Wer ein Repertoire für 1.e4 aufbauen oder pflegen möchte, muss sich intensiv mit der Sizilianischen Verteidigung beschäftigen, ist sie doch neben 1…e5 die meistgespielte Erwiderung auf 1.e4. Zu diesem Thema finden sich im Angebot von ChessBase diverse „große“ Fritztrainer, die z.B. die „offenen Sizilianer“ (2.Sf3 und 3.d4) oder die Systeme mit 3.Lb5 (Rossolimo, Moskauer Variante) ausführlich behandeln. Hier zwei Beispiele mit mehreren Teilen:
Auch zu weiteren beliebten Varianten wie diversen geschlossenen Systemen (2.Sc3) oder der Alapin-Variante (2.c3) gibt es eine Reihe von Fritztrainern. In den 60-Minuten-Kursen werden dagegen meist seltene oder überraschend neue Varianten besprochen, die entweder als Ergänzung des Repertoires oder als alternative Überraschungswaffe genutzt werden können. In der folgenden Übersicht möchte ich Ihnen einige der 60 Minuten Kurse gegen Sizilianisch genauer vorstellen.
An Anti-Sicilian Repertoire (Loek van Wely)
Der niederländische GM stellt in diesem Kurs ein komplettes Repertoire auf Basis der Rossolimo-/Moskauer Varianten mit 3.Lb5 vor. In sieben Videos werden die wichtigsten Antworten auf 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+ und 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 erläutert.

Auch gegen 2…e6 hat er mit 3.d3 einen Repertoirevorschlag. Auch wenn ein solcher Kurs in 60 Minuten nur eine begrenzte Breite und Tiefe bieten kann, eignet er sich doch für Sie, wenn:
Eine außergewöhnliche Waffe gegen Sizilianisch - 2.Sa3 (Christian Bauer)
Dieser Kurs ist einer englischen und in einer deutschen Sprachversion erhältlich.
Auch Christian Bauers 2.Sa3-Kurs bietet uns ein vollständiges Repertoire für Weiß. Sein Zug 2.Sa3 ist ein intelligenter Abwartezug, der zunächst den Aufbau des Gegners sehen möchte, bevor die eigenen Pläne präsentiert werden. In vielen Fällen ähneln die resultierenden Stellungen denen von Alapin (2.c3) oder 3.Lb5 Varianten.
Der Kurs eignet sich vor allem für Spieler, die bereits Erfahrungen mit Alapin, 3.Lb5 oder anderen geschlossenen Sizilianisch-Varianten haben, und ihre Gegner mit dem flexiblen 2. Sa3 „aus der Theorie“ bringen möchten. Das Thema ist durchaus anspruchsvoll, daher eignet sich der Kurs meiner Meinung nach eher weniger für „Theorie-Muffel“, die mit möglichst wenig Lernstoff das Thema Sizilianisch mit einer „einfachen“ Variante abhaken möchten.
Ergänzungskurse für 3.Lb5 Spieler gegen 1.e4 c5 2.Sf3 e6
Wer gerne die Rossolimo- und Moskauer Variante mit 3.Lb5 spielt, braucht auch eine Antwort auf das häufig gespielte 2…e6. Die nachfolgenden Kurse bieten Ihnen unterschiedliche Repertoire-Vorschläge zu diesem Thema.
The delayed Alapin (Harsha Bharathakoti)
Der junge indische GM stellt hier begleitet von Chessbase „Medienarbeiter“ Arne Kähler die „verzögerte Alapin“ Variante mit Ld3 vor.

3.c3, also der Schwenk zur Alapin Variante (2.c3) ist an sich nichts Neues, die Fortsetzung 4.Ld3 auf den Hauptzug 3…Sf6 allerdings schon.

Der Zug ist eine interessante Alternative zum üblichen Zug 4.e5, der zu bekannten Stellungen der Alapin Variante führt. Neben dieser speziellen Variante bespricht der Autor aber auch die andere wichtige Antwort auf 3…d5, mit 4.exd5 Dxd5 und 4.exd5 exd5.
A modern approach against the 2...e6-Sicilian (Jan Werle)
Der Autor der beiden großen 3.Lb5-Kurse liefert in diesem 60-Minuten-Kurs gleich selbst eine Antwort auf die Frage nach 2…e6.

Seine Antwort ist der Zug 3.b3 mit dem nachfolgenden Fianchetto des schwarzfeldrigen Läufers. Er behandelt dabei alle wichtigen schwarzen Varianten wie 3. … Sc6, d6, b6 und a6.
A dangerous Anti-Sicilian: 1.e4 c5 2.Nf3 e6 3.g3! (Andrew Martin)
Der bekannte englische GM und Autor hat hier einen anderen Vorschlag. Mit 3.g3 wechselt Weiß in eine Art Königsindischen Angriff mit Lg2 und De2.

Anhand von ausgewählten Partien erklärt der Autor diesen Aufbau. Hier kommt es dann mehr auf das Verständnis der entstehenden Stellungen als auf das Auswendiglernen von Varianten an.
Varianten gegen Sizilianisch mit 2. …d6
Die beiden folgenden Kurse behandeln Systeme als Antwort auf einen schwarzen Aufbau mit 2…d6 mit 3.d4 und dem nachfolgenden 4.Dxd4. Der Unterschied besteht allerdings im 2. Zug von Weiß. Der Kurs von Markus Ragger behandelt die Zugfolge 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Dxd4 während Lawrence Trent die Gashimov-Variante 1.e4 c5 2.Sc3 d6 3.d4 cxd4 4.Dxd4 zum Inhalt hat.
Eine Überraschungswaffe gegen Sizilianisch mit 2...d6 (Markus Ragger)
Hier hat mir sehr gut gefallen, wie der österreichische Autor in diesem Kurs auf die unterschiedliche Interpretation der Variante durch verschiedene Meister eingeht.

Dieser Kurs enthält sowohl die englische als auch die deutsche Sprachversion.
Er bezeichnet diese Spielweisen als Aronian-System, Harikrishna-System und Esipenko-System. Ein gemeinsames Merkmal der Systeme ist, dass der Anziehende in der Regel die kurze Rochade anstrebt. Das unterscheidet diese Variante von der Gashimov-Variante mit 2.Sc3, die im nachfolgenden Kurs von Lawrence Trent besprochen wird.
The Sicilian Gashimov-Variation (Lawrence Trent)
Wie im letzten Kapitel erwähnt, wird hier im Gegensatz zu Raggers Kurs die Zugfolge mit 2.Sc3 mit nachfolgendem 3.d4 besprochen. Wie man anhand der Liste der Varianten sehen kann, basiert dieses System auf einer schnellen Entwicklung des weißen Damenflügels mit b3, Lb2 und der großen Rochade.

Wie der bekannte englische IM und Kommentator gekonnt in seinem 60-Minutes-Kurs darlegt, verspricht dieser Aufbau dem Anziehenden sowohl eine recht stabile Königsstellung als auch gute Angriffschancen am Königsflügel.
Varianten im „offenen“ Sizilianer
Wie in der Einleitung erwähnt, betrachte ich in diesem Beitrag Varianten für 1.e4-Spieler gegen Sizilianisch und nicht die Kurse mit Empfehlungen für den Sizilianisch-Spieler (mit einer Ausnahme im nächsten Kapitel). In diese Kategorie der Kurse zu speziellen Varianten fallen zwei Kurse, die die Taimanov-Variante (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6) zum Thema haben.
The Popov Variation against the Taimanov (Nico Zwirs)
https://shop.chessbase.com/de/products/zwirs_popov_variation_taimanov_in_60_minutes
Diese Variante entsteht nach den einleitenden Zügen: 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le3 a6 7.Dd2 Sf6, wenn der Anziehende statt mit 8.0-0-0 oder f3 den „Englischen Angriff“ einzuleiten, mit 8.f4 fortsetzt:

Nico Zwirs analysiert hier die drei häufigsten Fortsetzungen 8… Lb4, ...d6 und ...b5

Attacking the Taimanov with g4 in 60 Minutes (Sipke Ernst)
Der Niederländische GM und Trainer untersucht hier eine Form des „beschleunigten“ Englischen Angriffs, bei dem Weiß schon im 7.Zug mit g4 angreift, ohne sich vorher mit Dd2 und 0-0-0 zu entwickeln.

Hier gefällt mir sehr gut, dass Ernst nicht nur die Theorievarianten anbietet, sondern als Bonus auch eine Datenbank mit Modellpartien zum Thema und Positionen zum Ausspielen mit Fritz:

An attacking weapon versus the Najdorf (Nico Zwirs)
Kurz vor Fertigstellung dieses Beitrags wurde noch ein weiterer 60-Minuten-Kurs zu unserem Thema veröffentlicht, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, auch weil er ein interessantes Repertoire gegen die sehr beliebte Najdorf-Variante vorstellt.
Wie in der Beschreibung erwähnt, „zeigt der niederländische IM Nico Zwirs, wie Sie direktes Angriffsspiel mit der kraftvoller Strategie verbinden. Die Idee: den schwarzfeldrigen Läufer gegen einen Springer tauschen, f4–f5 durchsetzen, …e5 erzwingen – und anschließend das herrliche Feld d5 dominieren“.
Besonders gespannt war ich, wie der Autor mit der wahrscheinlich kritischsten Variante, der „Bauernraub“ Variante nach 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Db6 umgeht.

Eine „einfache“ Lösung hat auch Nico Zwirs nicht in petto – man muss sich wohl auf die wilden Komplikationen einlassen, wenn Schwarz diese riskante Variante wählt, aber der Autor zeigt uns in knapp elf Minuten, wie Weiß hier gut spielbare Stellungen erreichen kann. Hier noch eine Übersicht über die im Kurs gezeigten Varianten:

Außer der Reihe: ein Repertoire für Schwarz gegen den offenen Sizilianer
Keine Regel ohne eine Ausnahme! Abweichend von den bisher vorgestellten Kursen möchte ich Ihnen noch den Kurs …
Surprising Your Opponents with the Lazy Sicilian (Svitlana Demchenko)
… vorstellen.
Die kanadische WIM stellt hier ein leicht zu erlernendes Repertoire für „Theorie-Muffel“ vor, welches auch als Überraschungswaffe eingesetzt werden kann. Ihr „fauler Sizilianer“ entsteht nach der Zugfolge: 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Lc5.

Es mag sein, dass diese Variante nicht 100 Prozent korrekt ist, aber das muss Weiß erst einmal beweisen und sich vorher intensiv mit der Theorie beschäftigt haben, was insbesondere im Amateurbereich eher selten der Fall sein dürfte.
Mir gefällt hier, dass die Autorin neben der Theorie auch zwei Trainingsvideos im interaktiven Fritztrainer-Format anbietet, bei denen wir die erlernten Varianten und taktischen Fallstricke überprüfen können.

Für mich sind einige der 60-Minuten-Kurse eine gute Ergänzung zu den großen Fritztrainern bzw. guten Fachbüchern. Der Lernstoff pro Kurs ist immer überschaubar und leicht zu erfassen. Eine Stunde konzentriertes Training geht immer!
Die „delayed Alapin“-Variante habe ich bereits in mein Repertoire aufgenommen und das von Markus Ragger vorgestellte System auf 2…d6 wird folgen. Mit Schwarz werde ich den „Lazy Sicilian“ ausprobieren.