212 Jahre Schlacht bei Dennewitz -
Eine Ära geht zu Ende …
Oder: Was verbindet Loriot, Napoleon und GM Robert Rabiega?
Die Antwort: die Schlacht bei Dennewitz, das Schachturnier mit der vielleicht längsten Historie weltweit!

Beginnen wir mit dem Ende, auch wenn das der Chronologie widerspricht: am 30. August 2025 gab es nach 212 Jahren, die voraussichtlich letzte Schlacht bei Dennewitz. Doch um das Finale angemessen zu würdigen, müssen wir zurück zum Anfang.
Am 6. September 1813 gab es die erste Schlacht bei Dennewitz. Die ca. 40.000 Mann der preußischen Truppen unter Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow konnten einen grandiosen Sieg über die ca. 70.000 Mann der französischen Truppen im Rahmen der Befreiungskriege feiern. Ohne diesen Erfolg würde man vielleicht in Berlin heute französisch sprechen.
Der große Verlierer dieser ersten Schlacht war Napoleon. Der Sieger der Schlacht bekam den Ehrennamen Friedrich-Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz.

6. September 1813: General Friedrich Wilhelm von Bülow nach seinem Sieg bei Dennewitz
Und genau nach ihm ist das Spiellokal in Dennewitz benannt „Wirtshaus zum Grafen Bülow“.

Ihm zu Ehren wurde 1913 ein großes Denkmal in Dennewitz eingeweiht. In Berlin stand bis 2021 „Unter den Linden“ auch ein großes Denkmal – für das aktuell im Rahmen der Restaurierung ein neuer Platz gesucht wird.

Und wer die Familiengeschichte derer von Bülow etwas genauer betrachtet, stößt auf einen weiteren bekannten Namen: Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow – besser bekannt als Loriot.
Einige Jahre später begann der damalige SV Marzahna 57 e.V. die Schlacht wieder aufleben zu lassen. Die Schlacht bei Dennewitz ging mit Angriffen & Rückzügen, Opfern & Aufgaben, Siegern & Verlierern weiter. Im Laufe der Jahre kamen so über 500 Spielerinnen und Spieler und Begleitpersonen in den Fläming. Darunter befanden sich circa 90 Titelträger aus mehr als einem Dutzend Ländern. Der mit Abstand erfolgreichste Spieler, mit insgesamt sechs Siegen bei der Schlacht, war der GM Robert Rabiega vom SK König Tegel Berlin.
Vielleicht lohnt es sich, hier auch über einen Ehrennamen nachzudenken: „General Robert von Dennewitz“.
Einzig IM Ralf Schöne – ehemals auch für den inzwischen leider aufgelösten SV Marzahna 57 e.V. aktiv – hat alle 20 Schlachten des SV Marzahna 57 e.V. geschlagen. Da jedoch die Aufzeichnungen von der Schlacht 1813 unvollständig sind, lässt sich eine Teilnahme damals weder bestätigen noch widerlegen.

22. August 2015: „General Robert von Dennewitz“ im Kampf gegen „Ewiger Ralf von Dennewitz“
Doch zurück zur letzten Schlacht. Insgesamt 44 Spieler, darunter vier IM, eine WGM, zwei FM und eine WFM machten sich auf den Weg zur Schlacht für Ruhm, Ehre und wahrscheinlich auch wegen des Preisgeldes.
Da der internationale Flughafen in Dennewitz am Sonnabend geschlossen hat, nutzten einige Spieler die Möglichkeit der Übernachtung direkt im Wirtshaus zum Grafen Bülow, um entweder sich im Vorfeld den vielen Denkmäler zu Ehren der Schlacht von 1813 in der Region zu widmen oder sich aber schon mal einzuspielen – Quadro-Schach macht sehr viel Spaß. Andere Spieler fuhren früh 4 Stunden, um nach Dennewitz zu gelangen.

30. August 2025: „Die erste Runde beginnt (Brett 2 wartet auf den Fotografen)
In den ersten beiden Runden gab es bis auf das Remis vom IM Jakub Pulpan, in Deutschland für Nickelhütte Aue aktiv, gegen Manfred Jandke (SSG Lübbenau) keine Favoritenstürze. IM Pulpan hat übrigens im April 2025 im Blitz auch schon gegen Magnus Carlsen gewonnen und sich damit eindrucksvoll für Dennewitz qualifiziert.
Nach der 4. Runde gab es fünf Spieler mit 3,5 Punkten. Die beiden Wertzahlfavoriten – Titelverteidiger IM Ilja Schneider (SF Berlin) und IM Pulpa gewannen dann jeweils ihre Spiele und führten mit 4,5 Punkte, IM Schöne spielte Remis und war bester Verfolger mit 4 Punkten. Dahinter lauerten nach der 5. Runde zehn Spieler mit 3,5 Punkten.
In der 6. Runde folgte dann das das vorentscheidende Duell zwischen IM Pulpan und IM Schneider. Es war eine durchaus aufregende Partie mit abgelehntem oder überhörtem Remisangebot. Die Bedenkzeitregelung – ohne Inkrement – sorgte für zusätzliche Spannung. Letztlich setzte sich IM Pulpan durch und führte mit 5,5 Punkten.

30. August 2025: Am Ende hatte der Sieger nur noch 6 Sekunden
Neben IM Schneider hatten weitere vier Spieler 4,5 Punkte: IM Ferenc Langheinrich (ebenfalls Nickelhütte Aue), WGM Yelyzaveta Hrebenshchykova (in Deutschland für die Männer und Frauen des SC Noris-Tarrasch Nürnberg aktiv), FM Hendrik Reichman (SF Berlin) und Detlev Kuhne (SC HC Trebbin).
Das Remis am Spitzenbrett der Runde 7 zwischen den beiden Spielern von Aue, IM Langheinrich und IM Pulpan ließ nicht lange auf sich warten. IM Schneider musste da schon deutlich länger kämpfen – am Ende mit Erfolg gegen WGM Hrebenshchykova.

Vor den beiden letzten Runden führte IM Pulpan mit 6,0 vor IM Schneider mit 5,5 Punkten. Dahinter folgten mit jeweils 5,0 IM Langheinrich, Thomas Heinrich (VfB Schach Leipzig, ehemals auch SV Marzahna 57 e.V.), IM Schöne, FM Reichmann und Kuhn. Weitere sechs Spieler mit 4,5 Punkten durften sich ebenfalls noch Hoffnung auf einen Hauptpreis machen.
Neben den Hauptpreisen ging es aber auch um zahlreiche Rating- und Sonderpreise, die zusätzlich für Spannung sorgten.
Doch zurück zum Turnierfinale: Nach der vorletzten Runde gab es nach Siegen von IM Pulpan gegen FM Reichmann, IM Schneider gegen Kuhne und IM Langheinrich gegen IM Schöne noch drei Anwärter auf den Gesamtsieg: IM Pulpan 7,0 Punkte, IM Schneider 6,5 Punkte, IM Langheinrich 6,0 Punkte. Es folgten Heinrich und Andreas Berthold (SV Schwarzheide) mit jeweils 5,5 Punkten und acht Spieler mit 5,0 Punkten.

Die letzte Frage, die nun noch offen war, war, ob es in der 9. Runde doch nochmal spannend hinsichtlich der Podiumsplätze werden sollte.
Die Antwort ist eindeutig: nein … keiner der drei Führenden wollte jetzt noch etwas riskieren.
Nachdem das Kurzremis zwischen dem dadurch zweitplatzierten IM Schneider (7 Punkte) und dem damit drittplatzierten IM Langheinrich (6,5 Punkte) feststand, folgte auch nur Sekunden später das Remis vom sonach sicheren Turniersieger IM Pulpan mit 7,5 Punkten gegen Berthold.

Mit je 6 Punkten belegten WGM Hrebenshchykova mit einem Sieg gegen Heinrich, Bernd Daverkausen (Narva Berlin) mit dem Sieg gegen IM Schöne und FM Reichmann mit dem Sieg gegen Arthur Dodul (Barnimer SF) die Plätze 4 bis 6.

Zusätzlich durften sich zwölf weitere Spielerinnen und Spieler über Preise in den Sonder- und Ratingwertungen freuen.
Zu Beginn des Turniers erzählte der spätere Sieger, dass er gerade erfolgreich seinen Masterabschluss in Betriebswirtschaft gemacht habe – und eigens früh aus Pardubice angereist sei, um in Dennewitz mitzuspielen. Auf den augenzwinkernden Hinweis der Organisatoren, dass sich nun zeigen werde, ob er Aufwand (Spritgeld) und Nutzen (Preisgeld) gut abgewogen hätte, reagierte er mit einem bescheidenen Lächeln und einem zustimmenden Nicken.
Gratulation an Jakub für beide Erfolge!
Die nun wahrscheinlich ewige Bestenliste des Turniers wird unangefochten vom „Ewiger Ralf von Dennewitz“ angeführt, vor „General Robert von Dennewitz“ und Torsten Schröder (SSG Lübbenau). (Punkte: erreichter Platz reziprok Anzahl Teilnehmer im jeweiligen Jahr).

Mit Ausnahme der ersten drei Turniere – und vermutlich auch der Schlacht von 1813 – hat Andreas Vollack (SV Babelsberg 03) an allen folgenden 17 Austragungen teilgenommen. Platz drei in der ewigen Teilnahmeliste teilen sich WFM Heike Germann und Jürgen Beator mit jeweils 15 Teilnahmen – beide waren ebenfalls lange Zeit für den SV Marzahna 57 e.V. aktiv.

Die Organisation eines solchen Turniers „auf dem Dorf“ wäre ohne externe Unterstützung nicht möglich. Daher gilt der Dank dem Schiedsrichter Fred Metzdorf, dem Turnierleiter René Schilling, dem Organisator & Sponsor Roland Schimmel sowie den Schachvereinen SC HC Trebbin und Ludwigsfelder SC.
Ein großes Dankeschön gilt ebenfalls dem Team des „Wirtshaus zum Grafen Bülow“ mit Familie Brechlin für die kostenlose Zurverfügungstellung des historisch gestalteten Saales und die preiswerte und leckere Bewirtung!
Aber das Museum in Dennewitz zur Schlacht von 1813 und die wirklich vielen kleinen und großen Denkmäler in den umliegenden Dörfern sind auch unabhängig vom Schach immer einen Besuch wert!

Am besten erkundet man diesen spannenden Teil der deutschen Geschichte auf dem Fläming-Skate!
Und ganz zum Schluss die traurige Nachricht: Leider konnten die Teilnehmerzahlen wie vor Corona nicht mehr erreicht werden. Daher haben die Organisatoren beschlossen, dass diese Schlacht 2025 die letzte Schlacht am Schachbrett war. Das Gedenken an die Schlacht von 1813 wird jedoch in Dennewitz auch in den kommenden Jahren wie auch in den Vorjahren erlebbar sein.
Vielen Dank an alle Teilnehmer und Besucher der Schlachten (zumindest aus diesem Jahrtausend)!
René Liese, (Mitorganisator, ehemals SV Marzahna 57 e.V.)
Und das Internet vergisst sowieso nicht, daher nachfolgend noch einige relevante Links.
Alles zum Schach:
https://www.lsvmv.de/turnierseite-des-lsv-mv.php?section=schlacht_bei_dennewitz (Statistiken und Berichte zu allen Schlachten nach 1813)
https://www.facebook.com/marzahna57 (Fotos und Videos)
https://www.instagram.com/schlachtbeidennewitz/ (Fotos und Videos)
Alles zur Schlacht von 1813 und Dennewitz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Dennewitz
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Bülow_von_Dennewitz
https://de.wikipedia.org/wiki/Bülow-Denkmal_(Berlin)
https://de.wikipedia.org/wiki/Dennewitz
https://www.wirtshaus-dennewitz.de/
http://www.schlacht-dennewitz.de/index.htm
https://www.youtube.com/watch?v=78eQl28BD_U&t=30s (Video zur 195 Jahrfeier Schlacht bei Dennewitz)
Und was nicht fehlen darf:
https://www.flaeming-skate.de/de/startseite.php (230km Skaterweg)