Innsbruck – Schachlich auf dem Höhenflug
Die Sportstadt Innsbruck (u.a. zweifacher Austragungsort der Olympischen Winterspiele 1964 und 1976, aber auch Location vieler Welt- und Europameisterschaften von Winter- und zuletzt auch Sommersportarten) kann mit seinen knapp 130.000 Einwohnern auf eine kleine, aber feine Schachgeschichte zurückblicken.
Dass Schach in Innsbruck aber aktuell populärer den je ist, kann auch auf die seit wenigen Jahren organisierten Schachturniere von „Giorgio Events“ zurückzuführen sein: bereits zum dritten Mal kamen Ende August viele Schachfans aus Österreich und vielen anderen Ländern in die Alpenstadt, um für Geldpreise, Ruhm und wertvolle Elo-Punkte zu kämpfen.
Das ALPHOTEL-Open – einige Zahlen
Es wurden drei Open mit regulärer Bedenkzeit ausgetragen: das Open A war für Spieler ab einem Rating von 2000 offen (dazu wurden einige talentierte Jugendspieler unter diesem Limit zugelassen), das Open B war für Spieler unter Elo 2000 reserviert und das neu eingeführte Open C wurde für Spieler unter Elo 1500 organisiert.
59 Spieler im A-, 77 im B- und 29 im C-Turnier ergaben am Ende genau 165 Spieler aus 19 Nationen … und allen 5 Kontinenten! Damit konnte die Vorjahreszahl von 160 Spielern knapp gesteigert werden.
Die weibliche Beteiligung lag bei 13%, der jüngste Spieler (Johannes Thöni aus Innsbruck) war gerade 5 Jahre jung und somit 77 Jahre (!) jünger als der älteste Teilnehmer. In welchem Sport findet man sowas?
Johannes Thöni (Innsbruck), der jüngste Teilnehmer (Foto G. Bertagnolli)
Das Open A bot mit einem Rating-Durchschnitt von 2165 Elo-Punkten, der Präsenz von 5 Großmeistern, 1 WGM, 5 Internationalen, 2 WIM und 9 FIDE-Meistern durchaus die Voraussetzungen, dass Spieler um Internationale Normen spielen konnten. 2017 gelang es dem damaligen Noch-IM Nikita Meshkovs aus Lettland das Turnier zu gewinnen und gleichzeitig seine letzte GM-Norm zu erspielen. 2018 konnte FM Piotr Piesik ebenfalls eine GM-Norm erspielen.
Die Top-Favoriten auf einen Spitzenplatz waren wie üblich die Elo-stärksten Spieler:
GM Erik Van den Doel (NED) 2599
GM Vladimir Epishin (RUS) 2553
GM Cyril Marcelin (FRA) 2439
Der Setzlistenerste Erik Van Den Doel (NED) (Foto G. Bertagnolli)
Blick in den geräumigen Turniersaal (Foto G. Bertagnolli)
Der Turnierverlauf des A-Opens
In den ersten drei Runden gewannen die 2 Top-Gesetzten GM Erik Van den Doel (NED) und GM Vladimir Epishin (RUS) jeweils Ihre Partien, auch wenn Van den Doel besonders in Runde 1 gegen die WIM Varshini (IND) vielleicht ein Remis hätte hinnehmen müssen, wenn die WIM nicht – vermutlich aufgrund von Müdigkeit - zu einem Selbstmatt bei einem Endspiel K+T+S (Van den Doel) gegen K+T+B (Varshini) mitten am Brett „eingeladen“ hätte. Den Zuschauern wurde so ein wohl noch langwieriges Endspiel mit möglichem Ausgang K+T+S gegen K+T erspart.
In der vierten Runde stand somit das Gigantenduell Epishin-Van Den Doel auf dem Programm, was Weiß nach ausgeglichenem Duell mit viel Abtausch doch noch recht klar im Endspiel aufgrund eines Bauerndurchbruchs gewann.
Einige setzten jetzt schon auf einen Turniersieger Epishin, doch das Turnier war noch lange.
Bereits eine Runde später konnte der Niederländer den Rückstand auf einen halben Punkt reduzieren, indem er gegen WGM Marsel Efroimski (ISR) gewann, während IM Georg Kilgus (AUT) den bisher Führenden zu einem Remis zwingen konnte. In Runde 6 und Runde 7 gingen beide jeweils mit demselben Resultat vom Brett (Sieg und Remis), wonach der Stand nach Runde 7 wie folgt aussah:
1. GM Vladimir Epishin (RUS) 6
2. GM Erik Van den Doel (NED) 5,5
3. IM Georg Kilgus (AUT) 5
4. FM Vadim Lavrinenkov (GER) 5
5. GM Cyril Marcelin (FRA) 5
6. FM Adrian Gschnitzer (GER) 5
7. GM Vladimir Okhotnik (FRA) 5
8. IM Das Soham (IND) 5
9. IM Andreas Schenk (GER) 5
Runde 8 führte zu einem Führungswechsel: während Van den Doel gegen seinen GM-Kollegen und zweifachen Senioren-Weltmeister Vladimir Okhotnik souverän gewann, konnte Epishin seinen Anzugsvorteil gegen FM Adrian Gschnitzer (GER, SV 1947 Walldorf) nicht ummünzen, im Gegenteil, der junge Deutsche spielte wie aus einem Guss: gute Eröffnungsvorbereitung gepaart mit Angriffswille, genaue Kalkulation und einem schwarzen Tag des Gegners führte zu einem Sieg nach nur 28 Zügen.
Nachdem Epishin mögliche Unregelmäßigkeiten anregte (wer verliert schon gern mit Weiß sang- und klanglos?) wurde seitens der Schiedsrichter am Ende der Partie in Präsenz beider Spieler eine Untersuchung durch Metal-Detector bei Gschnitzer durchgeführt, bei der keine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde und Gschnitzer schon beim Gang zum Untersuchungszimmer von der „Partie meines Lebens“ sprach.
Blick auf die Topspieler (Foto G. Bertagnolli)
FM Adrian Gschnitzer (GER) fokussiert in seiner erfolgreichen Partie von Runde 8 (Foto G. Bertagnolli)
In der letzten Runde gab es zwei Möglichkeiten für internationale Normen:
FM Vadim Lavrinenkov musste gegen den Führenden Van Den Doel mindestens Remis schaffen, während FM Adrian Gschnitzer gegen FM Maximilian Ruff (GER, SF Sasbach e.V.) gewinnen musste, um jeweils die IM-Norm zu schaffen.
Adrian Gschnitzer schaffte einen hartumkämpften Sieg und sicherte sich somit seine dritte IM-Norm!
Für Lavrinenkov erwies sich Van Den Doel allerdings zu stark: der Holländer gewann souverän die Partie und somit das Turnier!
Nachdem Epishin gegen IM Andreas Schenk (GER, Fürstenfeld) in ein Remis einwilligte, war sogar der zweite Platz für Gschnitzer zu vermelden!
Endresultat Open A:
Endstand nach 9 Runden
1 |
1 |
GM |
Van Den Doel Erik |
NED |
2599 |
Charlois Europoort |
7,5 |
45,5 |
50,0 |
2338 |
2 |
6 |
FM |
Gschnitzer Adrian |
GER |
2410 |
SV 1947 Walldorf |
7,0 |
43,0 |
46,5 |
2240 |
3 |
2 |
GM |
Epishin Vladimir |
RUS |
2553 |
SV Lingen |
6,5 |
49,0 |
54,0 |
2363 |
4 |
3 |
GM |
Marcelin Cyril |
FRA |
2439 |
Schachsport Union Innsbruck |
6,5 |
45,0 |
49,0 |
2293 |
5 |
10 |
IM |
Soham Das |
IND |
2339 |
Schachsport Union Innsbruck |
6,5 |
43,5 |
47,0 |
2247 |
6 |
13 |
FM |
Lavrinenkov Vadim |
GER |
2304 |
SK Kriegshaber |
6,0 |
45,0 |
47,5 |
2310 |
7 |
5 |
IM |
Schenk Andreas |
GER |
2424 |
Fürstenfeld |
6,0 |
41,5 |
44,5 |
2325 |
8 |
19 |
|
Delaney Killian |
IRL |
2247 |
|
6,0 |
37,5 |
40,0 |
2159 |
9 |
4 |
IM |
Kilgus Georg |
AUT |
2435 |
Sv Grieskirchen |
5,5 |
47,0 |
51,5 |
2339 |
10 |
12 |
|
Chittka Julius |
GER |
2317 |
VfSuF Düsseldorf-Süd |
5,5 |
43,0 |
47,0 |
2217 |
11 |
9 |
FM |
Ruff Maximilian |
GER |
2353 |
SF Sasbach e.V. |
5,5 |
42,5 |
46,5 |
2197 |
12 |
20 |
FM |
Svanda Ondrej |
CZE |
2245 |
|
5,5 |
42,0 |
45,5 |
2188 |
13 |
17 |
|
Wohlfahrt Herbert |
AUT |
2273 |
Innsbruck-Pradl |
5,5 |
40,0 |
42,0 |
2144 |
14 |
14 |
FM |
Neuschmied Siegfried |
AUT |
2295 |
Schachklub Kufstein |
5,5 |
38,5 |
42,0 |
2128 |
15 |
18 |
|
Moroder Stefan |
ITA |
2251 |
Rochade Rum |
5,5 |
37,0 |
40,0 |
2149 |
16 |
23 |
|
Kranzl Julian |
AUT |
2215 |
Hohenems |
5,5 |
36,5 |
39,0 |
2129 |
17 |
8 |
GM |
Okhotnik Vladimir |
FRA |
2363 |
|
5,0 |
44,5 |
48,5 |
2257 |
18 |
32 |
|
Murray David |
IRL |
2126 |
|
5,0 |
42,0 |
45,5 |
2271 |
19 |
11 |
WGM |
Efroimski Marsel |
ISR |
2318 |
|
5,0 |
42,0 |
44,5 |
2215 |
20 |
44 |
|
Schnabl Andreas Dr. |
AUT |
2032 |
Absam |
5,0 |
39,5 |
43,0 |
2232 |
21 |
15 |
|
Bokelbrink Uwe |
GER |
2285 |
SF Hamburg e.V. 1934 |
5,0 |
38,5 |
42,5 |
2131 |
22 |
26 |
|
Pfatteicher Lukas |
GER |
2149 |
Karlsruher SF 1853 |
5,0 |
38,0 |
40,5 |
2167 |
23 |
34 |
|
Perman Sergey |
SUI |
2113 |
|
5,0 |
36,5 |
39,0 |
2140 |
24 |
24 |
|
Hofer Emilian |
AUT |
2191 |
Hohenems |
5,0 |
36,5 |
39,0 |
2098 |
25 |
22 |
WIM |
Muetsch Annmarie |
GER |
2233 |
SC Viernheim 1934 e.V. |
4,5 |
45,5 |
49,0 |
2267 |
59 Spieler
Preisträger Open A (Foto: Herbert Erlacher ÖSB Tirol)
Partien
Der rührige Organisator der Schachtage in Innsbruck, Giorgio Gugler, erzielte bei diesem Turnier – unter dem tosenden Applaus der anwesenden Spieler bei der Preisverteilung – seine dritte IO-Norm, womit einer baldigen Titelvergabe nichts mehr im Wege steht.
Ein verdienter Titel, der wohl auch Ansporn sein könnte, noch größere Events nach Innsbruck und Umgebung bringen zu können.
Organisator Giorgio Gugler testet die Spielbedingungen im Saal (Foto G. Bertagnolli)
Das B-Turnier gewann der Italiener Mauro Reginato vor Werner Schinnerl (AUT) und Julian Rösch (GER, SF Deisenhofen)
Endresultat Open B...
Im C-Turnier gewann der Tiroler Damir Vrhovac in Bobby-Fischer-Manier: 9 aus 9 ist mehr als eindeutig!
Endresultat Open C...
SILLPARK-Blitz-Trophy
Eine Besonderheit in Innsbruck ist ein Ruhetag während des Opens. Dieser „spielfreie“ Tag ist nicht ganz so Schach-frei, schließlich wird der Tag verwendet, um im großen Einkaufscenter SILLPARK im Herzen Innsbrucks ein Blitzturnier mit hohem Preisgeld (insgesamt 2.600 Euro) abzuhalten.
Ein Großteil der Teilnehmer am Open nutzte die Gelegenheit, sich beim schnellen Spiel (3 Minuten + 2 Sekunden pro Zug, 11 Runden) zu probieren. Dazu gesellten sich gar einige, welche extra fürs Blitzen angereist waren.
116 Spieler, angeführt von Österreichs Schach-Nummer 1 und dem Gewinner der ersten zwei Schach-Trophy‘s, GM Markus Ragger, GM Vladimir Epishin, GM Erik Van Den Doel und GM Cyril Marcelin, wagten sich in den Ring.
Um gleich die Spannung raus zu nehmen: Markus Ragger war einfach zu stark an diesem Tag. Der Österreichische Top-Großmeister gewann die ersten 9 Runden, verlor allerdings in Runde 10 gegen GM Van den Doel, gewann nochmals in Runde 10 und siegte somit mit 10 Punkten aus den 11 Runden und somit mit einem Vorsprung von 1,5 Punkten auf GM Vladimir Epishin (RUS), GM Erik Van Den Doel (NED) und GM Cyril Marcelin (FRA).
Der Sonderpreis für den Besten U18-Spieler ging an Tino Kornitzky (GER, FC Bayern München).
Tolle Spielatmosphäre im SILLPARK bei der Blitz-Trophy (Foto Michael Weber)
Organisator Giorgio Gugler übergibt den Siegespokal an GM Markus Ragger (Foto Herbert Erlacher ÖSB Tirol)
Simultanvorstellung im Spielcasino Innsbruck
Am Abend vor dem Blitzturnier hat sich GM Markus Ragger im Spielcasino Innsbruck bei einer Simultanvorstellung gegen 15 lokale Spieler eingewärmt: 15:0 nach knapp 2 Stunden war das klare Ergebnis.
GM Markus Ragger während seiner Simultan-Vorstellung (Foto G. Bertagnolli)
Die vierte Auflage für 2020 wurde schon verkündet: wiederum in der letzten August-Woche führen die Schach-Wege in die Tiroler Landeshauptstadt.
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