Alina l'Ami: Fotos aus Wijk aan Zee (1/2)

von Alina L'Ami
16.02.2017 – Das Tata Steel Turnier in Wijk aan Zee ist immer wieder ein Höhepunkt des Schachjahres. Dafür sorgt auch Turnierfotografin Alina l'Ami, die das Turniergeschehen mit ihrer Kamera lebendig macht und enthüllt, was die Spitzenspieler bewegt. In einem Rückblick auf das Turnier in Wijk aan Zee 2017 zeigt sie schöne Bilder und verrät Tricks der Schachfotografie. Mehr...

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Impressionen aus Wijk aan Zee

Text und Fotos: Alina L'Ami

Schauen sich zwei - oder mehr - Leute das gleiche Foto oder die gleiche Schachposition an, dann sehen sie vielleicht ganz unterschiedliche Dinge. Für mich ist das ein faszinierendes Phänomen und eine Herausforderung.

Ich glaube jedoch, dass die meisten Leute, die dieses Foto sehen, ähnlich reagieren: sie sehen einen schönen Spielsaal beim das Tata Steel Turnier 2017 auf Tour. Aber ich verfolge andere Ziele.

Jeder, der die richtige Ausrüstung hat und ein paar Techniken der Bildbearbeitung beherrscht, kann ähnliche oder bessere Bilder machen, denn der Raum bleibt unbeweglich. Man hat Zeit zu probieren, was passiert, wenn man mit unterschiedlichen Perspektiven und unterschiedlichen Linsen experimentiert. Am Ende sucht man sich dann die beste heraus und der Fall ist erledigt.

Aber was macht man, wenn die Szenerie weniger Spielraum zulässt?

Der Spielsaal in Wijk aan Zee wird zum Dschungel

Das ist schon eher nach meinem Geschmack: die faustkampfartige Stimmung mit einer gelungenen Aufnahme einfangen. Man muss kriechen, sich verbiegen, in die Luft springen und wer weiß nicht was alles anstellen, um etwas halbwegs Ordentliches zustande zu bringen. Das ist nicht leicht und funktioniert nicht immer und am Ende ärgert man sich oft über die Leute, die einem den Blick verstellt haben oder sich ins (dadurch wertlos gewordene) Bild gedrängt haben.

Da so viele Dinge geschehen und jede Menge Information im Foto gespeichert wird, kann die Aufmerksamkeit des Betrachters auf eine ganze Reihe von Dingen gezogen werden: auf Karjakin und Carlsen und wie es sich für die beiden anfühlen mag, nach dem WM-Kampf in New York wieder gegeneinander zu spielen; wie es möglich ist, sich unter diesen Umständen zu konzentrieren; aber vielleicht entdeckt ein Betrachter auch eine kleine Überraschung in dem Bild - zum Beispiel den Jungen hinter dem Fotografen im Pullover, der versucht, einen Blick auf seine Idole zu erhaschen.

Ich glaube, den Organisatoren und den Medien gefallen solche Fotos, denn daraus lassen sich Geschichten machen. Aber besser gefallen mir die weniger chaotischen Arrangements, die dafür im Betrachter Gefühle hervorrufen können:

Los geht's!

Einfach, intensiv und mit den Schachfiguren im Bild - ein wichtiges Element, um ein Bild zu einem "Schachfoto" zu machen. Aber dieses Detail ist schwerer ins Bild zu bekommen, als es scheint... Oft verhindert der Abstand zwischen Spieler und Figuren eine gute Aufnahme. Oder jemand versperrt die Sicht oder das Motiv ist einfach nicht interessant genug.

Ein ansprechendes Schachfoto zu machen ist eine Herausforderung, obwohl sich viele Fotografen einig sind, dass es relativ leicht ist, Fotos von unserem Sport zu machen (die Spieler sind mehr oder weniger unbeweglich). Aber dieser 'Vorteil' erweist sich zugleich als großes Handicap. Zitat: "Schach ist nicht dynamisch und die Fotos all der Spieler mit Pokerface sind langweilig; nichts passiert!". Das sehe ich auch so, es sei denn, jemand nimmt sich die Zeit und hat die Geduld, hartnäckig auf den richtigen (oder falschen) Moment zu warten. Aber manchmal kommt der einfach nicht.

'Trick' Nummer eins: man verzichtet auf die Schachfiguren und zeigt die Spieler
in anderer Umgebung. Der Weltmeister verkauft sich auch so.

Aber das kann man nicht immer machen, wenn es darum geht, über ein Schachturnier zu berichten und die Atmosphäre des Turniers zu vermitteln.

“Skandinavisch, Adhiban Baskaran? Mit 2...Sf6? Im Ernst?!”

Es hilft, wenn man sich beim Schach ein bisschen auskennt, und als ich diese Stellung auf dem Brett sah, hatte ich das Gefühl, es könnte sich lohnen, hier ein paar Züge abzuwarten. Und Magnus hat mich nicht enttäuscht.

Ein 'Problem' der Schachfotografie besteht darin, dass wir die Gesichter der Spieler kennen und ein weiteres Foto mit dem gleichen Spieler nicht viel Neues bringt - es sei denn, das Foto zeigt etwas Ungewöhnliches. Aber wie macht man das Bekannte wieder neu? Das ist die Frage, auf die ich eine Antwort gesucht habe und immer noch suche.

Gefühle und Emotionen im Schach festzuhalten, ist tatsächlich eine Herausforderung...

Trick Nummer zwei: Kinder fotografieren

Sie zeigen eine Fülle an Emotionen und haben keine Angst mit einem Gesichtsausdruck zu verraten, was in ihnen vorgeht. Wenn sie nur nicht die ganze Zeit zappeln würden... Das erschwert die Aufnahmen im trüben Licht der Turniersäle.

'Trick' Nummer drei: die Möglichkeiten nutzen, die interessante Spieler bieten! Auch hier hilft es, wenn man etwas vom Schach versteht.

Manchmal braucht man nicht einmal das Brett

Ich weiß noch, wie ich Willem Grünbauer, der gerne Willem de Schaker (der Schachspieler) genannt wird, entdeckt habe, und dabei unwillkürlich lächeln musste. Ich wusste, ich hatte mein Motiv gefunden. Doch eine halbe Stunde später war mein Lächeln einem finsteren Blick gewichen. Aus einer Reihe von Gründen konnte ich die richtige Einstellung einfach nicht finden! Das war umso ärgerlicher, weil mir der Gedanke kam, dass ich ihn unbedingt an diesem Tag, mit diesem Hemd, fotografieren müsste. Aber dann kam der richtige Moment und zum Glück war ich bereit.

Fehler in Sicht

Ich glaube, ich muss nicht erklären, warum mir dieses Bild gefällt. Einen vergänglichen Moment festzuhalten, diesen Bruchteil einer Sekunde - das empfinde ich als befriedigend.

Wer ist nervöser: Spieler oder Fan?

Gefühle zeigen sich am und jenseits des Schachbretts, man muss nur das Glück haben, dabei zu sein, wenn sie sich zeigen. Und natürlich möglichst oft auf der Lauer liegen. Was nicht immer geht. Aber die Zuschauer bieten phantastisches Material, mit dem man arbeiten kann:

“Oh nein! Das ist der falsche Zug”

Dieses Bild ist eine Mischung zwischen Straßen- und Schachfotografie, wobei das Tata-Logo dabei sein muss, um die Verbindung zum Schachturnier herzustellen. Das Gleiche gilt für das nächste Foto:

Ach, diese Augenblicke!

So schön, fordernd und befriedigend diese Bilder für mich auch sind, so kann ich doch nicht vergessen, dass ich ein Schachturnier fotografiere und versuchen, Bilder der Großmeister einzufangen.

Aronian spricht mit seinen Figuren

Als ich gesehen habe, wie Aronian seine Figuren angestarrt hat (ehrlich gesagt glaube ich, dass er versucht hat, seine Schnürsenkel zu binden...) war ich nicht zu stoppen und habe ihm die Kamera praktisch ins Gesicht gehalten... sorry, aber das ging nicht anders! Ich hatte die 20 mm Linse auf der Kamera, das heißt, die Weitwinkel-Linse, die bei Porträts normalerweise nicht besonders hilfreich ist. Aber es hat funktioniert. Ich mag dieses Foto auch deshalb, weil es mich daran erinnert, wie sich Fotografen mit Ratschlägen und Kritik gegenseitig helfen. Patrick Put gab mir zahlreiche generelle Tipps und David Llada meinte, ich sollte dieses Bild noch weiter schneiden. Und hier sehen sie das Endergebnis, das ausdrucksstärker ist als meine ursprüngliche Version.

Noch ein Portät mit der 20 mm Linse. Ich liebe diese Linse einfach! Mit ihrer Haltung haben mich Aronian und Nepo einfach glücklich gemacht.

Der Tag wurde noch besser, als sich Karpov fotografieren ließ.

Wei Yi lächelt!

Wenn man ein Gesicht fotografiert, dann versucht man, die Seele dahinter zum Vorschein zu bringen. Doch bei manchen Leuten ist das einfach schwierig. Doch wenn es dann zu diesem magischen Moment kommt, ist man doppelt glücklich. Ich war erleichtert, dass keine anderen Köpfe oder Hände im Hintergrund zu sehen waren, obwohl ich das Foto vor Partiebeginn gemacht habe. Die Kurve, die im Hintergrund zu sehen ist, trägt ebenfalls zur Komposition bei, da sie die Aufmerksamkeit auf den Vordergrund lenkt.

Manche Spieler sind den Fotografen gegenüber sehr großzügig. Ausdrucksstarke Hände ebenfalls.

Doch ich mache nicht nur gerne Porträtfotos, denn ich möchte dem Publikum auch die Schachatmosphäre näher bringen. Den menschlichen Faktor zu betonen schien mir eine gute Methode zu sein, um das zu erreichen:

Das Leben als Sekundant ist hart

Kneipenkultur in Wijk aan Zee

Letzte Vorbereitungen vor dem Kampf

Und dann sind da noch Aufträge zu erfüllen. Und so müssen auch andere Motive eingefangen werden: Logos, Poster, usw. In der Welt, in der wir uns bewegen, sind Marken wichtig, deshalb:

Schachaktion

Alles in einem einzigen Bild unterzubringen, ist keine schlechte Leistung. Das berühmte Zitat ist zu sehen, genau wie das orangefarbene Banner, und auf beiden Brettern tut sich etwas. Noch besser: die Hände sind synchron.

Der nächste Punkt auf der Liste: die Jaguars, die den Spitzenspielern während des Turniers zur Verfügung standen. Ich hätte eine einfache Aufnahme der Wagen machen können, aber das ist einfach... langweilig.

Aronians Vater fragt sich, ob sein Sohn Carlsen stoppen kann.

Diese Komposition bietet dem Betrachter mehr als ein einfaches Bild mit einem (wenn auch PS-starkem) Wagen.


Alina L'Ami ist Schachprofi, WGM, und bringt allem, was sie macht, großen Enthusiasmus entgegen. Sie liebt es, in die entlegensten Winkel der Erde zu reisen, um dort Schach zu spielen und darüber hier bei ChessBase zu berichten.

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