Das Konzept der Gegenfelder - Hilfreich im Endspiel

von Sundararajan Kidambi
20.06.2023 – Computer spielen Endspiele mit wenigen Steinen perfekt, indem sie einfach alle Möglichkeiten durchrechnen. Der Mensch braucht Konzepte, um sich im Endspiel zu orientieren. Eines dieser hilfreichen Konzepte ist das Konzept der sogenannten "Gegenfelder". Der indische Großmeister Sundararajan Kidambi hat sich anhand einer Partie von Rasmus Svane näher damit beschäftigt. | Foto: Shahid Ahmed

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In der Endspieltheorie, insbesondere in Bauernendspielen, gibt es das Konzept der "Gegenfelder", das mir jedoch seit den Anfängen meiner Schachlaufbahn immer ziemlich kompliziert zu sein schien. Ich erinnere mich vage an einige Bücher von Jonathan Speelman und Juri Awerbach, in denen sie über Gegenfelder gesprochen haben, doch in meinen Partien habe ich das Konzept noch nie anwenden können. Allerdings haben auch Mark Dvoretsky und Karsten Müller dieses Thema in ihren Endspielbüchern ausführlich behandelt.

Und vor kurzem bin ich in einer Partie von Rasmus Svane über das Konzept der Gegenfelder gestolpert. In der Partie stand ein Endspiel auf dem Brett, in dem beide Seiten je vier Bauern am Königsflügel hatten, allerdings hatte Weiß die bessere Leichtfigur und den aktiveren König. Mein Freund Thorsten Cmiel hatte mir die folgende Stellung aus dieser Partie gezeigt und gemeint, mit dem Konzept der Gegenfelder könnte man das Endspiel analysieren und einen Gewinn für Weiß finden.

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Smyslov pflegte einen klaren positionellen Stil und verließ sich auch in scharfen taktischen Stellungen häufig mehr auf seine Intuition als auf konkrete Variantenberechnung, wobei er es im Bedarfsfall durchaus verstand, brillant zu kombinieren.

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Dies ist die Stellung aus der oben erwähnten Partie nach dem 56. Zug. Ich wollte wissen, ob man diese Stellung tatsächlich mit dem Konzept der Gegenfelder verstehen kann. Nach einem kurzen Blick auf die Stellung kommt man zu dem Schluss, dass die Stellung für Weiß gewonnen sein sollte, da der Springer früher oder später den Bauern f7 und damit auch die Partie gewinnt!

Die Bauern des Schwarzen stehen alle am Königsflügel und befinden sich auf Feldern der Farbe ihres Läufers - ein klarer Nachteil für Schwarz. Schwarz hat die schwarzen Felder überhaupt nicht unter Kontrolle, und heißt das nicht, dass Weiß seinen Springer einfach nur nach d6 oder d8 bringen muss, um den Bauern auf f7 und die Partie zu gewinnen?

Wenn man sich die Stellung ein wenig genauer anschaut, dann stellt man fest, dass die einzige Chance für Schwarz, sich zu retten (wenn es denn überhaupt eine Rettung gibt), darin besteht, mit Hilfe seines langschrittigen Läufers dafür zu sorgen, dass der weiße Springer nicht auf die Felder kommt, von denen aus er f7 angreifen kann, den schwächsten Punkt der schwarzen Stellung.

Gehen wir von hinten nach vorne vor, um zu sehen, wie das geht. Offensichtlich hat der Läufer die schwarzen Felder, von denen aus der weiße Springer den Bauern f7 gewinnen kann (g5, d6 und d8), nicht unter Kontrolle. Also muss der Läufer den Springer daran hindern, diese schwarzen Felder zu erreichen, indem er die weißen Felder kontrolliert, von denen aus der Springer diese Schlüsselfelder erreichen kann. Das führt uns zu den folgenden Schlüsselfeldern, die kontrolliert werden müssen:

  • e8, c8, b7, b5, c4, e4, f3, h3

Wenn der Läufer diese Felder unter Kontrolle behalten und den weißen Springer daran hindern kann, sie zu erreichen, dann sollte Schwarz die Partie halten können. Aber reicht diese Erkenntnis aus, um die Stellung Remis zu halten? Schauen wir uns an, wie die Partie weiterging.

56...Lb7! 57.Sb6 La6! 58.Sa4

Diese Stellung hat mir Thorsten gezeigt, und an dieser Stelle hat Schwarz auch einen Fehler gemacht, der zum Verlust der Partie geführt hat.

58...Lb5? 59.Sc5! Lc6 60.Sb3 Le4 61.Sd4 +-

Wie wir sehen, kann Schwarz nicht verhindern, dass der weiße Springer die Schlüsselfelder erreicht, von denen aus der Bauer f7 angegriffen werden kann.

In seiner Verzweiflung spielte Schwarz deshalb 61...g5.

Aber nach 62.fxg5 Ld3 63.Sc6 Lc2 64.Sd8 Lg6 65.Sb7 Be4 66.Sd6 Lg6 67.Se8+ Kg8 68.Kf6 Kf8 69.Sg7 gewann Weiß die Partie trotzdem 1-0.

Schwarz gab auf, da er einen weiteren Bauern verliert. Wenn wir uns das vorletzte Diagramm anschauen, dann sehen wir, dass das Feld d4 ein unglaublicher Vorposten für den weißen Springer ist. Er droht, nach c6, b5 und f3 zu gehen, und der schwarze Läufer hat kein Feld, von dem aus, er alle drei Drohungen verhindert.

Das führt uns zu der Erkenntnis, dass der weiße Springer unter allen Umständen daran gehindert werden muss, das Feld d4 zu erreichen. Das heißt, wir sollten den Springer auch nicht nach b3, c2 oder e2 lassen!

Wenn wir jetzt noch einmal zum 58. Zug zurückgehen, so sehen wir, dass Schwarz 58...Lc4! spielen musste, um 59.Sc5 mit Ld5 beantworten zu können (auf diesem Feld kontrolliert Schwarz die Schlüsselfelder b7 und b3 und hält so die Stellung).

Wenn wir noch einmal zu unserem Thema der Gegenfelder zurückkommen, so sind dies Felder, auf denen unsere Figuren (in diesem Fall unser Läufer) immer dann stehen müssen, wenn die gegnerischen Figuren (in diesem Fall der Springer) ein bestimmtes Feld betreten. In unserem Beispiel sehen wir, dass der schwarze Läufer auf d5 sein muss, wenn der weiße Springer auf c5 steht. Damit ist das ein Gegenfeld. Steht der Läufer auf irgendeinem Feld, verliert Schwarz!

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Wenn wir weiterdenken, so kommen wir zu folgenden Gegenfeldern:

Weißer Springer : Schwarzer Läufer

  1. d7 : b7
  2. b6 : a6
  3. c5 : d5
  4. c3 : d3
  5. d3 : f3
  6. f2 : f5, g2
  7. c1 : d1
  8. a2 : c2

Vielleicht gibt es noch weitere Gegenfelder, aber diese Liste scheint erst einmal ausreichend zu sein. Anhand dieser Auflistung von Gegenfelder habe ich auch eine Beispielvariante entwickelt. Tatsächlich wurde die Liste allerdings erst erstellt, nachdem wir die Figuren eine Weile auf dem Brett hin und her gezogen haben!

58...Lc4! 59.Sc3 Ld3! 60.Sd1 (60.Sa2 Lc2!) 60...Lf1 61.Sf2 Lg2! 62.Sd3 Lf3! 63.Sc5 Ld5! und wir haben wieder die Stellung erreicht, die wir bereits analysiert haben.

Durch die Analyse dieser Stellung habe ich das Konzept der Gegenfelder ein bisschen besser verstanden. Tatsächlich denkt man die Stellung vom Ende her. Das ist ein wichtiges Konzept beim Komponieren von Studien, wie mein Freund Großmeister Sandipan, der ein sehr kreativer Komponist ist, sicher bestätigen kann. Ich selbst habe keinerlei Erfahrung mit dem Komponieren von Studien, aber ich habe diese Methode für mich mit dem Schreiben eines Gedichts verglichen, vor allem, wenn das Gedicht im Venba-Metrum (eine Form tamilischer Poesie) verfasst ist, in dem jedes Wort in Beziehung zum nächsten und zum vorherigen Wort stehen muss - und beim Schreiben vieler Gedichte geht man deshalb oft rückwärts vor: Man schaut sich zum Beispiel die vierte Zeile des Gedichts an und geht dann zur dritten Zeile und dann zur zweiten und zur ersten!

Um dieses Endspiel besser zu verstehen, habe ich versucht zu verstehen, was passieren würde, wenn Schwarz hier am Zug ist. Wir haben festgestellt, dass der Läufer nicht ziehen kann, und so muss man sehen, was passiert, wenn Schwarz zum Beispiel einen Zug wie

1...Kg8!? spielt. Weiß gewinnt nach 2.Sd7! Lb7 3.Sf6+ mit der Idee Se8 nebst Sd6 und Weiß gewinnt.

Und auch 2...Lc6 3.Sb6! gewinnt für Weiß, da Schwarz das Gegenfeld a6 nicht rechtzeitig mit seinem Läufer erreichen kann.

Dies zeigt, dass Gegenfelder oft gegenseitigen Zugzwang anzeigen, und in diesem Fall hat Schwarz keine Extrazüge mit seinem König!

Die obige Stellung ist eine Studie von Hey und stammt aus einem Endspielbuch Awerbachs. Schwarz muss den Bauern a5 verteidigen und verhindern, dass der weiße Springer nach f7 kommt.

Diese Stellung ist eine Studie von Bondarenko und ein wenig komplexer als die vorherige Stellung. Aber mit präzisem Spiel rettet Weiß das Remis. Ich empfehle den Lesern und Leserinnen, diese Stellungen zu analysieren und selbst herauszufinden, wie Weiß Remis hält. Sie finden die Lösung im Replayer unten, in denen ich alle drei Stellungen inklusive Varianten noch einmal aufgeführt habe.

Ich habe allerdings vergessen, ein wichtiges Prinzip zu erwähnen, an das ich mich beim Analysieren dieser Endspiele erinnert habe: Der Springer kann gegen einen Läufer keinen Zug verlieren - vielleicht sorgt dieses Prinzip dafür, dass dieses Endspiel für die Seite mit dem Springer nicht gewonnen ist. Aber natürlich kommt es immer auf die Besonderheiten jeder einzelnen Stellung an und alle Regeln sind nur Verallgemeinerungen.

Außerdem möchte ich mich bei meinem Schüler Rajesh bedanken, mit dem ich die Stellungen analysiert und die Svane-Partie diskutiert habe! Das hat viel Spaß gemacht! Dank auch an Thorsten, der die obige Stellung mit mir geteilt und mich auf das Konzept der Gegenfelder aufmerksam gemacht hat!

In Bauernendspielen gibt es viele komplexere Stellungen, in denen das Prinzip der Gegenfelder zum Tragen kommt, aber diese Beispiele illustrieren ein etwas anderes Motiv: Es sind Endspiele Springer gegen Läufer, in denen die Seite mit dem Springer über positionelle Vorteile verfügt.

Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer

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Sundararajan Kidambi kommt aus Chennai in Indien, spielt leidenschaftlich gerne Schach, ist Großmeister und verfügt über ein enzyklopädisches Wissen über Schachklassiker.