18.03.2018 – Levon Aronian ist nach der heutigen Niederlage aus dem Kampf um den Turniersieg praktisch fast schon ausgeschieden. Mit nur 2½/7 liegt er auf dem letzten Tabellenplatz, ganze 2½ Punkte hinter dem Führenden Fabiano Caruana. Aronian versuchte im Aufeinandertreffen heute alles, vermied mehrmals remisliche Fortsetzungen, stand am Ende aber vor seiner Ruine einer Stellung | Foto: Worldchess
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Wiener Diskussionen in Berlin
Auch wenn sie deutlich weniger solide als andere Varianten des Damengambits ist, taucht die Wiener Variante seit vielen Jahren auf allerhöchstem Niveau immer mal wieder auf auf. Kreative und taktisch veranlagte Spieler wie Veselin Topalov oder Alexander Morozevich prägten die Theorie der Variante im vergangenen Jahrzehnt. Wir sprechen dabei von dieser Stellung:
In der heutigen Weltspitze gilt wohl Levon Aronian als der größte Experte. Gegen Sergey Karjakin gelang ihm in Runde Vier auch sein bisher einziger Sieg in diesem Turnier. Heute durfte er mit Weiß gegen seine Leib- und Magenvariante antreten. Fabiano Caruana hat vergleichsweise wenig Erfahrung - nur zwei Rapidpartien aus dem 2016, die er noch dazu beide verlor. Dennoch wagte er sich heute auf das Terrain seines armenischen Gegners.
Die Wiener Variante: Experte Levon Aronian trifft auf ... | Foto: Worldchess
... Rookie Fabiano Caruana | Foto: Worldchess
Pressekonferenz mit Aronian und Caruana
Auch am Nebenbrett, in der Begegnung zwischen Alexander Grischuk und Shakriyar Mamedyarov lag die Wiener Variante in der Luft - Mamedyarov hatte jedoch eigene Pläne und fiel seinen Gegner überfallsartig an. Grischuk musste früh eine Zugwiederholung akzeptieren und bezeichnete die Eröffnung hinterher als Disaster - auch wenn er es kurz darauf relativierte. Dennoch, am Ende sehen wir einen zufriedenen Mamedyarov, der als Tabellenführer ein schnell Schwarzremis gegen einen der gefährlichsten Weißspieler im Feld bekommt und einen etwas zerknirschten Grischuk, der morgen gegen Kramnik Revanche nehmen kann.
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Eine sehr viel positioneller angelegte Partie entstand in der Begegnung zwischen Sergey Karjakin und Wesley So. Karjakin konnte immer auf leichten Vorteil im Endspiel hoffen, So neutralisierte nie vollständig. Als der letzte Bauer am Damenflügel verschwand schien das Remis bereits sehr nahe.
Karjakin genießt in der Diagrammposition zweifelsohne einen leichten Vorteil, doch dass diese Stellung noch vor der ersten Zeitkontrolle vollständig zu seinen Gunsten kippt ist auf diesem Niveau eigentlich nicht zu erwarten. So manövrierte seine Figuren in derart unglückliche Positionen, dass er nach und nach mit schwierigeren Entscheidungen zu kämpfen hatte. Im 35. Zug unterlief ihm schließlich der entscheidende Fehler.
Die Stellung war dann nicht mehr zu retten. Nach 36.Kb6 kann keine der schwarzen Figuren ziehen. 36...Kd7 scheitert an 37.Ta7+, 36...Sh4 verliert nach 37.Kb7 die Qualität (37...Kd7 38.Td2+).
Sergey Karjakin verbucht seinen ersten Sieg | Foto: Worldchess
Kramnik will kein Remis
Kramnik ist mit einem Abstand von sieben Jahren der älteste Spieler im Feld. Vor dem Turnier hörte man Meinungen wie "Kramnik habe das größte Schachverständnis, aber wird er ein so langes Turnier durchhalten?" - und dies war nicht nur Stammtischpolemik, sondern wurde von Topspieler wie Maxime Vachier-Lagrave geäußert. So möchte man meinen, Kramnik sollte Kräfte sparen wo es nur geht. Er ist da allerdings anderer Meinung. Am Freitag schlägt er eine Zugwiederholung gegen Mamedyarov aus und verliert noch, heute weigert er sich, ein ziemlich remisliches Endspiel gegen Ding Liren auch Remis zu geben. Kramnik kämpft stattdessen weiter. Wie er jede Stellung weiterkämpft. In Verlustgefahr brachte er Ding dadurch allerdings nicht. Sich slebst hingegen schon.
Kramnik hatte in einem komplizierten Mittelspiel die Dame geopfert. Dafür erlangte er Turm, Springer und einen gefährlichen Freibauern auf der b-Linie. Ding Liren verteidigte sich gut und schließlich entstand dieses Endspiel, in welchem seit nunmehr 20 Zügen herumgezogen wurde. Klar ist, dass einzig Weiß auf Sieg spielen kann. Doch gruppiert seinen Springer nach f4 um, so bekommt Schwarz mit der neuen Ressource ...e3 genug Gegenspiel für das Dauerschach. Kramnik bevorzugt daher sich mittels 56.g4 einen Freibauern zu machen. Kramnik brachte seinen Freibauern bis nach h6, doch nachdem Ding zu f5-f4 gekommen war, wurde deutlich, dass Kramnik den Schalter auf Remis umzulegen hatte.
Das Remis zu sichern gelang Kramnik dann allerdings auch. Nach weit über sechs Stunden Spielzeit endete die Partie dann in einer Zugwiederholung. Weniger als 17 Stunden später muss Kramnik wieder ans Brett. Der nächste Marathon steht an - gegen Grischuk.
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Marco BaldaufMarco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.
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