14.12.2016 – Die Vegetarier-Partien hatten es in sich, besonders Nakamuras Schwergewichtsremis gegen Kramnik. Bis zum Schluss wähnte sich der US-Profi auf der Siegesstraße, bis ihm die Pointe dämmerte, die der Russe lange im Voraus angepeilt hatte. Nadezhda Kosintseva zeigt, wie Michael Adams gegen Topalov gewannt, der merklich unter Form spielte, und Caruana ließ gegen Vachier-Lagrave plötzlich locker. Mit einer erstaunlichen und verblüffend einfachen Neuerung ließ Giri dem weißen Aufbau Aronians die Luft entweichen und ein bislang unversucht gebliebener Desperado Anands brachte Wesley So ins Grübeln. Zum Rundenbericht...
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London Chess Classic 2016, Runde 5
Runde 5, Michael Adams - Veselin Topalov / Anmerkungen von Nadezhda Kosintseva
Nadezhda Kosintsevas Anmerkungen werden im kommenden ChessBase Magazin #176 publiziert. Die meisten Partien des London Chess Classic werden darin kommentiert - und viele andere dazu. Das frische ChessBase Magazin #175 mit Kommentaren von Vladimir Kramnik, Wesley So, David Navara, Pavel Eljanov, Simon Williams, Daniel King und vielen anderen finden Sie in unserem Shop → hier.
Highlights der 5.Runde von Daniel King
Fotos: Lennart Ootes
Hikaru Nakamura - Vladimir Kramnik Die längste und für manche die eindrucksvollste Partie der Runde. Der Russe hatte mit Schwarz ausgeglichen, und wie er später eingestand, konnte er sich am Brett nicht entscheiden, ob er nun auf den ganzen Punkt spielen sollte oder auf ein Remis. Die unentschlossene Umsetzung in der Phase zwischen dem 30. und 40. Zug gefiel Kramnik selbst überhaupt nicht, diese Einschätzung teilte er mit Nakamura. Der US-Profi übernahm dann auch kurzerhand die Initiative und glaubte bis kurz vor Schluss, auf Gewinn zu stehen, bis er die Pointe mit dem Patt entdeckte.
Stellung vor Kramniks 45...De4
Kramnik zeigte seine Klasse, als er bei der Berechnung von 45...De4 das Finale bis auf den Pattschluss vorwegnahm, wie er im Gespräch mit Maurice Ashley berichtete.
Zwar sah der frühere Weltmeister nicht das Figurenopfer, wohl aber die wichtigen Züge wie zum Beispiel 54...Sh8 nebst 55...Sf7+ und 56...Dxf5+, und entschied sich bei 45...De4, diesen Weg zum Remis anzusteuern. Die Pointe mit dem Figurenopfer fürs Patt sah Kramnik nach eigenem Bekunden indes erst im weiteren Verlauf der Partie. Allerdings sagte er, so häufig nur die einzigen Züge zu finden fiele ihm leichter als andauernd aus einer Reihe von Optionien wählen zu müssen.
Eine beeindruckende Vorstellung. Sage da noch jemand, ein Remis sei ein langweiliges Ergebnis.
Es dämmerte Nakamura erst zum Schluss, weshalb Kramnik so bereitwillig auf das Finale zusteuerte
Maxime Vachier-Lagrave - Fabiano Caruana
Das dritte Remis der 5. Runde, Vachier-Lagrave kam gerade noch mit heiler Haut davon. Mit Weiß fand er nichts Überzeugendes gegen Caruanas Russische Verteidigung. Bald übernahm Schwarz das Ruder und schickte die Zentrumsbauern voran. In entscheidenden Augenblick verpasste Caruana eine gute Chance und nach einigen Zügen wurde der Punkt geteilt.
Maxime Vachier-Lagrave - Fabiano Caruana, Stellung vor 24...Td2?!
Die Engines wollen hier das einfache 24... Te8 sehen oder das anspruchsvolle und weitaus schwieriger zu spielende 24...Sb4 mit der Idee ...Sd3. Nach 24...Td2?! aber war für die Nummer zwei der Weltrangliste nicht mehr zu holen als ein Remis.
Levon Aronian - Anish Giri Anfangs wurden die Züge im Blitztempo abgespult. Nach 12...b6 dürfte jedoch die Überraschung auf Seiten Aronians gelegen haben. Das Qualitätsopfer ist stark. Nimmt Weiß es an, muss er sich akut um zwei Dinge kümmern: den Zug 14...Lh3 mit Mattdrohung auf g2 und Angriff auf f1 ... und vor allem dem Zug Tf8-d8 und Weiß kann die Gegenüberstellung von schwarzem Turm und weißer Dame kreuzgefährlich werden. Aronian zog die Notbremse und der Stellung entwich jeglicher Dampf in kürzester Zeit - die Partie wurde als erste Begegnung der Runde Remis gegeben.
Giri: "It's not the most spectacular game I have ever played but he's the one who should regret the opening choice" #LondonChess
Wesley So - Vishy Anand Ebenfalls ein flottes Remis. Anand brachte eine pittoreske Neuerung in einem scharfen Abspiel des abgelehnten Damengambits mit 5. Lf4. Nach 10. Dd2 ist eher 10...Sd5 gespielt worden oder der witzige Desperado 10...Se2. Auf den anderen Desperado 10...Lxa3 in dieser Stellung war bislang aber noch keiner verfallen.
Wesley So - Viswanathan Anand, Stellung nach 10.Dd2
In Bilbao hatte Hikaru Nakamura in diesem Jahr die Stellung auf dem Brett. Karjakin entschied sich dabei für das sachliche 10...Sd5. Auch Anands Zug glich im Verlauf aus, doch Wesley So nahm sich gründlich Zeit, um diese Position auf sich wirken zu lassen. Nach mehr als einer halben Stunde nahm der Tabellenführer den Springer mit der Dame. Das Spiel endete Remis, wie vor der Partie liegt Wesley So auch nach dieser Runde in Führung (3,5/5) und wird von den punktgleichen Aronian, Kramnik, Caruana und Nakamura mit einem halben Punkt Abstand verfolgt.
Michael Adams - Veselin Topalov Die einzie Partie für Nicht-Vegetarier dieser Runde. Spanier, Berliner Verteidigung mit 4.d3: Adams öffnet seine Königsstellung, will Schwarz unter Druck zu setzen, reißt beispielhaft Linien gegen den König auf und investiert dafür lediglich einen Bauern.
Nach dem zu erwartenden 16. Dg4 war der Bulgare gefordert, einen Verteidigungsplan mit Schwarz vorzulegen. Topalov entscheid sich für 16...Dd3 und opferte dafür den Bauern auf g7. Mittelfristig wollte er den König am Damenflügel in Sicherheit bringen und die offenen Linien in Verbund mit den beiden Läufern und den Schwerfiguren zum massiven Angriff auf den weißen König nutzen.
Sehr interessant war aber der Computervorschlag, sich wie folgt zu verteidigen, eingeleitet mit der - festhalten - kurzen Rochade:
Verteidigungsvorschlag: Stellung nach 16...0-0!? 17.Se4 h5!? 18. Dg3 Lc4 19.f6
Diese Position muss man am Brett erst einmal wollen. Allein bei der Berechnung auf einen Zug wie 17...h5!? zu kommen, würde nicht jedem gelingen. Sicher kein Allerweltszug.
Adams hielt in der Partiefolge den schwarzen König jedoch lange genug in der Mitte fest und mahlte schließlich zuerst. Topalov hatte dabei noch durchaus Chancen gehabt.
Variante nach 16...Dxe4 und Qualitätsopfer bis 22...Tg8
Eine wichtige Rettungschance bestand vielleicht in der Variante 19...Dxe4, 20.Sxe4 Ld5 21.Sf6+ Ke7 22.Sxg8+ und 22...Txg8. Schwarz spielt dann zwar mit einer Qualität weniger, aber das Spiel mit aktiven Figurem gegen den weißen König kompensiert die Qualität womöglich. Eigentlich sind doch gerade solche Transformationen Topalovs Markenzeichen.
Adams - Topalov, Endstellung nach 32...Kd7
Adams beendete die Partie nun mit 33.Txd5+ und Topalov, der noch eine Falle vorbereitet hatte für den Reinfall 33.Dxg8?? - was folgt von Schwarz? -
33...Te1+ nebst 34...Dxg2 matt!
gab schließlich auf. Topalov wird nun darauf achten müssen, das Turnier mit Anstand zu Ende zu bringen, um nicht in der Ratingliste gänzlich abzurutschen.
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