Ivanchuk wird Weltmeister im Schnellschach

von Marco Baldauf
28.12.2016 – In Doha wurden heute die letzten fünf Runden der Schnellschach-WM gespielt und der Sieger ist nach sehr knappem Verlauf Vasily Ivanchuk. Punktgleich mit Alexander Grischuk und Magnus Carlsen gewinnt der Ukrainer aufgrund der besseren Zweitwertung in einem Fotofinish, das für sehr viel Spannung sorgte. Bericht, Fotos und Partien.

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Fotos  Maria Emelianova (Turnierseite)

Zwei Runden vor Schluss war das Szenario das folgendes: Nepomniachtchi hatte sich mit einem Sieg über Ivanchuk in Runde Elf an die Tabellenspitze geschoben und die Führung nicht mehr aus Hand gegeben. Ein halben Punkt vor Mamedyarov und einen ganzen Punkt vor einem vierköpfrigen Pulk aus Verfolgern waren eine ausgezeichnete Ausgangslage für den Russen, zudem garantierte ihm die Auslosung nach Schwarzpartien in den Runden 12 und 13 zunächst einmal die weißen Steine.

Spitzenbegegnungen der 14. Runde:

Name Pkt. Ergebnis Pkt. Name
Nepomniachtchi Ian 10   9 Carlsen Magnus *)
Dominguez Perez Leinier 9   Mamedyarov Shakhriyar
Anand Viswanathan   9 Ivanchuk Vassily
Vachier-Lagrave Maxime   9 Grischuk Alexander
Melkumyan Hrant   Korobov Anton

Nun also traf der Tabellenführer auf Carlsen, der den heutigen dritten Tag mit einer Niederlage aus besserer Stellung heraus gegen Korobov einleitete:

Der Tag begann für den Weltmeister denkbar schlecht: Nach seiner Aufgabe gegen Korobov ...

... eilte er enttäuscht aus der Halle, davor noch ein kurzer Blick auf das Brett des neuen Spitzenreiters Nepomniachtchi, der zu diesem Zeitpunkt für den fast abgeschlagenen Carlsen bereits uneinholbar schien.

Doch der Norweger riss sich zusammen, zwei saubere Siege über den stark aufspielenden Vidit und Riazantsev rückten ihn wieder in Schlagdistanz.

Das Aufeinandertreffen in Runde 14 war also die große Chance für den Norweger, nochmal in den Titelkampf einzugreifen - und er nutzte sie!

 

Eine Niederlage gegen Carlsen in der vorletzten Runde und auf einmal waren es wieder fünf Spitzenreiter: Ian Nepomniachtchi

Am zweiten Brett remisieren Lenier Dominguez und Mamedyarov und am vierten Brett schlägt Grischuk Vachier-Lagrave in beeindruckender Manier:

 

Auch Ivanchuk katapultiert sich auf zehn Punkte, da Anand mit drei Minuten auf der Uhr folgender Patzer unterläuft:

 

Eine Runde vor Schluss zeigt die Tabelle also fünf Spitzenreiter an.

Tabelle nach 14 Runden:

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Ivanchuk Vassily 10,0 2748
2 Grischuk Alexander 10,0 2735
3 Mamedyarov Shakhriyar 10,0 2725
4 Nepomniachtchi Ian 10,0 2709
5 Carlsen Magnus 10,0 2693

... 106 Spieler

Das Reglement sah im Fall eines Punktegleichstands den Eloschnitt mit einer Streichwertung als Tiebreak-Wertung vor, Ivanchuk war vor der Runde deutlicher Favorit, die Paarung der letzten Runde würden den Vorsprung von 13 Elo nicht in Gefahr bringen:

Spitzenpaarungen der 15. Runde:

Name Pkt. Ergebnis Pkt. Name
Carlsen Magnus *) 10   10 Mamedyarov Shakhriyar
Grischuk Alexander 10   10 Nepomniachtchi Ian
Ivanchuk Vassily 10   9 Melkumyan Hrant

Ivanchuk hatte es also selbst in der Hand, doch sein Gegner, der armenische Nationalspieler Melkumyan war mit einer Rating von 2736 keineswegs ein einfaches Los.

Der Armenier kam mit Schwarz gut aus der Eröffnung und drohte die Initiative zu übernemhen, doch Ivanchuk spielte aggressiv auf Angriff, opferte zwischenzeitlich einen Bauern und konnte Melkumyan auch auf der Uhr unter großen Druck setzen:

 

 

 

 

 

Vasily Ivanchuk behält gute gute Übersicht und gewinnt knapp gegen Melkumyan

Grischuk bekam gegen Nepomniachtchi gleich zu Beginn eine sehr angenehme Stellung der Najdorf Variante, in der er ohne großes Risiko langfristigen Vorteil hatte:

 

Nepo antizipierte die Gefahr langsam erdrückt zu werden und entschied sich, alles auf Angriff zu setzen, doch Grischuk reagierte stark und sicherte sich den 2. Platz.

Silber für Alexander Grischuk

Hier noch die drei entscheidenden Partien der Schlussrunde zum Nachspielen:

 

Magnus Carlsen konnte seine Partie gegen Mamedyarov ebenso gewinnen, somit standen am Ende drei Weißsiege und drei punktgleiche Spieler zu Buche, doch die Wertung gab den eindeutigen Ausschlag zugunsten Ivanchuks.

Am Ende gab es immerhin noch Bronze für den Titelverteidiger Carlsen.

Ivanchuk kiebitzt kurz nach dem Gewinn des Titels beim Endspiel T+L vs T an einem der hinteren Bretter.

 

Endstand nach 15 Runden:

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Ivanchuk Vassily 11,0 2747
2 Grischuk Alexander 11,0 2740
3 Carlsen Magnus 11,0 2701
4 Mamedyarov Shakhriyar 10,0 2738
5 Yu Yangyi 10,0 2724
6 Nepomniachtchi Ian 10,0 2713
7 Anton Guijarro David 10,0 2669
8 Vidit Santosh Gujrathi 9,5 2758
9 Aronian Levon 9,5 2749
10 Dominguez Perez Leinier 9,5 2711
11 Nguyen Ngoc Truong Son 9,5 2689
12 Amonatov Farrukh 9,5 2665
13 Cheparinov Ivan 9,5 2645
14 Korobov Anton 9,0 2743
15 Li Chao B 9,0 2733
16 Anand Viswanathan 9,0 2707
17 Jakovenko Dmitry 9,0 2674
18 Melkumyan Hrant 9,0 2664
19 Karjakin Sergey 9,0 2651
20 Volokitin Andrei 9,0 2627

... 106 Spieler

Quelle: chess-results.com

Partien:

 

Das Frauenturnier

Da das parallel durchgeführte Frauenturnier über eine Distanz von nur 12 Runden gespielt wird, gab es dort heute die Runde 9-12 zu sehen. Bereits gestern kristallisierte sich ein deutlicher Sieg für Anna Muzychuk heraus, die Ukrainerin ließ sich den Titel heute nicht mehr streitig machen und gewann mit einem Punkt Vorsprung.

Anna Muzychuk war in Doha eine Klasse für sich.

Muzychuk und Gunina

 

Endstand Frauen:

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Muzychuk Anna 9,5 2491
2 Kosteniuk Alexandra 8,5 2489
3 Dzagnidze Nana 8,0 2455
4 Khademalsharieh Sarasadat 7,5 2499
5 Ju Wenjun 7,5 2463
6 Abdumalik Zhansaya 7,5 2445
7 Lagno Kateryna 7,0 2488
8 Stefanova Antoaneta 7,0 2449
9 Saduakassova Dinara 7,0 2449
10 Koneru Humpy 7,0 2419
11 Zhao Xue 7,0 2418

...34 Spielerinnen

Die deutsche Teilnehmerinnen Elisabeth Pähtz trat heute nicht an und beendete das Turnier mit 3.5/8.

Source: chess-results.com

Partien:

 

 

Turnierseite...


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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