Amateurweltmeisterschaften 2018
Dass der Weltschachbund FIDE neben der traditionellen Weltmeisterschaft (heuer im November wird ja Fabiano Caruana in London versuchen, Magnus Carlsen den Titel streitig zu machen) noch einige andere Weltmeisterschaften abhält (wie z.B. für Senioren, für Jugendliche oder Junioren, für Teams...), ist ja den meisten Schachfans bekannt, mit dem Begriff „Schach-WM für Amateure“ kann allerdings nicht jeder was anfangen. Daher startet dieser Bericht mit einem Einblick dazu.
Voraussetzungen zur Teilnahme als "Amateur" bei dieser FIDE-WM
Laut FIDE-Reglement versteht man als einen Amateur für eine entsprechende Kontinental- oder Welt-Meisterschaft, wenn der Spieler (hier in verkürzter Version) zwei Voraussetzungen hat:
- maximal den FM-Titel (bei Frauen „WFM“) trägt.
- im Laufe der letzten 12 Monate vor Anmeldeschluss des Turniers keine FIDE-Elozahl von 2300 oder höher aufgewiesen hat.
Geschichte der Amateur-Weltmeisterschaften
Wenn man es ganz genau nimmt, dann gab es die erste Amateur-WM bereits vor (!) der eigentlichen Gründung der FIDE am 20. Juli 1924, damals mit Hermanis Matisons (LAT) als Sieger und dem bekannten Edgar Colle (BEL) als Dritten. 1928 gab es die zweite Amateur-WM, mit Max Euwe (NL) als Sieger (welcher seinerseits später der fünfte Weltmeister der Schachgeschichte wurde).
Die Voraussetzung zu dieser Zeit waren natürlich andere als heute, demnach sind diese mit den aktuellen Amateur-Weltmeisterschaften nicht vergleichbar.
Die Amateur-WM der neuesten Generation startete 1996 mit Turnieren in Hastings/England (wurde dort 5 Mal abgehalten), bis auch andere Länder wie Spanien, Brasilien, Südafrika, Libyen, Rumänien, Griechenland, die USA, und die Türkei dieses Turnier zugesprochen bekamen.
In vielen Fällen waren die Sieger gleichzeitig Spieler des Gastgeberlandes, vor allem deshalb, weil nur sehr wenige Spieler dieses Turnier auch als WELT-Meisterschaft anerkannten oder dies einfach nicht bekannt war. Als Beispiel: 2001 in Brasilien gab es von den 49 Teilnehmern gerade mal vier Spieler, welche nicht aus dem Gastgeberland kamen. 2007 in Rumänien waren es schon mehr, aber auch noch keine weltumfassende Meisterschaft: immerhin 13 der 103 Spieler kamen nicht aus dem osteuropäischen Land.
In den letzten Jahren ging es Zahlen- und auch Nationen-mäßig aufwärts und durch bessere Bewerbung des Turniers, kombiniert mit erholendem Urlaubsangebot und unter der Ägide der FIDE kamen immer mehr Spieler zu diesem Turnier. Dieses hat sich bei vielen Spielern inzwischen als jährlicher Treffpunkt unter Freunden für gemeinsame Partien, Analysen, aber auch Feiern nach dem Turnier etabliert.
Seit 2016 werden jeweils drei Turniere ausgetragen: die Kategorien U2300, U2000 und U1700 (jeweils als Open und getrennt für Frauen) sichern, dass nicht zu große Unterschiede der Spielstärke zu erkennen sind und bei den immer größer werdenden Teilnehmerzahlen die Feinwertung weniger gewichtig ist.
Der bisherige Teilnehmerrekord wurde 2017 in Spoleto (Provinz Umbrien, Italien) mit 250 Spielern aus 61 Nationen erzielt.
Berücksichtigt werden für diese Meisterschaft nur die Rating-Zahlen der FIDE, nicht eventuelle nationale Wertungszahlen (was verständlich ist, zumal die nationalen Zahlen teilweise unterschiedlichen Regeln unterworfen sind). Daher kommt es Jahr für Jahr zu Spielern mit Rating „0“, welche sich weitaus besser klassieren, als ihre Startnummer vermuten lässt.
Zahlen zur Amateur-WM 2018
Fürs Jahr 2018 wurde die FIDE-Amateur-Weltmeisterschaft in den Süden Sardiniens, in einen Vorort von Cagliari mit dem malerisch klingenden Namen „Quartu Sant‘Elena“ vergeben. Das dortige 4* Hotel Califfo bot ausreichend Platz, damit alle 245 Spieler aus den 56 Ländern in drei Turnierräumen ausreichend Platz fanden. 35% der Teilnehmer kamen vom Gastgeberland Italien, der Rest zwar vermehrt aus Europa, aber auch Asien und Südamerika waren zahlenmäßig stark vertreten. Erfreulich war auch die Teilnahme von einigen Spielern aus Afrika. Der Großteil der Teilnehmer wählte die Unterkunft im Spiel-Hotel, wodurch längere Anfahrtszeiten vermieden werden konnten und somit die Zeit zwischen dem Mittagessen und dem Rundenbeginn um 15 Uhr durch andere Tätigkeiten wie dem Sprung in den Hotelpool oder das genießen des stärkenden Espresso genutzt werden konnte.
Als Organisatoren zeichneten die über die Staatsgrenzen hinaus bekannten IO Cristina Pernici Rigo (u.a. Organisatorin von 5 Senioren-WM‘s, aber auch dem deutschen Publikum bekannt durch die Turniere in Arco am Gardasee) und IO Michele Cordara (u.a. Organisator Olympiade 2006) mit Unterstützung von Mitgliedern des lokalen Schachklubs von Cagliari.
Da in der Kategorie U2300 sich nur vier Damen gemeldet haben, spielten diese im Open-Turnier mit getrennter Wertung mit. Dasselbe Schicksal war für die Damen der U2000-Kategorie mit 9 Teilnehmer (eine zu wenig!) bestimmt, während die 20 Damen der U1700-Kategorie ein eigenes Turnier spielen konnten. Somit gab es am Ende vier Turniere im Schweizer System mit 9 Runden und der Bedenkzeit von 90 Minuten für 40 Züge + 30 Minuten für das Ende der Partie und jeweils 30 Sekunden pro Zug dazu.
Ein Teil der Spieler und Organisatoren vor Beginn der 7. Runde (Foto: Julian Preda)
Turnierverlauf Kategorie U2300
Bei einem Elo-Durchschnitt von 2093 Punkten handelte es sich hierbei natürlich um das stärkste Turnier. Der Sieger hat neben dem WM-Titel dieses Jahres auch Anrecht auf den Erwerb des FM-Titel.
Bis zur siebten Runde hatten die beiden Spieler mit dem höchsten Rating, FM Gunbayar Myagmarsuren (Mongolei) und FM Garavito Miguel Angel (Kolumbien) mit 6,5 bzw. 6 Punkten zwischen sich und der Konkurrenz bereits einen Respektabstand gelegt (5 Punkte oder weniger), doch der Mongole verlor die beiden letzten Runden und auch der Kolumbianer verlor die letzte gegen Singh Arvinder Preet aus Indien, wodurch sich letzterer aufgrund der ersten Feinwertung (direkte Begegnung) den WM-Titel dieser Kategorie sicherte. Garavito konnte noch den zweiten Platz belegen vor Gunbayar.
Bei den Damen dieser Kategorie konnte sich die Favoritin WFM Bayarmaa Bayarjargal (Mongolei) den Sieg sichern, 4 Punkte reichten bei Top-Gegnerschaft, um punktegleich vor Adamova Tuyara aus Russland zu gewinnen.
Singh Arvinder Preet (IND) - Neuer Weltmeister der Kategorie U2300
Turnierverlauf Kategorie U2000
9 Punkte aus 9 Runden – ein selten zu findendes Ergebnis bei diesem Level. Hajiyev Kanan aus Aserbaidschan schaffte das Kunststück, dies zu erzielen. Ihm am nächsten kamen Baisynov Islam aus Kirgistan und Tavagwisa Lawrence aus Zimbabwe mit jeweils 7 Punkten.
Schachfreund Nagy Laszlo aus Deutschland kam in dieser Kategorie auf den sechsten Rang.
Die Russin Chetina Elizaveta konnte die Frauenwertung für sich entscheiden (6 Punkte).
Hajiyev Kanan (AZE) - Weltmeister Kategorie U2000
Chetina Elizaveta (RUS) - Weltmeisterin Kategorie U2000 Damen
Turnierverlauf Kategorie U1700
In der Kategorie U1700 war bis zur letzten Runde alles offen: vor der letzten Runde führten vier Spieler mit 6,5 Punkten das Feld an. Am Ende siegte der junge Türke Sutbas Batuhan vor Arevalo Perez Luis Alexander aus Peru aufgrund des Sieges in der direkten Begegnung (jeweils 7,5 Punkte). Den dritten Rang belegte Zholdoshmamatov Adilet aus Kirgistan mit einem halben Punkt Rückstand.
Podium Herren U1700
Turnierverlauf Kategorie U1700 Damen
Die Favoritin Popova Vilena aus Russland gewann bereits 2016 in Spoleto in dieser Kategorie. Von Beginn an spielte sie am Spitzenbrett und konnte am Ende ungeschlagen mit 7,5 Punkten den Sieg vom letzten Jahr wiederholen. Ihr am nächsten kam eine Spielerin aus der Mongolei, Khaliun Batnasan mit einem halben Punkt Rückstand vor Nakabo Peninah aus Uganda.
Podium Damen U1700
Kurz und kurios
- An zwei Abenden wurde jeweils ein FIDE gewertetes Blitzturnier abgehalten. Das erste gewann Bigabylov Zhuban aus Kasachstan mit 8 aus 9 (107 Teilnehmer), das zweite dominierte der junge Itgelt Khuyagtsogt aus der Mongolei mit 100% (9 aus 9, 104 Teilnehmer).
- „Handyverbot? Was ist das?“ Obwohl mehrfach während des Turniers angekündigt (u.a. beim technischen Meeting, vor Beginn der ersten Runden, usw.) scheint es weltweit noch nicht überall denselben Standard zu geben: leider mussten einige Partien aufgrund der Mitnahme von Mobiltelefonen oder gar dem Läuten desselben während der Partien verloren gegeben werden. Manche lernen es nie (oder wollen es nicht lernen?)…
- Vier verschiedene Ausflüge an den Vormittagen in Cagliari und Umgebung bot den Spielern und Begleitpersonen eine Abwechslung anstelle stundenlanger Vorbereitung auf die Nachmittagspartie.
- Sardischer Abend: ein folkloristischer Auftritt einer sardischen Gruppe abgerundet mit einem speziellen einheimischen Menü war ein weiterer Höhepunkt zur Mitte des Turniers.
- Abspielen der Nationalhymnen: zu Beginn der Preisverteilung startete die italienische Nationalhymne für die Föderation des Veranstalters. Unter den etwa 200 Personen bei der Preisverteilung warten etwa 40% Italiener, welche verhalten mitsangen. Kaum gab es die Mongolische Nationalhymne zum Sieg in der Kategorie „U2300 Damen“, dann schafften es 11 Mongolen, die Stimmung mit Ihren Gesängen zum Höhepunkt zu bringen. Eine wahre emotionale Begegnung für alle Anwesenden.
Ende April 2019 findet die nächste Amateur-WM in Mexico statt.
Ergebnisse:
Open U2300
Open U2000
Open U1700
Frauen U1700
Partien
Galerie