Wer kennt das Problem nicht? Man verbringt Minuten mit tiefen Varianten, nur um festzustellen, dass ein einfacher Entwicklungszug genügt hätte. Supergroßmeister David Navara stellt in seinem neuen Kurs genau diese Frage in den Mittelpunkt:
Wann lohnt sich präzises Rechnen und wann ist gesunder Menschenverstand die bessere Wahl?
Der tschechische Weltklassespieler filtert seine jahrzehntelange Turniererfahrung auf handliche 94 Minuten Videomaterial, das bequem über den ChessBase-Shop heruntergeladen werden kann.
In diesem aufschlussreichen Videokurs gibt Großmeister David Navara praktische Tipps, wann man in einer Stellung Varianten berechnen sollte – und, was ebenso wichtig ist, wann man es nicht tun sollte.
In diesem aufschlussreichen Videokurs gibt Großmeister David Navara praktische Tipps, wann man in einer Stellung Varianten berechnen sollte – und, was ebenso wichtig ist, wann man es nicht tun sollte.
Kostenloses Beispielvideo: Introduction
Kostenloses Beispielvideo: Invisible moves
Navara gliedert das Training in verschiedene Abschnitte. Diese sind mir besonders aufgefallen:
- Intuition vs. Berechnung
Anhand typischer Mittelspielstellungen erklärt er, welche Stellungsmerkmale sofortiges Rechnen auslösen sollten (z. B. ungeschützte Könige, lockere Taktikmotive) und wann ein positioneller Zug meist die bessere Wahl ist.
- Zeitmanagement am Brett
Hier verrät er Tricks, mit denen er selbst in komplizierten Situationen die Uhr im Griff behält.
- „Long Variation, wrong Variation“ (Bent Larsen)
Mein Lieblingsabschnitt, da mir dies selbst häufiger in Partien passiert. Breite ist wichtiger als tiefe. Lieber kürzere und dafür mehrere Kandidatenzüge rechnen, statt eine lange Variante, die dann bereits im zweiten Zug falsch sein könnte.
Ein Beispiel zum Abschnitt „one step further“:

Die Frage lautet, ob 29...Sd7, also die Verbesserung des Springers, möglich ist.
Nach kurzem Nachdenken sollte einem die Variante 29.Txb7 Sc5 30.Tc7 auffallen. Mein erster Gedanke war danach 30...Sxd3, der aber wegen 31.Txd3 recht schnell verworfen wird. Der nächste Kandidatenzug wäre also 30...Txd3.
Diesen verwarf ich aber schnell wegen 31.Txc5 und nun hängen beide Türme und Schwarz hat einen Springer weniger, oder?
Hier kommt das Konzept zum Vorschein. Erst aufhören zu rechnen, wenn es keine Schlag- oder Schachzüge mehr gibt. Vor allem in längeren Varianten sollte man nicht zu faul sein (das kenne ich so von mir), noch den einen extra Schritt zu gehen, denn dieser könnte entscheidend sein. Genauso hier: 31...Txe3! Und Schwarz bekommt auf ästhetische Weise seinen Springer zurück.
Eine andere Stellung ist aus dem Konzept des „lazy mans guide“. Dort erklärt Navara, dass es Stellung gibt, in denen keine Kalkulation sogar die bessere Entscheidung ist und starke Spieler dies wissen – so sparen sie Energie und Zeit für andere Situation.

Weiß am Zug
Es scheint auf den ersten Blick eine recht komplizierte Stellung zu sein. An welchem Flügel spielt Weiß? Muss ich f4 spielen? Sollte ich meinen Springer verbessern?
Unabhängig von diesen Fragen ist ganz klar, dass 1.a5! das schwarze Spiel verlangsamt und uns keine Nachteile bietet. Der Computer wird hier mehrere Züge mit der gleichen Bewertung anzeigen. Demnach ist es wichtig zu lernen, in der Praxis solche Situationen zu erkennen, um dort nicht zu viel Zeit zu verbrennen. Es wird keinen signifikanten Unterschied für den weiteren Verlauf haben. Mit solchen schnellen Zügen kann man zudem psychologischen Druck auf seinen Gegner aufbauen, da dieser von der Geschwindigkeit überrascht werden könnte. All dies ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn nur sehr starke Spieler wissen, wann genau man etwas aufs Gas drücken kann.
Fazit
Your Calculation Compass ist kein trockener Taktiktrainer, sondern ein kompaktes Navigationsgerät für die tägliche Praxis: Wann lohnt sich tiefes Graben, wann reicht ein prüfender Blick? Navara beantwortet diese Frage mit klaren Kriterien, lebendigen Beispielen und einer gesunden Portion Humor. Für den Preis eines Hamburger Döners bekommt man fast anderthalb Stunden Top-Level-Coaching, das man jederzeit wiederholen kann. Wer seine Bedenkzeit besser investieren und gleichzeitig taktisch schärfer werden will, liegt hier goldrichtig.
Zum Autor:
David Navara (*1985 in Prag) ist Tschechiens erfolgreichster Schachspieler und zählt seit Jahren zur erweiterten Weltspitze. Er wurde früh von renommierten Trainern wie Luděk Pachman gefördert und gewann zahlreiche nationale und internationale Jugendtitel. Mit 14 wurde er Internationaler Meister, 2002 Großmeister. Navara ist vielfacher tschechischer Landesmeister und vertrat sein Land bei allen Schacholympiaden seit 2002, meist am Spitzenbrett. Internationale Erfolge feierte er u. a. mit dem Viertelfinaleinzug im World Cup 2011 sowie dem Gewinn der Blitz-Europameisterschaft 2022. Neben dem Turnierschach studierte er Logik an der Karls-Universität Prag und ist seit 2010 hauptberuflich Schachprofi. Navara ist bekannt für seine Fairness und seine tiefgründige, strategische Spielweise.
Informationen zum Autor im ChessBase-Shop