Klaus Darga wird 85

von Michael Dombrowsky
24.02.2019 – Klaus Darga war nach dem Krieg über Jahrzehnte einer der besten deutschen Schachspieler und steuerte später als Bundestrainer die Geschicke der deutschen Nationalmannschaft. Heute feiert er seinen 85sten Geburtstag. | Foto: Harry Pot/ Niederländisches Nationalarchiv

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Klaus Darga – der stille Star wird 85

„Eigentlich habe ich gar nicht so viel Schach gespielt“, zieht Klaus Darga eine erstaunliche Bilanz. Besonders wenn man auf die Titelsammlung schaut: Berliner Meister bei der Jugend und Erwachsenen, Jugend-Vizeweltmeister, Deutscher Meister bei der Jugend und den Erwachsenen, Internationaler Meister ab 1957, Großmeister ab 1964. Heute feiert er seinen 85. Geburtstag.

Sein Lieblingsturnier war der Clare-Benedict-Cup

Bei einem Interview vor längerer Zeit erhielt ich auf die Frage nach seinem Lieblingsturnier von Klaus Darga eine überraschende Antwort: „Am liebsten hätte ich jede Woche ein Clare-Benedict-Turnier gespielt.“ Er sagt es mit einem Augenzwinkern, denn natürlich wurde dieses Turnier für Nationalmannschaften zwischen 1953 und 1978 nur einmal im Jahr ausgetragen. Clare Benedict war die Sponsorin der Veranstaltungen. Die Amerikanerin war seit den 20iger Jahren durch Europa gereist und lebte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz. Sie kam aus einer reichen Familie und war die Urgroßnichte von James Fenimore Cooper, einem berühmten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der viele historische Romane, Seefahrergeschichten und die bekannten Abenteuer von „Lederstrumpf“ verfasst hatte.

Bei den sechs Teams, die jeweils mitspielten, waren die Schweiz und Österreich bei jedem der 23 Turniere mit dabei gewesen, 21 mal spielten die Niederlande und Deutschland mit. Je nach Reisen der Sponsorin wurde das Feld häufig durch Italien. Spanien, England oder durch andere Nationalmannschaften ihrer Reiseziele ergänzt.

Zwischen 1956 und 1968 spielte Darga zehnmal beim Clare-Benedict-Cup mit und gewann neun Goldmedaillen in der Einzelbrettwertung und neunmal Gold plus einmal Bronze mir der Mannschaft. In dieser Zeit spielte er 38 Partien, von denen er 27 gewann und 11 remisierte – Verluste? Fehlanzeige! Damit ist auch das Geheimnis um die Begeisterung des gebürtigen Berliners für diesen Wettbewerb gelüftet.

Bei Dargas erster Teilnahme trat er als amtierender Deutscher Meister an. In Frankfurt-Höchst hatte er 1955 auf Anhieb den Titel ohne Niederlage vor Lothar Schmid (Bamberg) gewonnen. Auch die Deutschen Meisterschaften waren für Darga ein gutes Pflaster. Dreimal hat er mitgespielt und nach seinem Sieg wurde er 1957 Vierter und holt sich 1961 erneut den Titel. Damals wurde die Deutsche Meisterschaft vollrundig mir sechszehn Teilnehmern gespielt. Von den 45 Partien in den drei Turnieren hat Darga genau eine einzige verloren! Der weggeschnappte deutsche Meistertitel spornte den ehrgeizigen Lothar Schmid an. Neunmal spielten sie beim Clare-Benedict-Turnieren gemeinsam im deutschen Team, doch sechsmal (bei einem Unentschieden) schnitt Darga in diesem Privatduell besser als der Großmeister aus Bamberg ab.

Autogrammliste der Clare Benedict Teilnehmer, 1965

„Ich mochte die Turniere nicht nur wegen der Erfolge. Es waren vor allem die tollen Turnierorte in der Schweiz, die diese Veranstaltungen so außergewöhnlich machten. Allein die Hotels waren teilweise so atemberaubend, dass man unwillkürlich wie in einem Museum flüstern wollte“, erinnert sich der Jubilar. Aber 1965 bedeutete die Veranstaltung für den Großmeister etwas ganz Besonderes: Zum ersten Mal spielte man nicht in der Schweiz sondern – in Berlin! Und das Spiellokal (was den Spielort völlig falsch beschreibt) war eines der luxuriösesten Hotels in Berlin. Das „Schlosshotel Haus Gehrhus“ im Grundwald war immer eine renommierte Adresse gewesen. Hier stiegen Jahrzehnte lang bis heute die Reichen und die Schönen ab. Dass 1966 Albert Speer aus dem Kriegsverbrechergefängnis Spandau nach 20 Jahren Haft dorthin für kurze Zeit übersiedelte ist nur eine Fußnote der Geschichte. Heute führt der Designer Patrick Hellmann das Schlosshotel in der Brahmsstraße in Zehlendorf. Das Turnier 1965 war für Klaus Dargaein Heimspiel zum Abschied. Denn wenige Tage zuvor hatte er die feste Zusage für einen Job bei IBM in Ehningen erhalten. Er zog nach Baden-Württemberg um.

„Mir war klar, dass diese Position als Software-Entwickler und Projektmanager das Ende einer Profi-Karriere als Schachspieler bedeutete. Doch hatte ich mit viel Freude Schach gespielt. Die Aussicht spielen zu müssen, war für mich keineswegs eine erstrebenswerte Zukunft. Denn in der Zwischenzeit hatte ich einige Profis kennengelernt, die sich gewissermaßen ans Brett quälen mussten“, erklärt er weshalb ihm die Veränderung so leicht fiel. „Außerdem gab ich Schach nicht völlig auf. Ich spielte jetzt jedoch nur, soweit es die Urlaubstage erlaubten“.

So spielte Klaus Darga noch zweimal beim Clare-Benedict-Turnier mit und stand bis 1978 bei zehn Schach-Olympiaden in der deutschen Mannschaft. Sein größter Erfolg Nationalmannschaft: Der Gewinn der Bronzemedaille 1964 in Tel Aviv.

Ein Wunsch ist für ihn nicht in Erfüllung gegangen. „Ich wollte immer einmal Clare Benedict kennenlernen. Leider ist sie nie zu den Kämpfen gekommen.“ Clare Benedict starb 1961 im Alter von 91 Jahren. In einer Stiftung hatte sie so viel Geld für Schach angelegt, dass die Turnierserie bis 1978 fortgeführt werden konnte.

Es folgen einige Anmerkungen von Klaus Darga zu Partien aus dem Clare Benedict Cup, die hier erstmals veröffentlicht werden.

Anmerkungen zu den Partien:

zu Darga – Anton Kinzel (Ö) 1957 Lenzerheide: 

     Nach 16. f4 wird der Vorteil durch einen weiteren Bauerngewinn deutlich, weil der merkwürdig aussehende Zug  16. … e4 fast erzwungen ist da 16. … exf wegen Txf4 den Springer verliert. Auch f6 hilft nicht. Nach 17.  exf exf 18. Txf8+ Kxf8 19. c3 geht der Springer ebenfalls verloren. 16. … Td8 wird mit 17. fxe Txd5 18. Le4 beantwortet. Schon ein Witz, dass der Springer mitten auf dem Brett derart gefährdet steht.

Nach 26. h3  geht Txf4 nicht, da 27. Lxd6 Txd6 28. Te8+ Kh7 29. Tc8 die beiden verbundenen Bauern zum Laufen bringt.

 

zu Hans Bouwmeester (Niederlande) – Darga, 1959 Lugano:

Eine sehr komplizierte Verteidigung gegen einen Anti-Sizilianischen Aufbau, den man heute „Big clamb“ nennt.  Die Analysen würden hier den Rahmen sprengen. Die Beschäftigung mit der spannenden Partie lohnt sich.

 

zu Darga – Peter Clarke (England) 1965 Berlin:

17. Txd5 ist ein kleiner taktischer Witz, der einen Bauern gewinnt. Der Turm ist tabu, da Dxd5 an Se7+ und Sxd5 an Dg4 nebst Sh6+ scheitert. So bleibt Schwarz nichts anderes übrig als sich mit dem Bauernverlust abzufinden.

 

Zu Darga – Andreas Dückstein (Österreich) 1963 Luzern:

Was mit 17. Sxd5 begann, endete bei 25. … Sd4. Andreas fühlte sich sichtlich     wohl. Nach seiner Meinung konnte meine Dame den Läufer nicht mehr verteidigen. Soweit war alles richtig. Doch ich hatte den nächsten Zug in der Vorausberechnung noch gesehen. Nach 26. Dg6 brauchte er ein Weile, ehe er darauf verzichtete, sich den Rest vorführen zu lassen. Später erzählte er mir, dass er von seinen österreichischen Kollegen wegen dieses Reinfalls häufig angesprochen und auf den Arm genommen worden sei.

 

 

Mehr über den Clare Benedict Cup bei Olimpbase...

 

 

 


Michael Dombrowsky war fast 40 Jahre als Redakteur bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften tätig. Als Rentner begann er Bücher zu schreiben. Das erste Schachbuch auf dem Markt sind die „Berliner Schachlegenden“.

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