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Claus Weselsky, der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer tat kurz vor seinem Ruhestand sein Bestes, um den schachspielenden Ärzten in die Suppe zu spucken. Doch die mehr als hundert Ärzte ließen sich trotz aller Bahnstreikhürden nicht davon abschrecken, auf teils abenteuerlichen Umwegen ihr Wunschziel zu erreichen und notfalls dafür – horribile dictu - sogar in ein Auto zu steigen. Einmal mehr fand das 32. Deutsche Ärzteschachturnier vom 8.-10. März in Bad Homburg statt. Wo die Ärzte und Ärztinnen, die teilweise mit Kind und Kegel gekommen waren, zur Eröffnung am Freitagabend wieder ein äußerst launiger Streifzug durch des Kurorts reiche Geschichte von OB Alexander Hetjes erwartete.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gab sich das „Who is who“ der europäischen Geschichte in Bad Homburg ein Stelldichein: Kurfürsten und Großherzöge, der Prince of Wales ebenso wie Könige aus Italien, Spanien und Thailand, der russische Zar, Kaiserin Sisi … Das preußische Herrscherhaus kam nahezu vollständig, an der Spitze die drei Hohenzollern-Kaiser. Aber auch die Schriftsteller Gogol und Dostojewski, George Eliot und Oscar Wilde.
Alle wollten sie an den Heilquellen gesunden, zumal der berühmte Chemiker Prof. Justus von Liebig 1836 den Elisabethenbrunnen in den höchsten Tönen lobte: „Es möchte in Deutschland wohl schwer sein, ein Mineralwasser zu finden, welches gleichen Reichtum an wirksamen Bestandteilen darzubieten vermöge.“
Weil dies freilich zwar gesund sein mag, aber auch eintönig werden kann, konnte die bessere Gesellschaft im Casino dem Glücksspiel frönen. Was Dostojewski aufgrund eigener leidvoller Erfahrungen in seinem Roman Der Spieler treffend beschrieb.
Die Ärzte und Ärztinnen suchten indes den Nervenkitzel an diesem Wochenende bei „ihrem“ Schachspiel. Das mit den unerbittlich tickenden Uhren in hoher Zeitnot allerdings schon auch zum (fast) reinen Glücksspiel werden konnte. Dr. Siegmar Gottwald, einer der erfahrensten Teilnehmer, konnte ein Lied davon singen, als er in hoher Zeitnot mit einem Rucksack an Mehrfiguren auch noch das letzte Bäuerlein seines Gegners schlug und plötzlich feststellen musste, dass dessen einsamer König zwar nicht mehr ziehen konnte – aber leider dabei nicht im Schach stand. Patt - zum Haare-Ausraufen!
Aber kommen wir zur Eröffnung am Freitagabend zurück. Beschwingt noch von des Oberbürgermeisters humorvollen Worten (der unmittelbar danach zu einem Abend der Freiwilligen Feuerwehr musste, die Welt besteht offenbar nicht nur aus schachspielenden Ärzten) erwartete die Ärzte wie jedes Jahr ein reichhaltiges, von der Stadt gespendetes Buffet. Geistig und körperlich so gestärkt, spielten die einen ihr Blitzturnier, das der badische Kardiologe und schon mehrmalige Sieger des Ärzteturniers, Dr. Patrick Stiller, mit 10 Punkten aus 11 Partien beeindruckend gewann. Unmittelbar zuvor hatte er mich wieder wegen meiner Herzrhythmusstörungen beraten – eine solche Expertise kann zwar die Fakten nicht aus der Welt schaffen, aber doch zur inneren Beruhigung beitragen.
So spielte ich denn wohlgemut gegen 16 Ärzte simultan und musste bei einem Remis nur gegen den Neurologen Dr. Gunnar Riemer (ausnahmsweise werde ich mich hier nicht über der Neurologen besondere Verknüpfung ihrer „Schachneuronen“ auslassen – ich habe dies schon mehrfach getan, nicht zuletzt beim Bamberger Neurologieprofessor Dr. Peter Krauseneck) die Waffen strecken, nachdem dieser ansonsten so friedfertige Mensch mit seiner ganzen angriffslüsternen Streitmacht über meinen König herfiel.
Am Samstag und Sonntag wurden insgesamt neun Schnellschachrunden gespielt. Wobei – man kann es gar nicht genug loben – das „badische Dreigestirn“ der Turnierleitung Jürgen Damman, Alexander Krauth und Reinhold Faißt, die von Anfang an immer dabei waren, einmal mehr für eine sehr gute Atmosphäre sorgten. Keine Probleme, keine Streitfälle, kurzum nix - alle Auseinandersetzungen wurden friedlich auf dem Schachbrett ausgetragen. So wie das Schachspiel bei seiner Entstehung im indisch-persischen Raum vor ca. 1500 Jahren gedacht war – als sublimiertes Kriegsspiel. Schach ist besser als Krieg - oh wie banal, oh wie wahr!
Dr. Amir Rezazadeh
Zum guten Schluss hatte diesmal der Strahlentherapeut Dr. Amir Rezazadeh von der Uni-Klinik Köln, der mit sechs Jahren aus dem Iran nach Deutschland kam und für den Bundesligaverein SV Mülheim an der Ruhr spielt, gewonnen. Neben schnödem Mammon bekam er dafür als Ehrenpreise nicht nur die eindrucksvolle Schachgrafik „Die Dame“ des Künstlers Michael H. Dietrich, sondern auch den herrlichen Siegerpokal des Künstlerarztes Jan Wähner, auf dem die Äskulapschlange den König umschlingt (ich bin stolz, eine ähnliche Skulptur von ihm in meinem Schachzimmer zu haben).
Im ZEITmagazin am 25. April zeige ich übrigens, wie Dr. Rezazadeh sogar die Königsfestung eines Neurologen erstürmte – immerhin hatte dieser Dr. Reinhold Schnelzer selbst das Turnier schon einmal gewonnen.
Seine Kombination erinnerte mich an meinen persischen Freund Dr. Modjtaba Abtahi, mit dem ich einst in Erlangen studierte und der später als Leiter der Unfallchirurgie des Prosper-Hospitals in Recklinghausen seinen Patienten „Potzblitz“ alias Karl-Heinz Podzielny, einen der stärksten Blitzspieler Deutschlands, zu Blitzpartien mit ihm am Krankenbett verdonnerte und ihn dabei einmal mit einer wunderbaren Opferkombination bezwang. Modjtaba, der vom Anfang an immer beim Ärzteschachturnier dabei war, selbst dann, als er schon deutlich von seiner Krebserkrankung gezeichnet war, liebte das Schachspiel und vor allem dessen romantisch-kombinatorische Seite.
Natürlich fehlt er, natürlich fehlen so viele der vergangenen Jahre, beispielsweise das Trio der über 90-jährigen Dr. Faulhaber (der - seinen Gehstock zum Himmel reckend - verkündete: „Und wenn mich der Herrgott nicht zu sich holt, bin ich nächstes Jahr wieder dabei!“), Dr. Schütz (der bei seinem letzten Mal direkt vom Skifahren in der Schweiz kam - Abfahrtslauf wohlgemerkt!) und Dr. Reichelt.
Und natürlich fehlt die „Grand Dame“ des Ärzteschachs, die Kinderärztin Dr. Utta Recknagel, die so oft in ihrer charmanten Art das Turnier bereichert hat.
Immerhin waren von ihren „Schäfchen“ die Dialyseexpertin Dr. Andrea Huppertz, die Internistin Dr. Anna Küßner-Brochhagen und Dr. Irina Matthiesen wieder dabei und konnten neben einigen Remisen insgesamt zehn Männerskalpe stolz nach Hause tragen.
Prof. Dr. Halim Aydin brachte zwei türkische Kollegen mit, die nächstes Jahr wiederkommen möchten: „Hos geldiniz!“ (Herzlich willkommen). Mit lauter solchen Menschen/Ärzten gäbe es keine deutsch-türkischen Spannungen.
Bitte unter das „s“ von „hos“ nach Möglichkeit ein Häkchen setzen!
Natürlich war auch der badische Hautarzt Dr. Matthias Birke wieder dabei, nachdem er letztes Jahr wegen der zeitgleichen Heirat der älteren Tochter schweren Herzens absagen musste. Sein (schachspielender) Schwiegersohn wusste dies sehr zu schätzen: „Das rechne ich dir hoch an!“ (Vielleicht sollte man allerdings in Zukunft Hochzeitstermine immer mit dem Datum des Ärzteschachturniers abstimmen?!)
Und natürlich ist auch der Orthopäde und „halbe Seemann“ Dr. Thomas Georgi aus Tönning im hohen Norden immer dabei, obwohl er in diesen Tagen dann auf seinen geliebten Labskaus verzichten muss (er schrieb dafür sogar ein Rezeptbuch).
So natürlich ist die Teilnahme leider nicht mehr bei Dr. Hannes Knuth, dem mehrfachen Landesmeister von Mecklenburg-Vorpommern und zweifachen Sieger des Ärzteturniers, der nach einem schweren Unfall (er wurde als Fußgänger auf dem Gehsteig von einem Auto erfasst) gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist. Nur mit Hilfe seiner Frau, ebenfalls Ärztin, kann er immer wieder kommen und zeigen, dass er trotz aller Konzentrationsstörungen immer noch über ein großes Schachtalent verfügt.
Die Treuesten der Treuen sind aber sicher Dr. Martin Schaefer, Prof. Dr. Peter Krauseneck und Dr. Branko Spasojevic, die seit 1993 bei allen Ärzteturnieren dabei waren. Dabei war dies bei Letzterem nicht unbedingt abzusehen. In seinem Studium hatte er schon ein Jahr wegen seiner exzessiven „Blitzseancen“ verloren, bis seine neben ihm sitzende, heutige Frau ihn ernst fragte: „Wie lange willst du das noch machen?!“ In diesem Augenblick wachte er auf und war geheilt.
Gott sei Dank kam auch frisches Blut. Etliche jüngere Kollegen mit familiärem Anhang, sodass im Gegensatz zur Ruhe und den andächtig tickenden Schachuhren im Saal im Foyer ein lebhaftes Gewusel von klein bis ganz klein herrschen konnte. Einer der nicht mehr ganz Kleinen lief beschwingt umher, wobei auf seinem schwarzen T-Shirt hinten ein Schachbrett mit der Aufschrift „Dangerous Illusions“ prangte. Da hat er wohl recht – man kann nicht früh genug warnen!
Doch auch neues, schon erfahrenes Blut kam. Wie Dr. Alexei Bashirov mit vielen Chirurgenjahren in Sibirien auf dem Rücken, oder - nach 20 Jahren in England - erstmals Dr. Ralf Brücker, der in der „Ehrenliga“ (60+) in Ottobrunn bei München noch Fußball spielt. Schach ist offenbar nicht der einzige, empfehlenswerte Sport im Alter!
Die schönsten Partien der Schachgeschichte
Die großen Momente und die kleinen Anekdoten der Schachgeschichte: wer wüsste besser davon zu erzählen als Dr. Helmut Pfleger?
Leider seit diesem März gar nicht mehr dabei ist der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des Deutschen Ärzteblatts, Josef Maus.
Er rief 1993 - mit kleiner Unterstützung durch mich - das Deutsche Ärzteschachturnier ins Leben und brachte es nicht nur strotzend vor Gesundheit mit immer weit über hundert Teilnehmern durch die „Kinderjahre“, sondern auch ins „Erwachsenenalter“. Ein ruhender und umsichtiger Pol, jederzeit für alle ansprechbar. Aber auch bei ihm lassen die Kräfte nach, wollen zuhause obendrein vier noch recht kleine Enkel von ihm und Oma Hilla behütet werden. Und ab und zu muss unbedingt auch ein kritisches Auge auf den geliebten, freilich derzeit weniger erfreulichen 1. FC Köln geworfen werden. Doch ein Besuch der Großfamilie Maus beim nächsten Turnier ist angekündigt.
Ein verlässlicher Pol des Turniers ist Gott sei Dank weiterhin das Ehepaar Manfred und Monika Mädler mit seinem Buchstand, das für alle Nöte der Ärzte immer ein offenes Ohr und die richtige Rezeptur hat. Sei es das mittelalterliche „Der Arzt im Schachspiel“ oder die Broschüre „So darfst du nicht Schach spielen“. Alle aus dem Spielsaal zum Buchstand ins Foyer eilenden Ärzte sind bei den Mädlers gut aufgehoben und bekommen, insbesondere wenn versehentlich gerade ein Springer eingestellt wurde oder die vermaledeite Schachuhr einmal mehr zu schnell ablief, vom quicklebendigen Manfred (seine 89 Jahre will man ihm nicht glauben) obendrein Anekdoten aus einem langen Schachleben serviert, um das Gemüt wieder aufzurichten.
In diesem Sinne freuen wir uns auf das 33. Ärzteschachturnier im nächsten Frühjahr, natürlich wieder in Bad Homburg.
Helmut Pfleger
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