Scharfes Schach in Indonesien

von Alina L'Ami
26.06.2018 – Surakarta, auch als Solo oder Sala bekannt, ist eine Stadt in Indonesien und war Gastgeber zweier Rundenturniere - eins für Großmeister, eins für Frauengroßmeister. Alina l'Ami hat mitgespielt und war von Land und Leuten wieder fasziniert. | Fotos: Alina l'Ami

ChessBase 18 - Megapaket ChessBase 18 - Megapaket

Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..

Mehr...

Man spielt ein Turnier und alles scheint gut zu laufen. Doch dann geht etwas schief. Und noch etwas. Und wieder etwas... Man will kämpfen, sich besser vorbereiten, mehr riskieren, vorsichtiger sein. Aber je härter man kämpft, um so tiefer versinkt man im Sumpf der Unentschieden und Verluste.

So ein Turnier ist Chilischoten: scharf, bitter, beißend.

Viele Schachspieler suchen in einer solchen Situation nach einem Pflaster, irgendetwas, das schnelle Hilfe verspricht. Einer hört auf, sich vorzubereiten, ein anderer geht immer öfter in Bar oder Kneipe, andere wiederum suchen Trost in einem Marathon mit ihren Lieblingsserien. Irgendetwas, um den Kreislauf zu durchbrechen, denn man muss doch etwas anders machen, damit etwas anders werden kann, oder?

Doch davon wollten Timur Gareyev und Keti Tsatsalashvili nichts wissen. Nach einem durchwachsenen Start im JAPFA GM-Turnier und im WGM-Turnier in Indonesion hielten sie es lieber mit Aljechin:

"Während eines Schachturniers muss sich ein Schachspieler als Mischung zwischen asketischem Mönch und Raubtier sehen."

Und weicht man dabei von den eigenen Gewohnheiten ab, kann der Schaden sogar noch größer sein. Deshalb änderten Timur und Keti auch nichts an ihrem täglichen Programm. Ein Bad im Swimming Pool, Partievorbereitung, sechs Stunden Schlaf, Yoga, Shopping und Kulturprogramm – das sorgte für gute und unbeschwerte Stimmung. Die Punkte kamen zwar trotzdem nicht von alleine, aber die Routine machte es leichter, mit den vielen Doppelrunden umzugehen und sorgte für Struktur. Und wenn man elf Partien in weniger als einer Woche spielt, dann muss man einfach auf Autopilot schalten, wann immer es geht, um sich Pause und Entspannung zu gönnen.

Pause und Entspannung

Geld macht nicht glücklich, aber es hilft, wenn man in solchen Läden einkaufen will

Am Ende zahlte sich die Routine aus: Keti holte in den letzten Runden 6 aus 6 und Timur beendete das Turnier mit 5 aus 5!

Die Sieger

Beide sind alles andere als langweilig, aber ich habe den Verdacht, dass sie Hilfsmittel benutzen: Scharfe Chilischoten. Keti hatte irgendwann keine Lust mehr, beim Essen immer entscheiden zu müssen und probierte einfach alle scharfen Gerichte. Das gab ihrem Schach die richtige Würze.

Timur ging sogar noch weiter, um die indonesische Kultur kennenzulernen. Bahasa lernen und rohe Chilis zu essen war Teil seines täglichen Programms. Und schauen Sie sich diese Partien an, sie sind nicht mild und nicht scharf, sondern extrascharf!

 

_REPLACE_BY_ADV_1

Aber die Sambals oder die kleinen, aber teuflischen Cabe Rawits sind nicht allein verantwortlich für die gute Laune der Liebhaber scharfer Genüsse. Für den Erfolg des Turniers und gute Stimmung sorgten einmal mehr die Organisatoren, die alle Erwartungen übertroffen haben.

Chelsie Sihite

Ich spiele schon seit ein paar Jahren in den JAPFA-Turnieren und weiß gar nicht, was ich sagen soll, das ich nicht schon bereits gesagt habe. Die hervorragende Organisation, der großzügige Sponsor, die unermüdlichen Offiziellen, die wundervolle Kultur Indonesiens und die Freundlichkeit der Indonesier habe ich bereits mehr als einmal beschrieben.

Habe ich auch die bunten Farben erwähnt? Wahrscheinlich...

Ich möchte die JAPFA-Turniere hier nicht als märchenhaft perfekt darstellen. Ich weiß, was ich weiß. Aber ich muss die "Wiederholen"-Taste drücken, wenn es um den Respekt geht, der in diesen Turnieren dem Schach und den Schachprofis gezollt wird.

Schachspieler und Schachspielerinnen in traditionell indonesischer Kleidung!

Wir werden nicht wie Söldner behandelt, die ihre Dienste leisten und im Gegenzug hervorragende Konditionen gewährt bekommen. Hier geht es um das Berufsethos. Unabhängig vom kulturellen Hintergrund und den eigenen Vorlieben fühlt man sich in dieser Welt, die den Geist fördert und in der man sich gegenseitig verbunden fühlt, einfach gut. Am Brett kämpft man bis aufs Messer, beim Abendessen lächelt man sich an. Dieses Muster wollte niemand von uns durchbrechen.

Janelle Mae Frayna von den Philippinen ist ein gutes Beispiel für dieses Gefühl:

Im Turniersaal gefährlich und ernst, außerhalb freundlich und sanft

Ich schätze dynamisches Spiel, aber es kommt auch darauf an, die ruhigeren Töne zu beherrschen. Schauen Sie sich diese Beispiele an und versuchen Sie, die beste Fortsetzung zu finden:

 

_REPLACE_BY_ADV_2

Die Dinge laufen oft anders als geplant, aber was kann man anderes tun, als versuchen, sein Bestes zu geben? Ich begann das Turnier mit zwei Niederlagen und mein Spiel hinterließ insgesamt keinen guten Eindruck. Aber die Techniken der Schadensbegrenzungen wirkten Wunder - ich habe das gemacht, was ich immer mache.

Für mich ist Fotografieren eine der besten Therapien

Gewohnheiten sind phantastisch! Bis sie es nicht mehr sind. Sie schützen und beruhigen, aber dann sollte man den Geist mit kreativer Unruhe auch immer mal wieder in Trab bringen, damit die guten Gewohnheiten nicht behindern.

Das JAPFA Chess Festival fand bislang immer im Herzen Indonesiens statt, ein oder zwei Einladungsturniere wurden gespielt, dazu noch ein großes Open. Und jedes dieser Turniere war ein Erfolg. Warum etwas ändern?!

Spitzenleistungen: sie kommen allmählich, wenn man immer versucht, besser zu werden

Dieses Jahr begann das Festival in Jakarta mit einer Pressekonferenz und einer Aufsehen erregenden Blindsimultanvorstellung des "Blindfold King". Dann ging es ins Innere von Java, wo das Turnier in einer Stadt stattfand, die die Einheimischen "Solo" nennen, und die bei Google Maps “Surakarta” heißt.

Solo heißt auch Alleinreisende willkommen

Timur konnte der Versuchung einer siebenstündigen Zugfahrt von Jakarta nach Surakarta nicht widerstehen, der Rest, die "Langweiler", nahm natürlich das Flugzeug. Timur personifiziert das Motto "Es gibt keinen besseren Moment als jetzt" und geht unbekümmert, aber achtsam durchs Leben. Ein kleines Beispiel: Während alle anderen Spieler auf die Uhr schauten und zum Flughafen eilten, war Timurs größte Sorge, ob er rechtzeitig zu einem lokalen Turnier für Blinde kommen würde...

Unterhaltung in Indonesien

Egal, wie das Turnier läuft, es hilft, wenn man in Indonesien ist

Ein neuer Spielort klingt aufregend, aber bringt auch neue Schwierigkeiten. Die Logistik hat das Organisationsteam offensichtlich problemlos gemeistert, zumindest nehme ich das an, denn ich konnte keinerlei Probleme erkennen. Ein Problem gab es aber dennoch:

Den Rundenbeginn um 9 Uhr morgens...

Um 9.30 anzufangen, schien menschlicher zu sein, aber die Red-Bull-Indonesiers haben uns überstimmt.

Ich wünschte, ich hätte diese Energie und den Willen nonstop zu spielen - Eigenschaften, die mir viel Respekt abverlangen. Ihr dynamisches Spiel macht viele der Indonesier gefährlich:

 

_REPLACE_BY_ADV_3

Tatsächlich war das der Grund, warum wir plötzlich in Solo gelandet waren. Indonesier:

  • Lieben das Schach, Fakt Nummer 1.
  • Teilen gerne, Fakt Nummer 2.

Eine Möglichkeit, beides zu haben, war der Umzug des Turniers zu einem anderen Publikum. Das bietet den...

...lokalen Schachfans Möglichkeiten

Außerdem ist das kulturelle Erbe Indonesiens so reichhaltig, dass die Organisatoren dachten, wir sollten trotz der kurzen Zeit möglichst viel davon sehen.

Besondere Momente mit besonderen Leuten

Das JAPFA Turnier auf Tournee sieht anders aus, aber hat sich im Wesen nicht geändert. Und mittlerweile haben die Organisatoren so viel Erfahrung, dass eine Einladung zu diesem Turnier ein Angebot ist, dass ich nicht ablehnen kann. Wie, wann, wo, was und wer sind für mich eigentlich überflüssige Fragen. Das Vertrauen, das sie aufgebaut haben, ist solider als der Felsen von Gibraltar. 

Gewohnheiten als solche sind nicht gut oder schlecht. Es geht auch nicht darum zu wissen, wann man an ihnen festhalten und wann man sie ändern sollte. Es geht darum, einen Anker zu haben, der Sicherheit gibt oder sich für neue Erfahrungen zu öffnen. Wenn Sie nicht wissen, in welcher Lage Sie gerade sind, dann probieren Sie es mit den JAPFA-Turnieren. Sie könnten etwas erleben, von dem Sie gar nicht wissen, wie gut es Ihnen tut.

Endstand JAPFA International Grandmaster Tournament

Rg.   Name Elo Land 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Pkt.  Wtg1   Wtg2   Wtg3 
1 GM Gareyev Timur 2592 USA * ½ ½ 1 ½ 1 1 1 ½ 1 1 ½ 8,5 0,0 6 3
2 GM Ma Qun 2645 CHN ½ * 1 ½ 0 1 ½ ½ 1 1 1 1 8,0 0,0 6 3
3 GM Demchenko Anton 2679 RUS ½ 0 * 1 1 ½ 1 0 1 ½ 1 1 7,5 0,0 6 1
4 FM Priasmoro Novendra 2449 INA 0 ½ 0 * 1 ½ 0 1 ½ 1 ½ 1 6,0 1,0 4 1
5 IM Goh Wei Ming Kevin 2472 SGP ½ 1 0 0 * 0 1 ½ ½ 1 1 ½ 6,0 0,0 4 1
6 FM Taher Yoseph Theolifus 2375 INA 0 0 ½ ½ 1 * ½ ½ ½ ½ ½ 1 5,5 0,0 2 1
7 IM Cuhendi Sean Winshand 2439 INA 0 ½ 0 1 0 ½ * ½ ½ ½ ½ 1 5,0 1,0 2 1
8 GM Megaranto Susanto 2528 INA 0 ½ 1 0 ½ ½ ½ * ½ ½ ½ ½ 5,0 1,0 1 0
9 GM Nguyen Anh Dung 2468 VIE ½ 0 0 ½ ½ ½ ½ ½ * ½ ½ 1 5,0 1,0 1 0
10 GM Gonzales Jayson 2364 PHI 0 0 ½ 0 0 ½ ½ ½ ½ * ½ ½ 3,5 0,5 0 0
11 IM Ali Muhammad Lutfi 2413 INA 0 0 0 ½ 0 ½ ½ ½ ½ ½ * ½ 3,5 0,5 0 0
12 WGM Aulia Medina Warda 2380 INA ½ 0 0 0 ½ 0 0 ½ 0 ½ ½ * 2,5 0,0 0 0

Anmerkung:
Wtg1: das/die Ergebnis(se) der betroffenen Spieler gegeneinander
Wtg2: Die größere Anzahl von Siegen (variabel)
Wtg3: Die größere Anzahl von Siegen (variabel)

Endstand JAPFA International Women Grandmaster Tournament

Rg.   Name Elo Land 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Pkt.  Wtg1   Wtg2   Wtg3 
1 WGM Tsatsalashvili Keti 2307 GEO * ½ 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 8,5 0,0 8 5
2 WGM Frayna Janelle Mae 2304 PHI ½ * ½ 0 ½ ½ 1 ½ 1 1 1 1 7,5 0,0 5 2
3 WIM Sihite Chelsie Monica Ignesias 2209 INA 0 ½ * ½ 1 ½ ½ ½ 1 0 1 1 6,5 0,5 4 3
4 WIM Zarkovic Mila 2214 SRB 0 1 ½ * 0 ½ ½ 1 1 ½ 1 ½ 6,5 0,5 4 2
5 IM L'ami Alina 2316 ROU 1 ½ 0 1 * ½ ½ ½ 0 ½ 1 ½ 6,0 0,0 3 1
6 WIM Blagojevic Tijana 2254 SRB 0 ½ ½ ½ ½ * ½ 1 ½ ½ 0 1 5,5 1,5 2 0
7 WFM Fisabilillah Ummi 2225 INA 0 0 ½ ½ ½ ½ * ½ ½ ½ 1 1 5,5 1,0 2 1
8 WIM Citra Dewi Ardhiani Anastasia 2286 INA 0 ½ ½ 0 ½ 0 ½ * ½ 1 1 1 5,5 0,5 3 1
9 WGM Safranska Anda 2200 FRA 1 0 0 0 1 ½ ½ ½ * 0 ½ 1 5,0 0,0 3 1
10 WIM Nur Abidah Shanti 2128 INA 0 0 1 ½ ½ ½ ½ 0 1 * 0 ½ 4,5 0,0 2 0
11 WFM Lestari Baiq Vina 2137 INA 0 0 0 0 0 1 0 0 ½ 1 * 1 3,5 0,0 3 1
12 WFM Retno Wijayanti 2168 INA 0 0 0 ½ ½ 0 0 0 0 ½ 0 * 1,5 0,0 0 0

Anmerkung:
Wtg1: das/die Ergebnis(se) der betroffenen Spieler gegeneinander
Wtg2: Die größere Anzahl von Siegen
Wtg3: Die größere Anzahl von Siegen (variabel)


Alina L'Ami ist Schachprofi, WGM, und bringt allem, was sie macht, großen Enthusiasmus entgegen. Sie liebt es, in die entlegensten Winkel der Erde zu reisen, um dort Schach zu spielen und darüber hier bei ChessBase zu berichten.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren