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Von Fernando Arrabal, Paris
…vielen Dank!
Man hat mich, wie vermutlich alle anderen
schon mehrfach einsperren lassen
das erste Mal nach einer Typhuserkrankung
drei Mal nach einer Rippenfellentzündung (oder war es bereits Tuberkulose?)
einmal im Sanatorium von Bouffémont mit regelmäßigen Schlafbehandlungen morgens und nachmittags
und dann im Gefängnis von Carabanchel (Madrid) und Umgebung
drei Mal für Operationen im Cochin-Krankenhaus in Paris
und schließlich der Schlaganfall vor sieben Jahren im Lariboisière-Krankenhaus in Paris
mein verehrter und geliebter Sohn (Doktor der Molekularbiologie) meinte zu mir, dass “ich nie wieder reden können würde” (was sich zum Glück als falsch erwies).
[um eine Sache habe ich ihn jedoch gebeten, “Bitte, ich würde gerne das Schachturnier zu Ende spielen”];
Abgesehen von den ersten Tagen war der Rest erträglich
ich schrieb in diesen Zeiten
vor allem Theaterstücke
im Sanatorium Fando y Lis und El cementerio de coches,
in Carabanchel, El jardín de las delicias,
dort habe ich auch einige Partien Blindschach gespielt, die ein anderer Insasse aufgeschrieben hat
aber leider und verständlicherweise wurden mir die Partieformulare bei meiner Entlassung abgenommen, da man Angst hatte, es wären geheime Botschaften;
Ist diese Einsperrung jetzt weniger erbärmlich und strahlender, oder doch zumindest sonniger als die vorherigen?
Ist sie durch das Wesen dieses Unheils beides und zugleich nach außen gewandt?
Und vor allem wegen meiner geliebten Tochter (bewundert und einzigartig wie stets), die mich jeden Tag besuchen kommt
und mir bringt, was ich brauchen könnte (was übrigens nicht viel ist);
Schreibe ich im gleichen Rhythmus wie immer
ich mache fast jeden Tag Selfies
ich mache mich schick, ich trage eine Ansteckblume
ich trage jeden Tag Fliege und ein anderes Paar Sonnenbrillen (über den üblichen);
Doch etwas ist ungewöhnlich:
Ich finde es schade, dass ich meinen Sohn, seine Frau und meine Enkel, die Zwillinge, nicht sehen kann (sie leben 600 Meter entfernt)
ich kann keine Freunde auf Partys treffen
ich poste weiter auf Twitter, Instagram und der presse internationale;
Jede Nacht spiele ich zehn 10-Minuten-Partien, fast immer nur gegen Inder, Ukrainer oder Amerikaner;
Ich habe zwei Theaterstücke geschrieben, Pétalos de confinamiento und Julieta (das hatte ich J. Gréco versprochen)
die mir, genau wie meine anderen Arbeiten, die Ehre und das unverdiente Vergnügen verschaffen
zu wissen, dass sie eines Tages einmal aufgeführt werden, von Tasmanien bis nach Anchorage;
in Paris, im Théâtre 13, vor zehn Leuten,
werden sie El cementerio de coches aufführen;
***
Tanya Pixoto schrieb mir an Mariä Verkündigung
… (ich bin beinahe 88 Jahre alt) und habe das erste Mal in meinem Leben die schöne und präzise Handschrift meiner mir bislang unbekannten Großmutter Concepción Ruiz gesehen;
ich habe sie im März entdeckt, dank Marina Llobera de Pollença;
Wie kunstvoll meine Großmutter Courage den Gefängniswärter und Henker ihres Sohnes anspricht!
Wäre es ein Verbrechen gewesen, ihm einen einfachen Brief zu schicken?
Wie hat es meine Großmutter (& Mutter) Courage geschafft, inmitten des Bürgerkriegs, der alle bürgerlichen Konventionen missachtete, von Córdoba nach Palma de Mallorca zu reisen?
Konnte sie am Ende ihrem Sohn, der in der Todeszelle saß und zwei Monate später im Fort of Illetres in Palma de Mallorca hingerichtet wurde, noch einen Kuss geben?
Wie hat sie es geschafft von Córdoba nach Ceuta zu reisen, um ihrem Sohn Fernando, meinem Vater, in dem Jahr, das er in der Todeszelle verbrachte, einen Kuss zu geben?
Wie hat sie es auch noch geschafft, von Córdoba nach Barcelona zu reisen, um ihrem Sohn Ángel in dem Jahr, das er in der Todeszelle verbracht hat, einen Kuss zu geben?
Sie musste die bittere Pille schlucken und den Siegern – und Henkern ihrer drei Söhne – sagen, dass sie den Schmerz, ihre beiden anderen Söhne durch die Hand der roten Raserei verloren zu haben, überwunden hätte
sie musste die bittere Pille schlucken und den Schlächter ihres Sohnes Eure Exzellenz… anreden, und das hochachtungsvoll.
sie musste die bittere Pille schlucken und erklären, dass ihr Sohn durch die Wechselfälle des Lebens das Unglück hatte, seiner Freiheit beraubt zu werden
sie musste die bittere Pille schlucken und das gütige Herz des Folterers ihres Sohnes erwähnen, und Gott bitten, dass er ihm zum Wohle unseres geliebten Spaniens ein langes Leben schenkt
sie musste die bittere Pille schlucken und das Jahr, in dem alle Sorgen einer Mutter zusammen kammen, ein triumphales Jahr nennen.
Ein Brief aus dem Jahre 1937
Concepción Ruiz, Fernando Arrabals Großmutter
Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer