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Souleidis: Frau Hiebert, Sie sind Mitglied des dreiköpfigen Schiedsgerichts während des FIDE Grand Prix in Hamburg. Wie sind sie ausgewählt worden?
Hiebert: Es war tatsächlich eine Überraschung für mich, da ich es nicht erwartet habe. Ich fühle mich geehrt von der FIDE eingeladen worden zu sein.
Souleidis: Mussten Sie bis jetzt in ihrer Rolle tätig werden und eingreifen?
Hiebert: Nein, es verlief alles unproblematisch bisher.
Souleidis: Dementsprechend genießen Sie ihre Zeit in Hamburg?
Hiebert: Ja und ich fühle mich auch ein wenig schlecht deswegen, weil ich wie ein Schiedsrichter denke und gerne etwas mehr tun würde. Aber ich bin jeden Tag hier, verfolge das Geschehen und schaue, dass alles gut läuft. Ich habe auch mit einigen Spielern gesprochen und sie gefragt, ob alles zu ihrer Zufriedenheit ist. Keiner von ihnen hat sich beschwert.
Souleidis: Aber es gab mit Ian Nepomniachtchi und Daniil Dubov Spieler, die sich über die Organisation beschwert haben oder nicht?
Hiebert: Davon habe ich gelesen, aber ich weiß nicht genau, was passiert ist.
Ian Nepomniachtchi schied beim FIDE Grand Prix Hamburg in der ersten Runde aus | Foto: Valeria Gordienko
Souleidis: Also haben Sie nicht mit Herrn Nepomniachtchi gesprochen?
Hiebert: Nein. Aber gemäß den drei Spielern, mit denen ich sprach, scheint alles in Ordnung zu sein. Ich fragte die Herren Vachier-Lagrave, Duda und Navara.
Souleidis: Man kann sich schwerlich vorstellen, dass Herr Navara sich überhaupt mal beschwert.
Hiebert: Ja ich weiß. Er ist eine so höfliche Person.
Souleidis: Sie sind auch Schiedsrichterin. Seit wann?
Hiebert: Ich besuchte vor drei Jahren ein Seminar in Indien und seitdem habe ich an vielen Orten wie Deutschland, Serbien, Italien oder Ungarn gearbeitet. Da wir kaum FIDE-gewertete Turniere in Japan haben, ist es dort sehr schwierig eine Schiedsrichter-Norm zu erzielen.
Souleidis: Wie sind Sie mit Schach in Verbindung gekommen?
Hiebert: Mein Sohn fing mit zwölf Jahren an Schach zu spielen. Wir lebten in Kanada, aber als wir nach Japan zurückgingen, wollten wir, dass er etwas tut, womit er seine Sprachkenntnisse weiter trainiert und Schach ist gut dafür geeignet. Als er spielte, war er voll drin. Er spielte in einem lokalen Klub und später Turniere. Ich fuhr mit ihm zu Turnieren und half immer mehr aus. So kam ich in Kontakt mit Schach.
Souleidis: Und das führte sogar dazu, dass Sie zur Präsidentin des Japanischen Schachverbands (NCS) gewählt wurden.
Hiebert: Ja, ich bin die Präsidentin des Japanischen Schachverbands (NCS).
Souleidis: Seit wann?
Hiebert: Seit Februar dieses Jahres.
Souleidis: NCS ist ein kleiner Schachverband. Wie ist die Verbindung zur FIDE und können Sie sagen, ob FIDE solch kleine Schachverbände unterstützt?
Hiebert: Ich bin hoffnungsvoll, dass die neue Administration kleine Verbände wie unseren unterstützten wird. Ich werde die Formulare für die Bereitstellung von finanziellen Mitteln ausfüllen und bald einreichen. Sobald das geschehen ist, hoffe ich, dass uns für das kommende Jahr Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Souleidis: Welche Pläne verfolgen Sie mit ihrem Verband und was sind ihre persönlichen Ambitionen?
Hiebert: Vor der Gründung von NCS hatten wir noch nicht mal eine englische Webseite. Jetzt haben wir eine und wir erhalten aus der ganzen Welt Anfragen, so dass wir ein Netzwerk aufbauen können. Wir versuchen mehr FIDE-Turniere auszurichten, so dass wir als Organisation wachsen. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Ein Problem ist die Sprache. Für Japaner ist es schwierig, sich für Schach zu begeistern. Am Anfang ist es einfacher, aber mit steigender Spielstärke wird es immer schwieriger, wenn man nicht ein Mindestniveau in Englisch hat. Außerdem muss man außerhalb von Japan zu Turnieren reisen, was in Kombination mit der Sprachproblematik eine hohe Hürde darstellt.
Souleidis: In der FIDE-Liste sind nur ungefähr 70 Namen aus Japan mit einer Elo-Zahl aufgeführt. Wie viele Menschen spielen in Japan Schach?
Hiebert: Momentan haben wir fast 400 Mitglieder in der NCS, aber viele spielen nur online. Sie spielen gerne, wollen aber noch nicht Mitglied werden. Deswegen kennen wir nicht die genaue Anzahl an Menschen, die Schach spielen. Wir versuchen aber immer mehr junge Spieler an uns zu binden.
Souleidis: Sie erwähnten, dass Sie auch ein großes internationales Turnier ausrichten möchten in den nächsten Jahren?
Hiebert: Ja. Momentan haben wir nur drei, vier Turniere, die von der FIDE ausgewertet werden. Wir würden das gerne erweitern und dazu gehört ein großes internationales Turnier.
Souleidis: Ich vermute, dass die Preisgelder bisher gering waren, so dass keine ausländischen Spieler nach Japan kamen?
Hiebert: Das ist exakt ein Problem.
Souleidis: Sie hoffen also, die Situation mit Hilfe der FIDE zu ändern?
Hiebert: Auf jeden Fall.
Souleidis: In Europa ist Schulschach weit verbreitet. Z.B. gibt es hier in Hamburg viele Schulen, in denen Schach unterrichtet wird. Haben Sie für Japan ähnliche Pläne?
Hiebert: Das fragen mich tatsächlich viele Leute. Es ist sehr schwierig in die Schulen zu gelangen in Japan. Ich kann die Situation nicht perfekt erläutern, aber lassen Sie mich es so formulieren. Es gibt einige Schulen mit Schachklubs, aber es ist wenig zwanglos und diese Klubs müssen von Lehrern geführt werden. Darüber hinaus hat fast jede Schule einen Shogi-Klub.
Souleidis: Shogi hat natürlich eine großer Tradition in Japan mit Millionen von Spielern. Wie möchten Sie mit dem großen Bruder konkurrieren?
Hiebert: Es gibt mit Yoshiharu Habu einen sehr guten Shogi-Spieler, der auch ein sehr guter Schachspieler ist. Wir hoffen, dass er Shogi und Schach zusammenbringen kann und für uns ein wenig Werbung macht.
Souleidis: Haben Sie Kontakt zu ihm?
Hiebert: Ja.
Souleidis: Er ist wirklich nett. Er spielte viele Turniere in Europa vor 10-15 Jahren und ich hatte das Vergnügen 2005 in den Niederlanden gegen ihn zu spielen. Aber er scheint aufgehört zu haben seit einigen Jahren. Wissen Sie mehr?
Hiebert: Er hat nicht wirklich aufgehört. Er ist nur zu beschäftigt mit Shogi. Er würde bestimmt spielen, wenn er die Gelegenheit hätte.
Souleidis: Ich vermute, dass er in Japan ein Star ist, so wie Magnus Carlsen in der Schachwelt?
Hiebert: In Shogi? Ja, auf jeden Fall. Er ist einer der absoluten Top-Spieler und sehr bekannt. Es gibt einige junge Spieler, die hochkommen, aber er ist immer noch der große Name in der Shogi-Welt.
Souleidis: Japan hat nicht viele Titelträger, nur drei internationale Meister und einige Fide-Meister. Es gibt aber einen Namen in der Liste, der sehr interessant ist. Dabei handelt es sich um Hikaru Oka (Jahrgang 2004). Was können Sie uns über ihn sagen?
Hiebert: Da er an keinem unserer Turniere teilgenommen hat, kann ich nicht viel sagen.
Frau Hiebert wollte sich zu Nachfragen über Oka nicht äußern. Die Ergebnisse von Oka bei zwei Turnieren in Serbien zwischen Oktobber und November 2018 erregten Verdacht, weil seine Elo von 2086 auf 2421 explodierte. Die FIDE wertete und veröffentlichte diese Turniere erst ein Jahr später. Oka hat seit Oktober 2018 keine einzige offizielle Partie gespielt und man muss abwarten, ob und wann er wieder an einem Schachturnier teilnimmt.
Souleidis: Gibt es professionelle Schachspieler in Japan?
Hiebert: IM Shinya Kojima ist ein professioneller Spieler und Trainer. Er gibt privat Unterricht und auch in Schulen. Er ist einer der aktivsten Spieler. Da ist noch IM Ryosuke Nanjo. Er ist nicht ganz so aktiv, aber er gewann das letzte elo-gewertete Turnier im November.
Souleidis: Spielen Sie selbst Schach?
Hiebert: Mein Sohn spielt und ich schaue zu. Ich spiele nicht wirklich, da ich nicht gut genug bin. Aber ich kenne die Regeln und verstehe natürlich, was vor sich geht, wenn ich zuschaue.
Frau Hiebert, vielen Dank für das Gespräch.