Schach zurückziehen?
LA: Nun, viele dieser Spieler engagieren sich auf andere Weise für das Schach. Zum Beispiel versucht Judit Polgar, das Schach in Ungarn zu fördern, auch Garry Kasparov setzt sich für Schach ein, genau wie Smbat Lputian hier in Armenien. Manche von ihnen werden Trainer, aber wenn man einmal ein starker Spieler war, dann ist es schwer, Trainer zu werden, es sei denn, man trainiert einen sehr starken Spieler.
MG: Stärker als man selbst?
LA: Ja, oder ungefähr so stark wie man selbst. Aber in jedem Fall, wenn man jemanden trainiert, der oder die einen ganz anderen Stil hat als man selbst, dann ärgert man sich, wenn die Erfolge ausbleiben. Nur wenige Spitzenspieler werden Trainer.
MG: Ich weiß, dass Mark Taimanov ein sehr guter Pianist war. Und es gibt Schachspieler, die Maler waren. Aber nur wenige sind in die Politik gegangen, oder?
LA: Ja, vielleicht Karpov, Kasparov und Adianto, ein indonesischer Großmeister. Ich kenne nicht viel.
MG: Reden wir über etwas anderes als über Schach. Denn Ihr Leben besteht nicht nur aus Schach, oder?
LA: Schach ist das Wichtigste in meinem Leben, aber…(lacht)
MG: Sie haben doch sicher Hobbies, oder?
LA: Ja, natürlich.
MG: Welche Hobbies haben Sie?
LA: Ah, nun, etwas, das meiner Meinung nach Schachspielern hilft, nämlich Musik. Früher bin ich in den Schachklub gegangen und habe Klavierunterricht bekommen, aber Anfang der 90er musste ich mich entscheiden. Ich habe mich für das Schach entschieden, aber ein Teil von mir zieht es immer zur klassischen Musik.
MG: Klassische Musik?
LA: Ja, meistens. Ich interessiere mich seit zehn Jahren für klassische Musik, vor allem für ältere Aufnahmen. Zeitgenössische Musiker kenne ich kaum, aber ich höre sehr gerne Wilhelm Furtwängler und Otto Klemperer, beides Dirigenten. Von den Musikern mag ich David Oistrach
LA: Wenn ich mich mit Schach beschäftige, dann brauche ich Musik, die in ihrer mathematischen Form dem Schach ähnelt. Da denkt man natürlich an Namen wie Bach, Bruckner und Beethoven, deren Musik immer nach vorne geht. Das inspiriert mich und macht die Arbeit weniger langweilig. Ich versuche, jeden Tag Neues zu entdecken, im Schach oder in der Musik.
MG: Haben Sie noch andere Hobbies außer der Musik?
LA: Ja. Ich interessiere mich für Sport und laufe gern. Außerdem lese ich gerne und seit meiner Kindheit mag ich Gedichte.
Der 20-jährige Aronian auf dem Weg zur Juniorenweltmeisterschaft (Foto: Vishal Sareen)
MG: Wir haben unsere Leser gebeten, uns über Facebook Fragen für das Interview zu schicken. Beantworten wir doch ein paar davon.
LA: Gerne.
MG: Amalia Kuroyan, “Wenn Sie nicht Schachspieler geworden wären, was wären Sie dann?”
LA: Irgendetwas mit Mathematik.
MG: Alexander Ganjumian aus Moskau schreibt, "Wie fühlen Sie sich, wenn Sie nach einer Partie in der Analyse plötzlich einen Gewinn sehen, den Sie während der Partie übersehen haben?"
LA: Fehler kommen häufig, und wenn man unter Druck steht, dann sieht man einfache Züge oft nicht. Ich glaube, in der Hinsicht muss ich noch eine Menge arbeiten.
MG: Olesya Vardanyan aus Tiflis schreibt, "Der Protagonist in Vladimir Nabokovs Roman Lushins Verteidigung wurde nach jeder Niederlage schwer krank. Er konnte die Städte, in denen er war, nicht mehr erinnern, weil alle seine Reisen mit Schach verknüpft waren. Ist das wirklich so?
LA: Es gibt solche Schachspieler, aber ich bin keiner von ihnen. Mit 26 oder 27 war ich Schachfanatiker, aber vorher…
MG: Lusine Grigoryan aus Stockholm hat zwei Fragen. Hier die erste: "Warum gibt es keine Frauen in Männerturnieren?"
LA: Ich war immer der Meinung, dass Frauen gegen Männer antreten können, aber in vielen Ländern ist das immer noch problematisch. Viele Leute glauben immer noch, dass Mädchen nicht erfolgreich sein müssen, sie soll eine Familie gründen und Mutter werden. Und in der Schachwelt gibt es nur eine Handvoll erfolgreicher Mütter.
MG: Mit einer solchen Einstellung kann man wahrscheinlich keine großen Erfolge erzielen.
LA: Ja.
MG: Und hier ist Lusines zweite und die vielleicht letzte Frage des Interviews: "Mögen Sie Schokolade?"
LA: Ich mag Schokolade, aber dunkle, mit 85% oder mehr.
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